Milliarden-Subventionen Ist Intel erst der Anfang?
Der Staat zahlt zehn Milliarden Euro für die Intel-Ansiedlung in Magdeburg. Die Warnungen vor einer teuren, aggressiveren Subventionspolitik werden lauter. Andere drohen: Gibt es nicht mehr Geld, sind wir weg.
Es geht um Arbeitsplätze in einer Region, die sie gebrauchen kann: Magdeburg sei "eine vom Niedergang der Schwerindustrie stark gezeichnete Stadt", sagt der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, dem Portal "t-online". Vor allem aber, so haben es Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck zu Wochenbeginn deutlich gemacht, geht es darum, die Produktion der so wichtigen Halbleiter im Land zu haben und damit weniger Abhängigkeit von China sowie strategisch wichtige Forschung und Entwicklung.
Bis zu zehn Milliarden Euro lässt die Bundesregierung sich die Ansiedlung von Intel in Magdeburg kosten. Zum Vergleich: Das ist mehr Geld als der Jahreshaushalt des Bundeslandwirtschaftsministers, der Bauministerin oder der Außenministerin.
Eine Computergrafik zeigt die in Magdeburg geplante Chipfabrik des US-Konzerns Intel.
Finanziert werden soll die Subvention der Intel-Ansiedlung aus dem Klima- und Transformationsfonds. Geld aus dem "richtigen" Bundeshaushalt möchte Finanzminister Christian Lindner von der FDP für das Projekt seines Kabinettskollegen Habeck von den Grünen nicht lockermachen. Schließlich hat der Finanzminister eine Schuldenbremse einzuhalten.
Das könnte einerseits bedeuten, dass die Zehn-Milliarden-Euro-Subvention für Intel in Magdeburg ein Ausnahmeprojekt bleibt, zumal aus dem Klima- und Transformationsfonds zum Beispiel auch die Unterstützungs-Milliarden für neue Heizungen bezahlt werden sollen.
Andererseits: Will die Regierung konsequent Zukunftsindustrien nach Deutschland locken, ist Intel vielleicht erst der Anfang, denn die Begründung aus Regierungskreisen für die Intel-Subvention lautet: "Weltweit, vor allem in den USA und Asien, werden Projekte dieser Größenordnung durchgeführt; keines der Projekte erfolgt ohne staatliche Hilfe. Hinzu kommt: Das Projekt ist zentral für eine geopolitische Resilienz- und Absicherungsstrategie Deutschlands und Europas."
"Keine Blaupause"
Kann man damit nicht noch viele andere Subventionen begründen? Nein, findet die FDP. Sie dringt darauf, dass die Milliardensubvention für Intel eine Ausnahme bleibt. "Intel sollte keine Blaupause für die Ansiedlung von Standorten ausländischer Unternehmen in Deutschland werden", sagt Reinhard Houben, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, dem ARD-Hauptstadtstudio. Wirtschaftsminister Habeck solle sich lieber um bessere Standortfaktoren kümmern "als um teure Einzelinvestitionen zu buhlen".
Ähnlich sieht das die Vorsitzende des Sachverständigenrats Wirtschaft, also der "Wirtschaftsweisen". Monika Schnitzer verteidigt auf ARD-Anfrage zwar - wie auch FDP-Mann Houben - die Subvention für Intel in Magdeburg. Zugleich warnt Schnitzer aber vor einer Politik des offenen Geldbeutels: "Solche Subventionen von Einzelprojekten müssen besonders gut begründet werden, und es muss vor allem darauf geachtet werden, dass man damit nicht in einen Subventionswettlauf innerhalb der Europäischen Union tritt."
Lieber in die USA?
Allerdings hat auch eine Verweigerung von (umfangreichen) Subventionen einen Preis. Das Solarunternehmen Meyer Burger denkt über einen Verzicht auf eine geplante Investition in Deutschland nach - und schielt in die USA: Dort locken im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) massive Subventionen, vor allem für klimafreundliche Investitionen.
Im "Capital"-Interview bezeichnet CEO Gunter Erfurt den IRA als "Messlatte für das, was Europa tun muss". Er sei einfach, verständlich und unbürokratisch: "Wenn eine staatliche Unterstützung hierzulande signifikant von der Unterstützung durch den IRA in den USA abweicht, warum sollte ein Unternehmen dann hier investieren? Das ist keine Drohung. Das ist Realwirtschaft."
Zukunftsindustrien an die USA verlieren oder gut situierten Unternehmen Milliarden hinterherwerfen - für die Bundesregierung ist es eine Wahl zwischen Pest und Cholera.
Schlecht verhandelt?
Und auch in Sachen Intel sind noch Fragen offen. Julia Klöckner, wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, will beispielsweise wissen, "ob es eine Garantie gibt, dass die Chips, die in Magdeburg gebaut werden, auch deutschen Unternehmen zur Verfügung stehen."
Außerdem wundert sie sich, dass für Gesamtinvestitionen durch Intel von rund 30 Milliarden Euro in Magdeburg offenbar zehn Milliarden Euro vom Staat nötig sind. Schließlich plane Intel in Israel 25 Milliarden zu investieren und bekomme dort nur drei Milliarden: "Hat die Bundesregierung schlecht verhandelt oder ist Israel als Standort attraktiver?", fragt Klöckner im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio.
Das Bundeswirtschaftsministerium verweist auf ARD-Anfrage darauf, dass die Gespräche mit Intel noch laufen. In einer Mitteilung heißt es, in der Förderbewilligung könnte die Anzahl der zu schaffenden Arbeitsplätze festgelegt werden, die Höhe der Produktionskapazitäten oder Art und Umfang der Erwartungen an Forschung und Entwicklung.
Die Bundesregierung und ihr Ostbeauftragter Schneider jedenfalls erwarten, dass sich die Subvention für Intel, so teuer sie ist, auszahlt: "Die Investitionszuschüsse werden sich in den kommenden Jahren durch Steuereinnahmen und vor allem Wachstum in der Region rechnen."