Angriffe auf Politiker Die besondere Rolle der AfD
In Dresden traf es Politiker von SPD und Grünen, in Stuttgart nun welche der AfD. Der in Teilen rechtsextremen Partei wird allerdings vorgeworfen, für die "Verrohung der politischen Kultur" mitverantwortlich zu sein.
Erneut sind Politiker in Deutschland auf offener Straße angegriffen worden. Diesmal traf es zwei Landtagspolitiker der AfD in Baden-Württemberg.
"Mutmaßliche Parteigegner" hätten einen Infostand der Landtagsfraktion in Stuttgart am Mittwochnachmittag blockiert und Banner in die Höhe gehalten, teilte die Polizei mit. Mitglieder der Fraktion seien dabei verbal und körperlich "angegangen" worden. Zwei Landtagsabgeordnete seien leicht verletzt worden. Namen nannte die Polizei nicht.
Früher vor allem AfD Ziel, heute die Grünen
Zuletzt hatte es eine ganze Reihe von Angriffen auf Politiker gegeben. Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, äußerte sich besorgt über die Entwicklung. Im gesamten vergangenen Jahr habe das BKA 27 körperliche Angriffe auf Politiker gezählt, in diesem Jahr seien es schon 22, sagte der Behördenchef. Aber auch die Zahl der Beleidigungen sei deutlich angestiegen. Von Beleidigungen seien die Grünen bundesweit am stärksten betroffen, von Körperverletzungen die AfD.
Aus vorläufigen Zahlen der Bundesregierung geht hervor, dass sich die Zielgruppe der Angreifer insgesamt verlagert hat. Waren 2019 vor allem Vertreter der AfD Ziel von Anfeindungen, so sind es nun die Grünen. Für die AfD wurden im vergangenen Jahr bundesweit 478 Fälle aktenkundig, für die Grünen 1.219. Für die SPD waren es 420, für andere Parteien weniger. Insgesamt wurden 2.790 solche Straftaten gemeldet, wie die Regierung auf eine AfD-Anfrage mitteilte.
"Die AfD ist wesentlich mitverantwortlich"
Der AfD kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle zu. Denn der in Teilen rechtsextremen Partei wird immer wieder vorgeworfen, für die Entwicklung mitverantwortlich zu sein.
Der Politikwissenschaftler und Demokratieforscher Wolfgang Merkel sieht rechte Parteien wie die AfD als "Treiber von Polarisierung, von Radikalisierung, von Verrohung im politischen Spiel". Verantwortlich seien vor allem "deren Ränder, die sich aus diesem Milieu hin zur physischen Gewalt radikalisieren", so Merkel im Gespräch mit tagesschau.de.
"Die AfD ist wesentlich mitverantwortlich für die Verrohung der politischen Kultur", sagt auch der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung. Immer wieder gebe es Drohungen und Entgleisungen von AfD-Politikern, so Jung auch mit Blick auf den Leipziger Stadtrat. AfD-Politiker hätten "sehr stark gezündelt und zündeln immer noch - das erleben wir tagtäglich", so der SPD-Kommunalpolitiker, der auch Vizepräsident des Deutschen Städtetages ist.
Jung betont im Interview des Deutschlandfunks, dass Angriffe auf Politiker - egal welcher Partei sie angehören - immer ein "unerträglicher Vorgang" seien. Jeder AfD-Politiker, der Opfer davon werde, "verdient genauso unsere Solidarität".
Nähere Informationen zu den Angreifern auf die AfD-Politiker in Stuttgart gibt es derzeit noch nicht. Zwei Frauen, die möglicherweise zur Gruppe der Angreifer gehörten, konnten nach Angaben der Polizei gefasst werden. Gegen sie werde ermittelt. Weitere Personen würden noch gesucht.
Diejenigen, die zuletzt in Dresden Politiker von SPD und Grünen angegriffen und zum Teil erheblich verletzt hatten, kommen aber mutmaßlich aus dem äußert rechten Spektrum. Nach Angaben der Dresdner Grünen waren ihre Spitzenkandidaten für den Stadtrat, Yvonne Mosler und Cornelius Sternkopf, am Dienstag aus einer Gruppe heraus angegriffen worden, die ihnen rechtsextreme Parolen entgegengerufen hatte. Bei den Ermittlungen zum Fall des SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke, der beim Aufhängen von Plakaten zusammengeschlagen wurde, führen Spuren in die rechtsextreme Szene.
Scholz: "Wählen gehen!"
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow schlägt nun überparteiliche Plakataktionen sowie Fairnessabkommen vor. "Die Angriffe sind Angriffe auf uns alle, und sie richten sich vor allem gegen jene, die sich für die Demokratie in den Wahlkampf begeben", sagte Ramelow den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Dagegen müsse man zusammenstehen. "Mein Vorschlag wären deshalb gemeinsame Plakataktionen gegen Gewalt und für Demokratie. Fairnessabkommen aller demokratischen Parteien sollten das positiv begleiten", so der Linken-Politiker.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz meldete sich in der Debatte inzwischen zu Wort. "Angriffe auf unsere Demokratie gehen uns alle an", sagte Scholz in seinem Video-Podcast "Kanzler kompakt". "Deswegen sehen wir nicht tatenlos zu, wenn Amtsträgerinnen, Wahlkämpfer oder Ehrenamtliche brutal angegriffen werden. Wenn Wahlplakate für die Europawahl zerstört werden." Eine Antwort, die jeder und jede geben könne, sei ganz einfach: "Wählen gehen!"