Sahra Wagenknecht spricht auf einer Friedensdemonstration (Archivbild).

Union und BSW Wie soll das zusammengehen?

Stand: 13.10.2024 06:01 Uhr

In Sachsen und Thüringen reden CDU und BSW über eine mögliche Zusammenarbeit. Die Unionsvorsitzenden Merz und Söder verschärfen unterdessen ihren Ton gegenüber Sahra Wagenknecht. Wie realistisch ist eine Koalition noch?

Von Sarah Frühauf, ARD-Hauptstadtstudio

Trägt Sahra Wagenknecht nun Prada oder Chanel? Es ist ein Rätsel, das zumindest bis zum Ende des CSU-Parteitages in Augsburg offen bleibt. Markus Söder gibt zu bedenken, dass er sich damit ja nicht so auskenne, und schaut suchend ins Publikum, als hätte er Hoffnung, dass eine weibliche Delegierte aufsteht und entscheidet, wer denn nun recht hat.

Entweder CDU-Chef Friedrich Merz, der den Parteitag in Augsburg mit dem Satz "Wagenknecht, das ist Sozialismus in Chanel" erheiterte. Oder Söder, der sich einen Tag zuvor ebenfalls über die BSW-Vorsitzende und ihre angeblich hochpreisige Kleidung mokiert hatte, ihr allerdings Prada zuschrieb.

Über das Äußere von Wagenknecht mögen sich die beiden Männer zwar nicht ganz einig sein, ansonsten sind Merz und Söder in ihren Positionen aber klar: Sahra Wagenknecht sei eine Kommunistin. Eine Koalition mit ihrer Partei? Schwierig. Die beiden Parteichefs wählen deutliche Worte. Hätte der CSU-Parteitag im Sommer stattgefunden, hätten die Reden womöglich noch anders geklungen. Nun sind die Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg Geschichte, doch auserzählt ist dort noch lange nichts.

Friedenspolitik in Koalitionsverträgen?

Sowohl in Sachsen als auch in Thüringen verhandelt die CDU mit dem BSW über eine mögliche Zusammenarbeit, auch weil ihnen keine andere Wahl bleibt. Doch Wagenknecht macht es der CDU schwer. Sie will zum Beispiel in die Koalitionsverträge ein Nein zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen hereinschreiben.

Insbesondere die außenpolitischen Positionen des BSW sind für viele in der Union kaum zu ertragen. Deswegen dürfte ein Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, den Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Thüringens CDU-Chef Mario Voigt gemeinsam mit dem SPD-Ministerpräsidenten Dietmar Woidke verfasst haben, für viele in der Union schmerzhaft zu lesen gewesen sein. Darin sprechen sich die drei Politiker für Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland aus.

Unmut über Zeitungsartikel

Der Text klingt in einigen Teilen stark nach Positionen des BSW. Sahra Wagenknecht zumindest gefiel der Artikel. Sie lobte ihn öffentlich, was für noch mehr Verstimmungen in der Union sorgte. Viele fragten sich, welchen Zweck dieser Namensbeitrag eigentlich hatte. Eine Art Kompromissangebot an das BSW, um sich derartige Passagen im Koalitionsvertrag zu ersparen?

In der der CDU-Zentrale ist man jedenfalls wenig glücklich über den Vorstoß von Kretschmer und Voigt, zumal CDU-Vize Kretschmer ohnehin schon angezählt ist. Bei der Landtagswahl in Brandenburg hatte er öffentlich dazu aufgerufen, Dietmar Woidke zu wählen, also die SPD, um so zu verhindern, dass die AfD stärkste Kraft wird.

Merz‘ Geduld mit Kretschmer scheint aufgebraucht: Mit dem Plädoyer für mehr diplomatische Beziehungen "sei das Ende erreicht", soll er in der Sitzung der Bundestagsfraktion laut Teilnehmern gesagt haben. Was genau er damit gemeint hat, ist nicht klar. Eine Aussprache darüber gab es nicht. Allerdings hatten Abgeordnete in ihren Landesgruppen, die sich vor der Fraktionssitzung treffen, bereits darüber diskutiert, vor allem die aus den Westverbänden.

Wachsender Unmut in der Bundes-CDU

In der Fraktion vermutet man, Merz habe Ralph Brinkhaus zuvorkommen wollen, seinem Vorgänger als Fraktionsvorsitzender noch in der Regierungszeit Merkels. Der hatte sich in den beiden Fraktionssitzungen zuvor kritisch zum BSW und einer möglichen Koalition zu Wort gemeldet. Der Tenor: Die CDU ist mehr als Sachsen und Thüringen.

Bereits Anfang September hatten sich mehrere Dutzend CDU-Mitglieder zu einer Initiative zusammengefunden und einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit dem BSW gefordert, unter ihnen auch prominente Stimmen wie der Außenpolitiker Roderich Kiesewetter. Damals waren sie von der Parteispitze noch weitgehend abgetan worden.

Inzwischen mehren sich diejenigen, die fragen, wie man öffentlich erklären soll, dass man eine Koalition mit der Linken ausschließt, eine Zusammenarbeit mit dem BSW aber möglich ist.

Schwindende Beinfreiheit

Dass die Stimmung am Kippen ist, dürfte auch im Konrad-Adenauer-Haus angekommen sein. Mittlerweile betont Merz öffentlich immer wieder, dass er eine Koalition mit dem BSW in Thüringen und Sachsen für sehr unwahrscheinlich hält. Noch im Sommer hatte der CDU-Chef den Länderchefs in einer Präsidiumssitzung Beinfreiheit versprochen. Ob die jetzt die Füße stillhalten und auf eine Koalition mit dem BSW verzichten, ist mehr als fraglich.

In Thüringen würde es mit CDU, SPD und BSW bereits nur für eine Art Pattregierung reichen. Es stünde 44 Abgeordnete der Regierung gegen 44 der Opposition. Sowohl in Sachsen als auch in Thüringen würde es ohne BSW auf eine Minderheitsregierung herauslaufen. Der Gestaltungsspielraum in den beiden Ländern, in der die AfD jeweils über 30 Prozent kam, wäre sicherlich geringer.

Annegret Kramp-Karrenbauer (Archivbild)

Ex-CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer verlor auch wegen der Vorgänge im Thüringen ihr Amt.

Unglückliche Erinnerungen an Kramp-Karrenbauer

Nur, welchen Einfluss kann die CDU-Spitze nehmen, um eine CDU-BSW-Koalition in den Ländern noch abzuwenden? Das Schicksal der Ex-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer ist allen noch schmerzlich präsent. Das "Thüringen-Debakel" titelten damals die Zeitungen, als ein FDP-Ministerpräsident mit Stimmen von CDU und AfD ins Amt gehoben wurde. Die CDU-Vorsitzende fuhr damals nach Erfurt, konnte sich gegen den Landesverband allerdings nicht durchsetzen und verlor am Ende ihr Amt.

Friedrich Merz hat sicherlich mehr Durchsetzungskraft als Kramp-Karrenbauer, einen öffentlichen Bruch mit den Ost-Verbänden kann allerdings nicht in seinem Interesse sein - vor allem mit Blick auf den Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr.