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Sparkassen und Volksbanken Extremisten als Kunden

Stand: 15.10.2024 17:13 Uhr

Umstrittene Organisationen erhalten in Deutschland zu leicht ein Bankkonto, kritisieren Experten. Recherchen von Report Mainz zeigen, dass längst nicht jedes Kreditinstitut seine Kunden vorab genau prüft.

Von Daniel Hoh und Philipp Reichert, SWR

Für den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg ist Neil Bin Radhan alles andere als ein Unbekannter. Der Gelehrte sei ein salafistischer Multifunktionär, der bereits vor Jahren durch verfassungsfeindliche Aussagen zum bewaffneten Dschihad aufgefallen sei. Auch in seinen Büchern finden sich grundgesetzwidrige Inhalte, schreibt die Sicherheitsbehörde auf Anfrage. In Heidelberg leitet Bin Radhan einen Moscheeverein, für den er regelmäßig Spenden sammelt. Dafür unterhält der Verein, der Fragen von Report Mainz unbeantwortet ließ, mehrere Konten bei der Volksbank Kurpfalz.

Auf Anfrage schreibt die Volksbank, dass man insgesamt das Thema ernst nehme, wegen des Bankgeheimnisses aber keine Details nennen könne. Immerhin bestätigt das Geldhaus die Kundenbeziehung zu dem Heidelberger Moscheeverein. Man prüfe den Fall seit Juni dieses Jahres. Dabei taucht der Prediger Neil Bin Radhan und sein salafistisch geprägter Verein schon seit vielen Jahren in den öffentlichen Berichten des Verfassungsschutzes auf.

Experte sieht Banken in der Pflicht

Genau hier liegt für Thomas Seidel ein grundsätzliches Problem. Die Banken in Deutschland täten zu wenig, um extremistischen Organisationen den Zugang zum Zahlungsverkehr zu verweigern. "In der heutigen Zeit würde ich mir von den Banken ein deutlich konsequenteres Handeln wünschen", sagt der 50-Jährige. Seidel hat früher beim Bundeskriminalamt gearbeitet und leitet heute ehrenamtlich die private Initiative "Anti Financial Crime", die sich dem Kampf gegen Finanzkriminalität widmet.

"Das Mindeste, das man verlangen kann, ist, dass die Häuser die Verfassungsschutzberichte lesen und im Rahmen ihrer Sorgfaltspflichten auch als Informationsgrundlage nutzen", sagt Seidel. "Und das würde bedeuten, sich von diesen Kunden und Konten zu trennen."

Auswertung der Verfassungsschutzberichte

Doch viele Organisationen, die von den Sicherheitsbehörden in Deutschland als extremistisch eingestuft sind, haben Konten bei deutschen Banken. Das zeigt eine Analyse von Report Mainz. Dafür hat das ARD-Politikmagazin die Verfassungsschutzberichte des Jahres 2023 ausgewertet und stichprobenartig mit Bankdaten der erwähnten Organisationen abgeglichen.

Von Rechtsradikalen über Islamisten bis hin zu Linksextremisten finden sich viele Beispiele. So hat die vom Verfassungsschutz als neonazistisch eingestufte Partei "Der III. Weg" ein Spendenkonto bei der Sparkasse, genauso wie die "Identitäre Bewegung" oder auch türkische Extremisten, die der Verfassungsschutz den "Grauen Wölfen" zuordnet. Ein Verein, der zu Scientology gehört, ist Kunde bei einer bekannten Privatbank. Andere als extremistisch eingestufte Organisationen wiederum haben Konten bei Volks- und Raiffeisenbanken. In allen Fällen wollten sich die Kreditinstitute wegen des Bankgeheimnisses nicht zu ihren Kunden äußern.

Sparkassen mit rechtlicher Sonderstellung

Auffällig ist, dass Extremisten und Verfassungsfeinde häufig Konten bei Sparkassen unterhalten. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) erklärt sich das in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber Report Mainz so: "Sparkassen unterliegen als öffentlich-rechtliche Kreditinstitute in der Frage der Kontoführung stärkeren rechtlichen Bindungen als genossenschaftliche Institute und Privatbanken, die in ihren Vertragsbeziehungen weitgehend frei sind."

Diesen Unterschied bestätigt Sebastian Omlor, der Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Banken- und Kapitalmarktrecht an der Philipps-Universität in Marburg lehrt. Demnach seien Sparkassen mehr oder weniger die Hände gebunden. "Sie haben nicht die Freiheit gegenüber Kunden zu sagen: 'Mit dir will ich, mit dir nicht'", erklärt Omlor. "Die Sparkassen haben einen Versorgungsauftrag, sie müssen im Regelfall ein Girokonto eröffnen, zumindest für die, die in ihrem zuständigen Gebiet ansässig sind." Anders sei es hingegen bei privaten Instituten sowie Volks- und Raiffeisenbanken. "Die dürfen auch sagen: 'Wegen der politischen Weltanschauung des Kunden K kündige ich das Konto des Kunden K'", so Omlor.

Petition gegen Volksbank-Konto der AfD Leipzig

Doch diese Freiheit nutzen längst nicht alle privaten und genossenschaftlichen Banken. Beispiel Leipzig: Hier fordert die Initiative "Omas gegen rechts" derzeit die örtliche Volksbank auf, das Konto des AfD-Kreisverbandes Leipzig zu kündigen. In einer Online-Petition haben sie dafür mehr als 32.000 Unterschriften gesammelt. Der Landesverband der AfD wird vom Verfassungsschutz Sachsen als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.

"Es gibt bereits Vorstände, die sich ganz klar für Vielfalt und Toleranz ausgesprochen haben und wir wünschen uns, dass die Leipziger Volksbank dem auch entspricht", fordert Meta Mukasa, die die Konto-Aktion der "Omas gegen rechts" mitinitiiert hat. Mit dem Vorstand der Leipziger Volksbank hat es dazu in der vergangenen Woche ein Gespräch gegeben. Die Bank teilt auf Anfrage mit, dass sie Sorge vor einer Spaltung der Gesellschaft habe und sie Extremismus jeder Art konsequent ablehne. Die AfD sei eine demokratisch gewählte Partei. Das Konto will sie deshalb offenbar nicht kündigen.

Mehr zu diesem und anderen Themen sehen Sie heute um 21:45 Uhr bei Report Mainz im ersten Ersten.