Verdacht auf russische Spionage Fast 450 Drohnen über Bundeswehrstandorten gesichtet
Über Truppenübungsplätzen der Bundeswehr tauchen nach Informationen von WDR und NDR seit Beginn des Ukraine-Kriegs vermehrt Drohnen auf. Sicherheitsbehörden befürchten, dass Russland die Ausbildung von ukrainischen Soldaten ausspioniert.
Sie fielen kaum auf, wie sie fast lautlos und meist über mehrere Minuten am Himmel stünden. So schildert es jemand, der schon mehrere Drohnen über Truppenübungsplätzen der Bundeswehr gesehen haben will. Es dauere nicht lange - und dann seien die kleinen Flugobjekte auch schon wieder weg.
Tatsächlich sollen sich Drohnen bei Liegenschaften der Bundeswehr zu einem erheblichen Sicherheitsrisiko entwickelt haben. In den Sicherheitsbehörden gibt es die Vermutung, dass Russland die Fluggeräte nutzt, um ukrainische Soldaten bei der Ausbildung in Deutschland auszuspionieren.
Bereits 2022, als der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine begann, warnte der heutige Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, vor "Aufklärungsflügen mit Drohnen über Kasernen". Im Jahr darauf startete in der Bundeswehr eine eigene Taskforce "Drohne". Viel mehr ist bislang aber nicht bekannt. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums unterliegen die Details der Geheimhaltung.
Deutlicher Anstieg seit Beginn des Ukraine-Kriegs
Wie WDR und NDR jetzt erfahren haben, ist das Ausmaß der möglichen Bedrohung erstaunlich groß - vor einigen Tagen soll das Thema auch im Kanzleramt besprochen worden sein.
Ein paar Angaben musste die Bundesregierung zudem als Antwort auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion offenlegen. Den neuen Informationen zufolge hat sich die Zahl von gemeldeten Drohnen-Sichtungen über oder im unmittelbaren Umfeld von Liegenschaften und Truppenübungsplätzen der Bundeswehr zuletzt stark erhöht.
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine sind die Zahlen stark gestiegen. Während es seit dem Start der aktuellen Legislaturperiode des Bundestages ab September 2021 neun Drohnensichtungen gab, waren es im gesamten Jahr 2022 bereits 172. Anschließend sind es noch einmal mehr geworden: 2023 gab es 446 gemeldete Drohnensichtungen.
Mehr Sichtungen - auch beim Training von Ukrainern
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sprach auf Anfrage allgemein von einem "erhöhten Meldeaufkommen zu Drohnensichtungen und vermeintlichen Ausspähversuchen auch in Verbindung mit Ausbildungsmaßnahmen der ukrainischen Streitkräfte".
Gesicherte Zuordnungen solcher Sichtungen seien dem Sprecher zufolge jedoch schwierig, da handelsübliche Drohnen frei verkäuflich seien. Bekannt sei aber, dass "fremde Nachrichtendienste grundsätzlich alle verfügbaren technischen Mittel" nutzten, um Informationen zu erlangen.
Russischer Versuch, ukrainische Handys zu lokalisieren?
Nach Informationen von WDR und NDR gibt es bislang keinen belegten russischen Spionageversuch mit Drohnen. In Sicherheitskreisen werden dennoch mehrere Möglichkeiten genannt, warum Russland auf diese Art spionieren könnte: Zum einen würden für Russland die Zahl der Auszubildenden oder Inhalte der Trainings interessant sein.
Zudem ist die Rede von möglicherweise eingesetzten IMSI-Catchern. Diese Geräte geben vor, ein Mobilfunkmast zu sein - und werden dafür eingesetzt, Mobiltelefone ausfindig zu machen und zu identifizieren: etwa die Handys von ukrainischen Soldaten, die in Deutschland ausgebildet werden. Mit diesen Informationen könnten die Geräte später wiederum beim Einsatz an der Front lokalisiert werden.
Schwierig, Drohnen eindeutig Moskau zuzuordnen
Über die Gefahr durch Drohnenüberflüge hatte öffentlich als eine der Ersten 2022 die Präsidentin des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Martina Rosenberg, gesprochen. In einer Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) warnte sie vor einem "unmittelbaren Gefährdungspotenzial", sobald es entsprechende Ausbildungsstandorte betreffe.
Nach Angaben der MAD-Präsidentin handele sich beispielsweise um kleine Quadrokopter, die oftmals schnell wieder weg seien. Für den Schutz der Truppenübungsplätze sei die Bundeswehr zuständig - außerhalb dann die jeweilige Polizei vor Ort. Man versuche, "die Dinger zu bekommen, um dadurch eine Attribuierung herstellen zu können", erklärte Rosenberg vor den Bundestagsabgeordneten. Allerdings, so Rosenberg, stehe nicht einfach ein "Z" auf einer Drohne - die MAD-Präsidentin spielte damit auf das russische Zeichen für den Angriffskrieg an. Sie erklärte bereits damals: Man arbeite an einer Möglichkeit, Liegenschaften vor solchen Überflügen zu schützen.
Bundeswehr nutzt offenbar Störsender
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurde der Schutz gegen Ausspähung durch Drohnen durch zahlreiche Maßnahmen bereits erhöht. Bestimmte Ausbildungsübungen seien in sichtgeschützte Bereiche verlagert worden. Soldaten würden zudem angehalten, Auffälligkeiten zu melden.
Dem Sprecher zufolge verfügt die Bundeswehr zudem über die "Fähigkeit zur Abwehr und zur Sicherstellung" von Drohnen. Nach Informationen von WDR und NDR handelt es sich dabei um verschiedene Abwehr- und Überwachungssysteme oder Störsender, die Drohnen zum Absturz bringen könnten.
Ermittlungen zu abgefangener Drohne
Angesichts der stark gestiegenen Zahlen ist jedoch fraglich, inwiefern die Standorte der Bundeswehr tatsächlich ausreichend gesichert sind. In den vergangenen Wochen sind die Forderungen aus der Politik nach einem tatsächlichen Schutzkonzept bereits lauter geworden. Unter anderem wird kritisiert, dass zwei Jahre nach Kriegsbeginn noch immer nicht genau geklärt sei, wer welche Aufgabe bei der Drohnenabwehr übernehme - und welche Geräte dafür sinnvoll wären.
Eine Erfolgsmeldung gibt es dann aber doch: Mittlerweile wurde nach Informationen von WDR und NDR erstmals eine Drohne abgewehrt - und zum Absturz gebracht. Das Gerät konnte sichergestellt werden, die Ermittlungen dazu laufen derzeit.