Analyse zu Brandenburg Speckgürtel oder nicht Speckgürtel
Im Berliner Speckgürtel wächst die Bevölkerungszahl, in vielen anderen Teilen Brandenburgs schrumpft sie. Das hatte Auswirkungen auf das Wahlverhalten - zumindest bei zwei Parteien. Eine Analyse auf Basis der Umfragen von infratest dimap.
Der Versuch der AfD im Wahlkampf, sich in die Tradition der DDR-Bürgerrechtsbewegung zu stellen, hat nicht gefruchtet. Nur 16 Prozent der Brandenburger sehen die AfD in dieser Tradition. Ansonsten scheint die rechtspopulistische Partei aber einiges richtig gemacht zu haben. Denn obwohl drei Viertel der Brandenburger und selbst 37 Prozent der dortigen AfD-Anhänger sagen, die Partei habe ein Problem mit der Abgrenzung zu rechtsextremen Positionen, haben doch viele von ihnen ihr Kreuzchen bei der AfD gemacht. Was hat sie dazu motiviert?
Laut Umfragen, die infratest dimap im Auftrag der ARD am Wahltag und kurz davor gemacht hat, ist die AfD in Brandenburg immer noch stark eine Protestpartei. 87 Prozent ihrer Wähler sagen, die AfD sei die einzige Partei, in der sie ihren Protest gegenüber der vorherrschenden Politik ausdrücken könnten. Und mehr als die Hälfte der AfD-Wähler haben ihr Kreuzchen nicht deshalb bei den Rechtspopulisten gemacht, weil sie von deren Politik überzeugt wären, sondern weil sie von der anderer Parteien enttäuscht sind.
Doch im Vergleich zu früheren Wahlen nimmt der Anteil der "Enttäuschungs-Wähler" ab. Und im Vergleich zu 2014 schreiben die Brandenburger ganz allgemein der AfD auch deutlich stärker inhaltliche Kompetenzen zu. Diese Entwicklung zeigt sich so auch in Sachsen, wo zeitgleich gewählt wurde und die AfD ebenfalls der große Gewinner ist.
AfD schneidet in Braunkohlerevieren besonders gut ab
In Brandenburg ist dabei aber auch der Blick auf die Frage interessant, wo die AfD-Wähler überwiegend wohnen: Stark überdurchschnittlich schneidet die AfD in den Wahlkreisen ab, deren Bevölkerungszahl deutlich abnimmt. Und die liegen alle an den Rändern des Landes - vor allem im Südosten, dort wo auch die brandenburgischen Braunkohlereviere liegen. Hier erreicht die AfD zum Teil bei der Landtagswahl Werte von deutlich über 30 Prozent.
Zwar machen sich auch 42 Prozent der AfD-Anhänger große Sorgen, dass der Klimawandel unsere Lebensgrundlage zerstören könnte. Doch auf der anderen Seite finden es auch 90 Prozent von ihnen gut, dass die AfD den anderen Parteien in der Klimadebatte etwas entgegensetzt. Tatsächlich ist die AfD die einzige der größeren Parteien, die längerfristig an der Braunkohle als Energieträger festhalten will. Zugleich ist sie auch die einzige Partei, in der es prominente Stimmen gibt, die am Einfluss des Menschen auf den Klimawandel zweifeln. Bei ihrer Wählerklientel kommt das an - ob aus Überzeugung oder Protest lässt sich auf Basis der Umfragen nicht beantworten.
Ärger über fehlende Ärzte und Busse
In vielen ländlichen Regionen profitiert die AfD offenbar auch stark vom Ärger der Menschen über schlechte oder schlechter werdende Infrastruktur. Auf die Frage, in welchen Bereichen sich die Situation verschlechtert habe, sagen 38 Prozent der Brandenburger, die in kleinen Gemeinden wohnen: im Öffentlichen Nahverkehr. Ähnliche viele bemängeln eine schlechtere ärztliche Versorgung oder weniger Polizeipräsenz.
Den Gegenpol zur AfD bilden auch in Brandenburg die Grünen, der zweite Gewinner der Landtagswahl. Das gilt nicht nur inhaltlich - wo die Grünen bei Klima, Zuwanderung und vielen anderen Themen genau die gegensätzlichen Positionen der AfD vertreten - sondern auch geografisch. Ihre Anhänger wohnen überproportional oft dort, wo die AfD-Anhänger eher nicht wohnen: In den Wahlkreisen, deren Bevölkerungszahl zunimmt. Und die liegen alle im Zentrum Brandenburgs, also im Speckgürtel rund um Berlin.
SPD verliert in vielen Bereichen an Kompetenz
Und was ist mit den drei Verlierern der Wahl? Geografisch gibt es da keine großen Auffälligkeiten: Sowohl SPD und Linkspartei als auch die CDU haben ihre Anhänger etwa zu gleichen Maßen in wachsenden wie in schrumpfenden Wahlkreisen. In den Umfragen von infratest dimap finden sich aber eine Reihe von Erklärungen für deren schlechtes Abschneiden.
Die SPD, die in Brandenburg seit vielen Jahren den Ministerpräsidenten stellt, hat sowohl personell als auch inhaltlich an Zugkraft verloren. Bei vielen wichtigen Themenfeldern werden ihr heute geringere Kompetenzen zugeschrieben als bei der Wahl 2014. Und fast zwei Drittel der Bürger sind der Ansicht, die SPD hat das Gespür für die Probleme der Menschen in Brandenburg verloren.
Linkspartei wird von vielen als ideenlos eingestuft
Ihr Spitzenkandidat, Ministerpräsident Dietmar Woidke, ist zwar der mit Abstand beliebteste Landespolitiker. Doch im Vergleich zur Wahl 2014 hat auch er deutlich an Popularität eingebüßt - und im Vergleich mit Amtskollegen aus anderen Bundesländern liegt er bei der Beliebtheit allenfalls im unteren Mittelfeld.
Auch die Linkspartei wird in vielen Bereichen schlechter bewertet als 2014. Und 70 Prozent der Brandenburger werfen dem Juniorpartner der SPD vor, im Kabinett nichts durchgesetzt zu haben. 64 Prozent sagen, ihr fehlen neue politische Ideen.
Die meisten Brandenburger wollen einen SPD-Regierungschef
Und warum kann die CDU vom kritischen Blick der Brandenburger auf ihre bisherige rot-rote Landesregierung nicht profitieren? Drei Viertel der Bürger sagen, ihr fehlt in Brandenburg überzeugendes Spitzenpersonal und zwei Drittel meinen, sie kümmere sich zu wenig um die Interessen der Ostdeutschen
Trotz der eher mauen Bewertung der bisherigen Landesregierung wollen 41 Prozent der Brandenburger auch künftig von einem Ministerpräsidenten der SPD regiert werden - und nur 16 Prozent von einem der CDU.