Friedrich Merz

Asyl- und Migrationspolitik Heftige Kritik an Merz-Plänen zur Staatsbürgerschaft

Stand: 06.01.2025 15:21 Uhr

Straffälligen Doppelstaatlern soll die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden - so will es CDU-Chef Merz. SPD-Chefin Esken wirft ihm vor, mit "rechtspopulistischem Feuer" zu spielen. Nicht nur von ihr kommt deutliche Kritik an Merz.

Mit einem neuen Vorschlag für eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts hat der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz für Aufregung gesorgt. "Friedrich Merz spielt bewusst mit dem rechtspopulistischen Feuer und ist als Kanzler aller Deutschen nicht geeignet", sagte die SPD-Chefin Saskia Esken dem Magazin Stern.

Der Kanzlerkandidat der Union hatte der Welt am Sonntag gesagt, die von der Ampelkoalition beschlossene doppelte Staatsbürgerschaft sollte nicht der Regelfall sein, sondern künftig wieder auf begründete Ausnahmefälle beschränkt werden. Merz führte weiter aus: "Wir holen uns damit zusätzliche Probleme ins Land." Und: "Es müsste wenigstens auf der gleichen Ebene eine Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft möglich sein, wenn wir erkennen, dass wir bei straffällig werdenden Personen einen Fehler gemacht haben."

Merz' Forderungen würden aus Eingebürgerten "Bürger zweiter Klasse machen", kritisierte Esken.

Linken-Chef wirft Merz "Rassismus" vor

Der Chef der Linkspartei, Jan van Aken, verurteilte Merz ebenfalls scharf für seinen Vorschlag: "Was Friedrich Merz hier gesagt hat, ist nichts anderes als widerlicher Rassismus." Merz spalte das Land, so van Aken. "Wenn du Thomas oder Andrea heißt, dann bist du Deutscher auf immer und ewig. Aber wenn du Elef oder Sergej heißt, dann bist du nur Deutscher auf Abruf. Benimm dich ja artig und wenn du es nicht tust, dann bist du ganz schnell wieder draußen", sagte der Linken-Chef.

Fratzscher warnt vor "Dammbruch"

Kritik an der Äußerung von Merz kommt auch vom Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Im Netzwerk X schrieb er, dieser Vorschlag sei ein "Dammbruch" und "würde zu einer Zweiklassengesellschaft bei der Staatsbürgerschaft führen."

Im vergangenen Juni war die von der Ampelkoalition beschlossene Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts in Kraft getreten. Demnach ist eine Einbürgerung nun schon nach fünf, in Fällen von besonders guter Integrationsleistung sogar schon nach drei Jahren möglich. Merz kündigte an, das Gesetz im Falle eines Sieges der Union bei der kommenden Bundestagswahl wieder ändern zu wollen.

Pro Asyl sieht Radikalisierung der Union

Zuvor hatte bereits die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl den Unionsparteien eine "Radikalisierung" in der Asylpolitik und einen populistischen Wahlkampf vorgeworfen. "Es ist extrem besorgniserregend, dass die Unionsparteien bei ihren Forderungen an vielen Stellen Grund- und Menschenrechte missachten, um Wähler rechter Parteien zu umwerben", sagte Pro-Asyl-Rechtsexpertin Wiebke Judith den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Man erlebe eine Erosion von Grundprinzipien wie Rechtsstaatlichkeit, Menschenwürde und Menschenrechten.

Judith reagierte damit vor allem auf einen "Sicherheitsplan", mit dem die CSU in den Bundestagswahlkampf ziehen will. In dem Papier, das bei einer heute beginnenden Klausurtagung beschlossen werden soll, bekräftigt die CSU unter anderem die Forderung nach genereller Zurückweisung von Schutzsuchenden an den deutschen Grenzen.

Das wäre aber ein Verstoß gegen Völker- und Europarecht, erklärte Asylrechts-Expertin Judith. Selbst wenn ein anderer EU-Staat zuständig sei, müsse das in einem rechtsstaatlichen Verfahren - im sogenannten Dublin-Verfahren - geklärt werden.

Expertin verweist auf Flüchtlingskonvention

Unzulässig sei es auch, für Schutzberechtigte das Bleiberecht an ein auskömmliches Eigentum zu koppeln, so die Asyl-Expertin. "Aus der Genfer Flüchtlingskonvention ergibt sich der Anspruch auf eine sozialrechtliche Gleichbehandlung für Geflüchtete." Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei klar: "Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht relativierbar." Deshalb sei es nicht möglich, Geflüchteten jede Unterbringung oder Sozialleistung zu verwehren.

Verfassungswidrig sei es auch, wenn die CSU jetzt ausländische Straftäter nach Verbüßung der eigentlichen Strafe in unbefristete Abschiebehaft nehmen wolle.

Union für schnellere Abschiebung straffällig gewordener Asylbewerber

Die CDU hatte bereits vor den Äußerungen von Merz angekündigt, im Fall eines Wahlsiegs deutlich härter gegen straffällige Asylbewerber vorzugehen. So forderte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann eine schneller Abschiebung straffällig gewordener Asylbewerber. Nach einem "Warnschuss" müsse künftig "bei der zweiten vorsätzlichen Straftat das Aufenthaltsrecht zwingend erlöschen". 

Nach dem Sturz des Assad-Regimes wird in Deutschland verstärkt über den Umgang mit Flüchtlingen aus Syrien diskutiert. Aus Sicht der Union reicht die Aufnahme einer Arbeit allein für diese Menschen nicht aus für einen weiteren Verbleib in Deutschland. Laut dem Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Thorsten Frei, müsse das Arbeitseinkommen auch reichen, um gegebenenfalls die Familie zu ernähren und später eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu beziehen.

Habeck koppelt Bleibeperspektive an Arbeit

Der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, betonte ebenfalls, dass Arbeit das zentrale Kriterium für eine Perspektive geflüchteter Syrer in Deutschland sei. "Diejenigen, die hier arbeiten, die können wir gut gebrauchen", sagte er in einem Interview im Deutschlandfunk. Eine Rückkehr der anderen in deren Heimat hält er für möglich beziehungsweise auch notwendig: "Diejenigen, die hier nicht arbeiten, werden - wenn das Land sicher ist - wieder in die Sicherheit zurückkehren können oder auch müssen."

In Deutschland leben laut Bundesinnenministerium rund 975.000 Syrer. Die meisten kamen seit 2015 infolge des syrischen Bürgerkriegs. Mehr als 300.000 von ihnen haben einen subsidiären Schutztitel. Sie wurden also nicht wegen einer individuellen Verfolgung aufgenommen, sondern wegen des Bürgerkriegs in ihrer Heimat.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 06. Januar 2025 um 14:00 Uhr.