NSA-Sonderermittler Graulich im Gespräch "Ich bin nicht als Detektiv beauftragt"
Kurt Graulich soll Sonderermittler für den NSA-Untersuchungsausschuss werden. Durch sein Amt, so hofft er, könne der Konflikt zwischen Parlament und Bundesregierung entschärft werden. Im Interview mit tagesschau.de erklärt er seine neue Aufgabe.
tagesschau.de: Was wird Ihre Hauptaufgabe als NSA-Sonderermittler sein? Da gibt es ja noch sehr unterschiedliche Auffassungen.
Kurt Graulich: Ich gehe davon aus, dass ich eine Reihe von Unterlagen zu sichten haben werde, von denen bis jetzt ja nur öffentlich bekannt geworden ist, dass es sich um Verkehrs- und Verbindungsdaten handelt, das heißt um relativ abstrakte Daten.
tagesschau.de: Es geht um Zigtausende Suchaufträge, sogenannte Selektoren. Wie wollen Sie sich eigentlich technisch und vom Aufwand her durch diese Datenflut arbeiten?
Graulich: Da ich die Daten noch nicht gesehen habe, kann ich darüber auch nur Mutmaßungen anstellen. Aber im Grunde geht es darum, diesen Daten sogenannte Bestandsdaten zuzuordnen. Das heißt - im lockeren Jargon gesprochen - Klarnamen, die hinter den Daten stehen, um dann wiederum zu sehen, welchen Sinn die ergeben.
"Ich werde analysieren, was man mir vorlegt"
tagesschau.de: Wie können und wollen Sie sichergehen, dass Ihnen die kompletten NSA-Suchlisten vorgelegt werden?
Graulich: Ich bin ja nicht als Detektiv beauftragt, daher gehören diese Dinge nicht zu meiner Kompetenz. Ich werde das analysieren, was man mir vorlegt. Ob es darüber hinaus eventuell noch Dinge von Interesse gibt, müssen andere klären.
tagesschau.de: Sie sind ja als Sonderermittler zur Verschwiegenheit verpflichtet, können Ihre Erkenntnisse nur allgemein schildern. Wie weit wollen Sie gehen bei der Beschreibung Ihrer Erkenntnisse?
Graulich: Verschwiegenheit ist die Grundvoraussetzung, um eine solche Aufgabe zu übernehmen. In welchem Umfang diese Erkenntnisse dann erläutert werden können, kann nur in enger Absprache mit der Bundesregierung geschehen. Ich würde mir als Bürger dieses Landes wünschen, dass die Erkenntnisse möglichst politisch verständlich kommuniziert werden. Ich glaube, dass weniger interessant ist, was dort möglicherweise an Details herauskommt. Wichtig wird die politische Interpretation sein.
"Der Anspruch des Parlaments ist nicht zu bestreiten"
tagesschau.de: Sie werden von der Bundesregierung beauftragt. Es gibt aber auch ein enormes Aufklärungsinteresse des Parlaments. Fühlen Sie sich auch den Parlamentariern und dem NSA-Untersuchungsausschuss verpflichtet?
Graulich: Das Parlament hat eine völlig verständliche Position in diesem - nennen wir es mal - Konflikt mit der Bundesregierung. Der Anspruch des Parlamentes ist überhaupt nicht zu bestreiten. Nur, in diesem Konflikt oder in dieser Auffassungsunterscheidung spiele ich keine Rolle. Vielleicht gelingt es mit der Kreation eines Sonderermittlers, da ein wenig die Spannung herauszunehmen.
tagesschau.de: Wer wird denn am Ende das Parlament über die Erkenntnisse, die Sie gefunden haben, unterrichten?
Graulich: Mir ist nicht bekannt, wie damit umgegangen werden soll. Aktiv legitimiert für diese Aufgabe ist natürlich die Regierung, ob die sich dann eines Instruments bedient, das das in einer bestimmten Phase erklären soll, weiß ich nicht.
"Als Richter bin ich Kritik gewohnt"
tagesschau.de: Grüne und Linke haben ja bereits angekündigt, gegen Ihre Ernennung beim Bundesverfassungsgericht klagen zu wollen. Sind Sie damit nicht von Anfang an ein Sonderermittler auf Bewährung? Oder finden Sie es vielleicht sogar gut, dass Ihre Position noch mal gerichtlich abgeklärt wird?
Graulich: Jemand, der der Justiz rund 40 Jahre angehört hat, hat natürlich nie etwas dagegen einzuwenden, wenn die Justiz eingeschaltet wird. Ich sehe da mehr die Interessenlage des Parlaments oder insbesondere der Opposition bei dieser Grundsatzfrage. Die Ernennung eines Sonderermittlers ist ja nur ein kleiner Schritt in diesem Spektrum. Ich kann alles nachvollziehen, was das Parlament jetzt tut, um seine Belange zu wahren.
tagesschau.de: Die einen sagen, Sie werden berufen, um Aufklärung zu verhindern. Die anderen sagen, Sie sollen aufklären. Was meinen Sie?
Graulich: Auch als Richter bin ich Kritik gewohnt: Dass, wenn ein Urteil gesprochen ist, dem Gericht zwar nicht unbedingt vorgeworfen wird, dass es sich grob fehlerhaft verhalten hat, aber dass das als günstige Entscheidung für die eine oder andere Seite gewertet wird. Gesellschaft besteht aus Kommunikation, der politische Prozess im besonderen Maße. Diese Dinge müssen unterschiedlich gesehen werden. Das wäre ja sonst auch viel zu langweilig.
Das Interview führte Matthias Deiß, ARD-Hauptstadtstudio.