Stephan Weil und Kai Wegner

Ministerpräsidenten zu Asylverfahren Länder fordern konkrete Drittstaaten-Modelle

Stand: 20.06.2024 17:50 Uhr

Die Bundesländer wollen vom Bund konkrete Vorschläge sehen, ob und wie Asylverfahren in Drittstaaten möglich sein könnten. Darauf einigten sie sich bei ihrer Konferenz. Beim Thema Bezahlkarte für Flüchtlinge gab es eine Einigung.

Die Länder fordern die Bundesregierung gemeinsam auf, konkrete Modelle zu ausgelagerten Asylverfahren außerhalb der Europäischen Union zu erarbeiten. Die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten verständigten sich vor ihrem Treffen mit Kanzler Olaf Scholz auf ein Papier zum Thema Migration, in dem die Bundesregierung darum gebeten wird, "konkrete Modelle zur Durchführung von Asylverfahren in Transit- und Drittstaaten zu entwickeln und dabei insbesondere auch dafür erforderliche Änderungen in der EU-Regulierung sowie im nationalen Asylrecht anzugehen". Das erklärten die Ministerpräsidenten Boris Rhein aus Hessen (CDU) und Stephan Weil aus Niedersachsen (SPD) auf einer Pressekonferenz nach den Beratungen.

Rhein sprach von "intensiven Diskussionen" zu dem Thema und lobte die konstruktive Debatte unter den Ländern. Gemeinsam habe man eine Erwartungshaltung an die Bundesregierung formuliert. Weil sagte, man habe über das geredet, was geht, "aber auch über das, was nicht geht". Die Runde habe weniger auf die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaut, sondern "wie konkrete Modelle aussehen können".

Weil dämpft Erwartungen

Gleichwohl dämpfte Weil die Erwartungen: Beispiele aus anderen Ländern wie Großbritannien hätten keine umfassende Lösung gebracht. Auch hätten mehrere Sachverständige bei Anhörungen im Bundesinnenministerium "einen ganzen Sack voller Fragen, Probleme und nötigen Rechtsänderungen" zusammengetragen. Der Großteil der Experten habe daher auch davon abgeraten, diesen Weg zu gehen.

Gerade bei Drittstaaten sieht Weil große Probleme. Bei Transitstaaten, in die die Menschen sowieso einreisen auf dem Weg nach Europa, sähe es schon etwas besser aus. Dennoch betonte er: "Niemand sollte den Eindruck vermitteln, das sei der Schlüssel - das wäre eine Übertreibung."

Migrationsexperte Gerald Knaus, Denkfabrik Europäische Stabilitäts-Initiative, zu Asylverfahren in Drittstaaten

tagesthemen, 20.06.2024 23:15 Uhr

Unionsländer skeptischer als Parteispitze

Aus der Union gibt es dennoch zahlreiche Stimmen, die dieses Verfahren fordern. So erklärte etwa der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), dass es durchaus machbar wäre und zur Lösung von Problemen mit irregulärer Migration beitragen könnte. Für Parteivize Jens Spahn gibt es für Asylverfahren in Drittstaaten keine rechtlichen Hindernisse. Es mangele lediglich am politischen Willen der Bundesregierung, sagte er im ARD-Morgenmagazin. Es sei möglich, die Zahl der illegalen Migration nach Deutschland innerhalb weniger Monate zu senken.

Doch auch innerhalb der Union gibt es kritische Stimmen, die an der Praktikabilität zweifeln. "Das ist ein mögliches Projekt, was sehr kompliziert sein wird, was auch rechtlich nicht einfach einzuordnen sein wird", sagte etwa Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU). Er fügte hinzu: "Aber ich lasse mich gerne überzeugen davon, dass das versucht werden sollte." Großbritannien, wo das Modell mit sehr großem Aufwand betrieben werde, sei bisher nicht sehr erfolgreich in dieser Frage, sagte Stübgen, der derzeit den Konferenz-Vorsitz innehat.

Faeser: "Kein Gamechanger"

Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die die Möglichkeit derzeit intensiv prüfen lässt, hatte die Erwartungen schon im Vorwege gedämpft. Das könne ein "Bausteinchen" sein, würde aber nicht die Migrationslage in Deutschland grundlegend ändern, sagte die SPD-Politikerin. Eine wirkliche Reduzierung der Zahl der Asylsuchenden werde über eine Drittstaaten-Regelung nicht gelingen - es sei kein "Gamechanger".

Am späten Nachmittag nimmt Faeser an den Beratungen der Länder mit Kanzler Scholz teil. Dann will sie auch die Ergebnisse einer monatelangen Experten-Prüfung zu Drittstaaten-Regelungen vorstellen und sich dazu positionieren.

Bargeldobergrenze bei Bezahlkarte

Bei einem anderen Thema waren sich die Länderchefs indes schnell einig: beim Thema Bezahlkarte für Flüchtlinge. Diese solle ab Sommer eingeführt werden, zudem soll es eine Bargeldobergrenze geben. Migranten sollen über die Bezahlkarte künftig monatlich maximal 50 Euro an Bargeld ausgezahlt bekommen. Weil sagte, darüber habe es großes Einvernehmen gegeben.

Die Ministerinnen und Minister treffen sich zur Stunde mit dem Bundeskanzler. Bei dem Gespräch soll vor allem um die Migration gehen. Außerdem wollen die Länder ihre Forderung nach einer Pflichtversicherung für Elementarschäden vortragen. Hier müssten Bund und Länder zu einer gemeinsamen Lösung gelangen, forderte Weil. Die Gespräche mit dem Justizministerium müssten weitergehen. Rhein sprach mit Blick auf FDP-Justizminister Marco Buschmann von "falsch verstandener Liberalität".

Mario Kubina, ARD Berlin, tagesschau, 20.06.2024 17:46 Uhr