Gesetze für die Wärmewende Sicherheit durch Planung?
Das Ziel ist klar: Heizen soll klimaneutral werden. Während Wirtschaftsminister Habeck über Änderungen am Gebäudeenergiegesetz verhandelt, legt Bauministerin Geywitz ihren Gesetzentwurf zur kommunalen Wärmeplanung vor.
Der Aufschrei war groß, als bekannt wurde, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck neue Öl- und Gasheizungen bereits vom kommenden Jahr an per Gesetz verbieten will. Seit Wochen wird in Berlin heftig über die Heizungspläne gestritten - nicht nur mit der Opposition, auch innerhalb der Koalition. In der Bevölkerung sorgt das Gesetz für Verunsicherung. Viele wissen nicht, was auf sie zukommt, wenn sie eine neue Heizung brauchen.
Wärmeplanung gegen Verunsicherung
Abhilfe soll die kommunale Wärmeplanung schaffen. Sie ist das Fundament für den Umstieg auf erneuerbare Energien beim Heizen.
Bauministerin Klara Geywitz verpflichtet die Kommunen in Deutschland damit, eine Bestandsaufnahme ihrer Energieversorgungsnetze zu machen und verbindliche Pläne für die künftige Wärmeversorgung zu erstellen. Für Immobilienbesitzer wird dann auch klar, welche Möglichkeiten sie bei sich im Ort überhaupt haben, um klimaneutral zu heizen. Neben der Wärmepumpe könnte das auch Fernwärme, Biogas oder Erdwärme sein.
Bundesbauministerin Geywitz (SPD) hat einen Gesetzentwurf zur Wärmeplanung vorgelegt.
Der Gesetzentwurf, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, sieht einen stufenweisen Umstieg vor. Bis 2030 sollen die Wärmenetze mindestens 50 Prozent klimaneutrale Energie liefern, bis Ende 2045 ist der komplette Umstieg vorgesehen. Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern müssen ihre Pläne dafür bis Ende 2026 vorlegen. Städte und Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern haben bis Ende 2028 Zeit.
Wärmepumpen nicht die einzige Lösung
Liegen die Wärmepläne vor, können Immobilienbesitzer entscheiden, welcher Heizungstyp für sie am besten geeignet ist. Nicht überall sind Wärmepumpen die erste Wahl, betont Bundesbauministerin Klara Geywitz im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. "Wir haben auch noch sehr viel Abwärme, die einfach da ist und verpufft." Für sie gehört deswegen auch der Ausbau von Nah- und Fernwärmenetzen dazu, genauso wie die Nutzung von Erdwärme. Was im Einzelfall am besten geeignet ist, entscheiden die Kommunen durch ihre Wärmeplanung. Für Immobilienbesitzer läuft es keineswegs auf einen "Wärmepumpenzwang" hinausläuft, wie die Boulevardpresse immer wieder behauptet.
Allerdings beim Anschluss an Fernwärmenetze gibt es noch Klärungsbedarf. Aktuell gilt in den meisten Kommunen eine Anschlusspflicht, sobald ein Fernwärmenetz aufgebaut wird. Auf diese Weise sollen die Kosten für den Ausbau gedeckt werden. Fraglich ist, ob dieser Anschlusszwang noch haltbar ist, wenn sich Immobilienbesitzer in der Zwischenzeit beispielsweise eine teure Wärmepumpe anschaffen. "Das sind alles Sachen, die wir miteinander besprechen werden", sagt Geywitz. Auf Nachfrage stellt sie aber klar: "Niemand, der sich jetzt eine Wärmepumpe einbaut, wird gezwungen, die in fünf Jahren auszubauen, wenn es da Fernwärme gibt."
Verbände warnen vor Überforderung
Strittig ist auch, welche Daten für die Wärmeplanung benötigt werden. Der Gesetzentwurf verlangt sehr detaillierte Informationen. Unter anderem welcher Heizungstyp aktuell in einem Gebäude im Einsatz ist, Zustand und Alter des Gebäudes und auch die Form der Nutzung, ob privat oder gewerblich. Genauso wie den Energieverbrauch der vergangenen drei Jahre für jedes Gebäude.
Aus Sicht des Bundesverbands der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW) sind das zu viele Angaben. Für den BDEW ist fraglich, ob all diese Daten überhaupt notwendig sind. Der Verband fürchtet eine Überforderung kleiner Kommunen. Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) fürchtet ein jahrelanges Datensammeln. Wichtig sei vielmehr, dass die Kommunen schnell in die Planung kämen. Dafür reichen aus Sicht des Verbands auch weniger Daten.
Keine "Heiz-Polizei"
Der baupolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag Jan Marco Luczak sieht gar orwellsche Dimension: Geywitz wolle Bürgerinnen und Bürger "bis ins Kleinste auf ihren Energieverbrauch durchleuchten, so dass der Staat nachvollziehen kann, wer wann wieviel Energie verbraucht hat".
Widerspruch kommt vom hessischen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir. Hessen gehört zu den vier Bundesländern in Deutschland, die bereits eigene Gesetze zur Wärmeplanung verabschiedet haben. Er kann die Kritik an den Vorgaben nicht nachvollziehen. Alle Wärmepläne würden auf Grundlage von Energieart und -verbrauch erarbeitet. Die Kommunen könnten diese Informationen mit einer kurzen Anfrage erhalten, bei Schornsteinfegern oder Netzbetreibern, sagt der Grünen-Politiker dem ARD-Hauptstadtstudio. "Es kommt also weder die 'Heiz-Polizei' noch sonst irgendwer in den Heizungskeller."
Rückenwind aus den Bundesländern
Neben Hessen haben auch Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Niedersachen eigene Landesgesetzte zur kommunalen Wärmeplanung beschlossen. Aus dem von den Grünen geführten Klimaschutz- und Energieministerium in Niedersachsen kommt entsprechend Rückenwind für die Pläne von Bauministerin Geywitz. Der dortige Minister Christian Meyer sagt dem ARD-Hauptstadtstudio: "Die Wärmewende vor Ort geht am besten mit kommunaler Wärmeplanung." Er begrüßt den Gesetzentwurf ausdrücklich.
Ähnliches ist aus Hessen zu hören. Wichtig ist dem dortigen Wirtschaftsminister Al-Wazir, dass die bisherigen Anstrengungen der Länder nicht umsonst waren. "Für alle Länder, die bei der kommunalen Wärmeplanung bereits weiter sind, wird wichtig sein, dass es ausreichend Bestandsschutz gibt."
Union spricht von Planlosigkeit
Für die Union im Bundestag ist die kommunale Wärmeplanung vor allem ein weiteres Kapitel der Planlosigkeit der Bundesregierung. Andreas Jung, stellvertretende CDU-Vorsitzender und Sprecher für Klimaschutz und Energie, beklagt die schlechte Zusammenarbeit innerhalb der Ampel-Koalition. "Wärmeplanung, Gebäudeenergie und Energieeffizienz müssen inhaltlich zusammen gedacht werden."
Der Regierung hätte das eine Menge Ärger sparen können. Die Wärmeplanung des Bauministeriums hätte zuerst stehen müssen, bevor die Heizungsplänen von Wirtschaftsminister Habeck folgen. Erst mit der kommunalen Wärmeplanung wird deutlich, welchen Weg die Ampel-Koalition einschlagen will.
Kabinettsbeschluss noch im Sommer
Auch die Bauministerin sieht das Problem. Wärmeplanung und Gebäudeenergiegesetz müssen stärker verzahnt werden, findet Geywitz. "Auf jeden Fall müssen die beiden Gesetze miteinander in Bezug gesetzt werden. Da ist inhaltlich eine große Nähe und bedingt einander."
Mal sehen, über welches der beiden Gesetze zuerst im Bundestag abgestimmt wird.
Anm. d. Red.: In einer früheren Version hieß es, das niedersächsische Klimaschutz- und Energieministerium werde von der SPD geführt. Das ist falsch. In Niedersachsens rot-grüner Koalition ist sei November 2022 der Grünen-Politiker Christian Meyer für das Ministerium zuständig.
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