Organspendeausweis

Apps der Krankenkassen fehlen Warum es bei der Organspende hakt

Stand: 01.10.2024 10:32 Uhr

Bis heute sollten die gesetzlichen Krankenkassen in ihren Apps einen Zugang zur Organspende-Onlineregistrierung einrichten. Doch nur wenige Kassen sind der Vorgabe nachgekommen. Was bedeutet das für Betroffene?

Hansulrich Schäfer liegt im Dialysezimmer des Westpfalzklinikums in Kaiserslautern, neben ihm laufen Maschinen. Dreimal die Woche verbringt er hier seinen kompletten Vormittag, denn er leidet unter terminaler Niereninsuffizienz. Ohne die Blutwäsche könnte der 76 Jahre alte Rentner nicht lange überleben.

Eine Nierenspende könnte seine Lebenssituation erheblich verbessern und ihm viel Bewegungsfreiheit zurückgeben. Zwar könnte der ehemalige Konditor auch noch jahrelang Dialyse bekommen, doch durch die Behandlung steigt das Risiko für Begleiterkrankungen - Infektionen, Stoffwechselstörungen, Herzprobleme oder das Schlaganfallrisiko.

Deshalb kommt er jetzt auf die Warteliste für eine Spenderniere. Wie lange er darauf warten muss, kann ihm niemand sagen. "Dass ich dann nicht mehr oder nicht mehr so oft an die Dialyse muss, das steht für mich alles in den Sternen. Ob das mal kommt oder nicht kommt, ich warte es halt ab", sagt Schäfer.

Er müsse sich an die eigene Nase fassen, erzählt er. Er selbst habe sich auch nie in die Organspenderliste eintragen lassen. "Irgendwie ist das alles so weit weg. Ich habe mich nie damit beschäftigt, bis ich dann selbst krank wurde. Wenn man selbst auf ein Organ wartet, dann denkt man sich, ach, hätte ich doch mal früher vielleicht ..." Dann bricht er den Satz nachdenklich ab.

Viel zu wenig Transplantationen

Im Westpfalzklinikum wurden im vergangenen Jahr 27 Nieren transplantiert. Das entspricht den Vorgaben für ein Krankenhaus dieser Größe. Deutschlandweit stehen 8.500 Patienten auf der Warteliste für eine Organspende - von der Niere über Lunge, Leber bis zum Herz. Nicht einmal Tausend Kranke haben tatsächlich ein Organ erhalten.

"Hier klafft ein zu großes Delta", sagt Felix Kindel, der Transplantationsbeauftragte des Westpfalzklinikums. "Es gab im letzten Jahr 965 Organspenden in Deutschland. Das ist bei 83 Millionen Einwohnern wirklich sehr, sehr wenig, auch verglichen mit anderen EU-Ländern. Wir haben uns entschlossen, dieses Therapeutikum der Bevölkerung in Deutschland anzubieten. Also finde ich es wichtig, dass es auch umgesetzt werden kann, und ohne Organspende gibt es keine Transplantationsmedizin."

Organspenderegister richtiger Schritt

Je einfacher man Organspender werden kann, desto mehr Bereitschaft dazu gäbe es in der Bevölkerung, sind sich Mediziner sicher. Es kommt also auf jede Gelegenheit an, zu der potenzielle Spender mit dem Thema konfrontiert werden.

Infostände zu Organspende stehen seit Jahren in Fußgängerzonen. Hier bekommt man die kleinen, gelb-orangenen Spenderausweise. Seit März können sich Menschen darüber hinaus ins Online-Organspenderegister eintragen lassen - aber nur, wenn sie einen digitalen Personalausweis besitzen.

Für Felix Kindel ist das zwar noch nicht der große Wurf, aber zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. "Es ist eine weitere Möglichkeit für Bürgerinnen und Bürger, sich zu registrieren und ihren Willen kundzutun, auch unabhängig davon, es Angehörigen mitteilen zu müssen", sagt er. "Wir können unabhängig von Angehörigen prüfen, ob jemand seinen dokumentierten Willen hinterlegt hat."

Viele Krankenkassen setzen das Gesetz nicht um

Der Gesetzgeber verpflichtete die gesetzlichen Krankenkassen, in ihren Apps eine Funktion einzurichten, über die man sich ebenfalls registrieren kann. Stichtag: der 1. Oktober. Die meisten Versicherer lassen den Termin aber verstreichen, ohne ein entsprechendes Angebot zu machen.

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) weist jede Mitverantwortung dafür von sich. Man habe keine Kenntnis über den Stand dieser Apps bei den Mitgliedern. Der Verband begründet das damit, dass er "keine Aufsichtsfunktion" darüber habe.

Vermutlich sei zudem die Umsetzungszeit zu kurz gewesen. Die "hohe Entwicklungslast aufgrund der Vielzahl an Digitalisierungsprojekten, aber vor allem auch aufgrund der sanktionsbewehrten Frist zur Einführung der elektronischen Patientenakte für alle" spiele hierbei eine Rolle.

Und obwohl der Verband in seiner Stellungnahme eingangs argumentiert, keine Kenntnis über das Erreichen der Vorgaben unter seinen Mitgliedern zu haben, schreibt er anschließend: "Wir gehen davon aus, dass, sofern einzelne Krankenkassen die Anbindung tatsächlich nicht fristgerecht umsetzen können, die Umsetzung alsbald erfolgt."

Tatsächlich scheinen auch die Verantwortlichen für das Organspenderegister und das Gesundheitsministerium völlig im Dunkeln zu tappen, ob und wann die Krankenversicherungen ihrer Verpflichtung nachkommen werden. Entsprechende Anfragen dazu blieben unbeantwortet.

Niedrigschwellige Angebote machen

Die Warteliste für Spenderorgane wird unterdessen immer länger. Für Patienten wie Hansulrich Schäfer wäre jede App, die einen Eintrag ins Spenderregister vereinfacht, ein Hoffnungsschimmer. "Ich habe gedacht, mit meinen 76 werde ich sowas überhaupt nicht mehr bekommen", sagt Schäfer. "Deswegen wäre ich schon glücklich, weil mir das viel Lebensqualität wiedergeben würde."

Trotz seiner Lage hat der Rentner ein gewisses Verständnis für alle, die sich noch nicht im Organspenderegister haben eintragen lassen. "Heute wäre ich sogar dafür, dass jeder, der nicht widerspricht, automatisch zum Spender wird. Keiner weiß, ob er nicht selbst mal in die Situation gerät, dass er ein Spenderorgan braucht, und dann ist es vielleicht zu spät."

Eine einfache Registrierung, die Ärzte ohne Angehörige einsehen können und die jeder ohne technische Hürden bewältigen kann, fehlt noch immer. Wer noch keinen digitalen Personalausweis hat, wem die Onlineregistrierung zu kompliziert ist oder wer nicht warten möchte, bis seine Krankenkasse den Zugang zum Organspenderegister ermöglicht, kann sich natürlich nach wie vor den kleinen gelb-orangenen Organspendeausweis ins Portemonnaie stecken oder einfach seinen Willen auf einem Bogen Papier schriftlich festhalten. Ein kurzes Gespräch darüber mit den Angehörigen hilft zudem im Ernstfall den Ärzten, schnell Kenntnis von der Spendenabsicht ihres Patienten zu bekommen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 21. September 2024 um 17:05 Uhr.