Steuerskandal um Warburg-Bank Union treibt Scholz mit Klage vor sich her
Die Union legt beim Bundesverfassungsgericht Klage ein, weil die Ampel-Fraktionen einen Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Skandal verweigert haben. Die Inhalte liegen dem ARD-Hauptstadtstudio exklusiv vor.
Als Kanzler Olaf Scholz nach seinem Sport-Unfall ein Foto mit Augenklappe von sich postete und zu Memes aufrief, dauerte es nicht lange, bis im Netz ein Foto von ihm mit gleich zwei Augenklappen erschien. Die Frage dazu: "Herr Bundeskanzler, haben Sie diesen Bericht zum Cum-Ex-Skandal gelesen?"
Die Cum-Ex-Affäre, in der sich Anleger Steuern mehrfach erstatten ließen, haftet nach wie vor an dem Kanzler und sorgt weiterhin für Debatten. Die Erinnerungslücken im Steuerskandal, die Scholz immer wieder betont, wenn es um Treffen mit dem ehemaligen Warburg-Bank-Eigentümer Christian Olearius geht, hält die Unionsfraktion nicht für glaubwürdig und zieht nun vor das Bundesverfassungsgericht.
Der Grund: Ein von ihr beantragter Untersuchungsausschuss im Bundestag zu Cum-Ex wurde im Juli mit einer Mehrheit der Ampel-Fraktionen im Bundestag abgelehnt. Geklärt werden sollte, inwiefern Kanzler Scholz, damals noch Hamburger Bürgermeister, in der Cum-Ex-Affäre der Warburg-Bank Einfluss genommen hatte. In Hamburg gibt es bereits einen Untersuchungsausschuss dazu. Aus der SPD hörte man im Vorfeld, die Sache sei geklärt, neue Erkenntnisse dazu gebe es nicht.
Eine Frage der Zuständigkeit?
In Untersuchungsausschüssen können mögliche Missstände in Regierung und Verwaltung und mögliches Fehlverhalten von Politikern untersucht werden. Sie sind ein wichtiges Kontrollinstrument für die parlamentarische Opposition. Nach Artikel 44 Absatz 1 des Grundgesetzes hat der Bundestag die Pflicht, auf Antrag eines Viertels der Abgeordneten einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Untersucht werden darf allerdings nur, was generell in den Kompetenzbereich des Bundes fällt. Das heißt, mögliches Fehlverhalten oder Missstände in Landesbehörden können nicht untersucht werden.
Geprüft wurde im Bundestag deshalb, welche Fragen in einem möglichen Warburg-Untersuchungsausschuss überhaupt zugelassen sein könnten. Für Handlungen der Verwaltung in Hamburg sei der Bund nicht zuständig, hieß es immer wieder. Hinweise an die Union habe es gegeben, dass manche Fragen verfassungsrechtliche Vorgaben nicht erfüllten und sie diese doch umformulieren sollten, hieß es auch von den Grünen. Am Ende stimmten die Ampel-Parteien dann gegen den Untersuchungsausschuss. Nur Teile des Antrags der Union seien zulässig gewesen, so die Begründung. Das reiche eben nicht.
Middelberg: Scholz hat "massiv" etwas zu verbergen
Diese Argumentation bezeichnet Mathias Middelberg von der CDU als "albern" und klagt deswegen nun mit seiner Fraktion vor dem Bundesverfassungsgericht. Die SPD blockiere erstmals in der Geschichte dieses Landes einen Untersuchungsausschuss und damit ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Minderheitenrecht. "Das zeigt, dass ihr Bundeskanzler massiv etwas zu verbergen habe", erklärt Middelberg.
Mit dem Antrag beim Bundesverfassungsgericht, der dem ARD-Hauptstadtstudio exklusiv vorliegt, will die Unionsfraktion erreichen, dass das Bundesverfassungsgericht feststellt, "dass der Deutsche Bundestag durch seinen Beschluss (…), mit dem die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses abgelehnt wurde", die Rechte der Unionsabgeordneten sowie der Fraktion verletzt hat.
Union nennt drei Gründe für U-Ausschuss
Drei Gründe werden in der Antragsschrift aufgeführt, warum es nun doch einen Untersuchungsausschuss geben sollte. Erstens, um Vollzugsprobleme bei den Finanzbehörden aufzudecken. Das Steuerrecht ist Bundesrecht, das von den Landesfinanzämtern vollzogen wird. Das Bundesfinanzministerium kann aber Weisungen erteilen, um eine einheitliche Anwendung des Steuerrechts zu gewährleisten. Um überprüfen zu können, ob es Fehler beim Bund gegeben habe, müsse in einem Untersuchungsausschuss zunächst als "Vorfrage" geklärt werden können, was die Landesbehörden getan haben, so die Argumentation der Unionsfraktion.
Zweitens, um der gesamtstaatlichen Haushaltsverantwortung des Bundestags gerecht zu werden. Dabei geht es insbesondere um Steuern, die Bund und Ländern gemeinsam zustehen. In diesem Zusammenhang habe der Bundestag Informations- und Aufklärungsrechte.
Als dritten Punkt führt die Unionsfraktion die politische Glaubwürdigkeit des Bundeskanzlers an. Dabei gehe es um das Verhalten des jetzigen Bundeskanzlers in seinen verschiedenen Funktionen auf Bundesebene, aber auch um sein Verhalten in ehemaligen Funktionen auf Landesebene. Ein öffentliches Interesse bestehe wegen der herausragenden Rolle von Olaf Scholz im Cum-Ex-Komplex und der Dimension des Skandals. Dem Staat war ein Gesamtschaden von geschätzt mindestens zwölf Milliarden Euro entstanden, weil Anleger sich eine einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mit Hilfe von Banken mehrfach hatten erstatten lassen.
"Wichtige Grundlage für die Entscheidung der Wähler"
Aus Sicht der Verfassungsrechtlerin Jelena von Achenbach, die von der Grünen-Fraktion als Sachverständige im Bundestag zu dem Thema gesprochen hatte, hätte die Unionsfraktion in ihren Fragen für den Untersuchungsausschuss stärker einen Bundesbezug formulieren müssen. "Der Antrag darf nicht darauf gerichtet sein, nur Vorgänge in Hamburg und das Agieren der hamburgischen Regierung zu untersuchen. Ein Untersuchungsausschuss ist kein Aufsichtsorgan über eine Landesregierung. Er dient vielmehr dazu, dass der Bundestag die Bundesregierung kontrollieren kann."
Für die Fragen zur politischen Glaubwürdigkeit von Olaf Scholz hat sie allerdings Sympathie. "Ich bin der Überzeugung, dass auch das Handeln eines Bundeskanzlers vor seiner Amtszeit untersucht werden darf", sagt von Achenbach. "Es kann nämlich eine wichtige Grundlage für die Entscheidung der Wähler sein und auch für die Frage, ob jemand politisch geeignet ist für das Amt als Bundeskanzler. Dazu gibt es aber noch keine Rechtsprechung und das ist auch umstritten."