Bevorstehende Neuwahl Große Herausforderungen für kleine Parteien
Die vorgezogene Bundestagswahl stellt Kleinparteien vor besondere Probleme. Ohne großen Parteiapparat im Hintergrund müssen Ehrenamtliche in kurzer Zeit Unterschriften sammeln und einen Wahlkampf auf die Beine stellen.
Vor Angelika Remiszewski ist gerade kaum jemand sicher. "Ich sammele Unterschriften bei Nachbarn, Freunden, Familie und ehemaligen Arbeitskollegen", erzählt die 67-Jährige.
Remiszewski engagiert sich ehrenamtlich in der Partei Mensch Umwelt Tierschutz (Tierschutzpartei) und ist eine der Landesvorsitzenden in Nordrhein-Westfalen. Um zur Bundestagswahl zugelassen zu werden, muss ihre Partei allein in NRW 2.000 Unterschriften von Unterstützern sammeln.
Schlechtes Wetter macht Unterschriften sammeln schwerer
"Wir waren darauf eingestellt, dass die Wahlen im kommenden September stattfinden", sagt Remiszewski. Jetzt muss alles ganz schnell gehen - unter erschwerten Bedingungen. "Bei diesem Wetter trifft man zum Beispiel in Parks niemanden, der Lust hat, ein Formular auszufüllen." Auch die kurzen Tage seien ein Nachteil, im Sommer sei alles viel einfacher.
Dabei hat ihr Landesverband durchaus noch Glück. Weil Ende August ein Parteitag stattgefunden hat, wurde bei dieser Gelegenheit auch schon eine Landesliste mit Kandidaten für die Bundestagswahl aufgestellt. "Andere Landesverbände hatten ihre Aufstellungsversammlungen noch gar nicht", sagt Remiszewski.
Angelika Remiszewski - hier mit dem Europaabgeordneten Sebastian Everding - ist froh, dass ihre Partei schon eine Landesliste aufgestellt hat.
Landeslisten stehen teilweise noch nicht
Die Partei Volt, die ebenfalls zur Wahl antreten will, hat in Nordrhein-Westfalen noch keine Landesliste. Immerhin habe man inzwischen eine Veranstaltungshalle für die Sitzung gefunden, erzählt Tristan Rott, stellvertretender Landesvorsitzender von Volt NRW. Am 1. Dezember soll die Liste stehen, erst dann kann die Partei loslegen.
Trotz allem ist Rott guter Dinge, dass Volt in Nordrhein-Westfalen noch vor Weihnachten genügend Unterschriften beisammen haben wird. "Wenn das geschafft ist, will ich den Volt-Mitgliedern in anderen Bundesländern helfen", sagt der 20-Jährige.
Für Tristan Rott und seine Volt-Kolleginnen und -kollegen gibt es bis zur Wahl noch viel zu organisieren.
Größere Hürden in kleineren Bundesländern
Gerade in kleinen Bundesländern könnte diese Hilfe dringend gebraucht werden, denn die Hürden für Kleinparteien liegen dort vergleichsweise hoch. Das hat mit einer Besonderheit im Bundeswahlgesetz zu tun.
Um zugelassen zu werden, muss eine Partei Unterschriften von einem Tausendstel der Menschen bekommen, die bei der letzten Bundestagswahl im jeweiligen Bundesland wahlberechtigt waren. Gleichzeitig ist diese Zahl auf 2.000 Unterschriften gedeckelt. Das hat vor allem in großen Bundesländern einen starken Effekt. "Ohne die Deckelung wären es in NRW mehr als 13.000 Unterschriften", erklärt Hendrik Träger, Politikwissenschaftler von der Universität Leipzig.
In Bundesländern mit vergleichsweise wenigen Einwohnern greift die Deckelung hingegen nicht. In Mecklenburg Vorpommern müssen ungefähr 1.300 Unterstützer gefunden werden, sagt Träger. Der Unterschied ist bei den Unterschriften also nicht sehr groß, obwohl Nordrhein-Westfalen etwa zehn Mal mehr Wahlberechtigte hat.
Außerdem erschwere die geringere Bevölkerungsdichte das Sammeln von Unterschriften. "Wenn ich mich in Hamburg auf den Rathausmarkt stelle, kommen mehr Menschen vorbei, als wenn ich in Rostock oder Schwerin auf dem Markt stehe", so der Politikwissenschaftler.
Bundesinnenministerium will Fristen anpassen
Wenn die Bundestagswahl wie geplant am 23. Februar stattfindet, hätten die Kleinparteien nur noch bis Mitte Dezember Zeit, um Unterstützer zu finden. Denn das Bundeswahlrecht sieht vor, dass die Unterschriften 69 Tage vor dem Wahltermin vorliegen müssen.
Allerdings hat das Bundesinnenministerium in Aussicht gestellt, die Fristen anzupassen, um den Parteien mehr Zeit zu geben. Eine entsprechende Verordnung werde bereits vorbereitet, Details sind aber noch nicht bekannt.
Wahlkampf im Eiltempo
Während Listenaufstellung und Unterschriftensuche noch laufen, müssen sich die Kleinparteien auch schon um den eigentlichen Wahlkampf kümmern. "Unsere Partei muss zusehen, dass wir das Wahlprogramm und den Werbefilm gestemmt bekommen", sagt Angelika Remiszewski von der Tierschutzpartei.
Volt hat in der Vergangenheit besonders stark in sozialen Netzwerken um Wähler geworben. Ist das jetzt, wo es so schnell gehen muss, ein Vorteil? Tristan Rott ist zurückerhaltend: "Eine digitale Kampagne braucht auch Zeit." Er werde jedenfalls nicht nur im Netz Wahlkampf machen, sondern auch in der Fußgängerzone stehen.