Tierquälerei im Schlachthof Bei vollem Bewusstsein getötet
Das ARD-Politikmagazin Report Mainz hat massive Tierquälereien in einem baden-württembergischen Regionalschlachthof aufgedeckt. Unter dem Druck der Recherchen schloss das Unternehmen vorerst den Betrieb.
Es sind brutale Szenen, die Tierschützer der Tierrechtsgruppe SOKO Tierschutz in dem Schlachthof der Metzgerei Kühnle in Backnang nördlich von Stuttgart dokumentieren konnten. Von Mai bis Juli hatten sie an acht Schlachttagen in dem Regionalschlachthof Kühnle im Rems-Murr-Kreis Kameras installiert. Sie zeichneten auf, wie in dem Betrieb Rinder geschlachtet werden.
Zu sehen ist zunächst die Betäubung der Tiere. Liefe es korrekt, wären die Tiere nach dem aufgesetzten Bolzenschuss tiefenbetäubt. In diesem Betrieb jedoch brechen sie in den dokumentierten Fällen zunächst zusammen und zeigen nach wenigen Sekunden heftige Abwehrreaktionen. Die Tiere werden dann an einer Kette hochgezogen, hängen mit dem Kopf nach unten. Jetzt sollte eine rasche Entblutung folgen durch das schnelle Öffnen der Hauptblutgefäße, so ist das gesetzlich vorgeschrieben.
In Backnang jedoch treffen die Schlachter - nach den Aufnahmen - häufig die Hauptschlagader des Rindes nur unzureichend. Minutenlang verbluten die Tiere an der Kette hängend, drehen sich im Kreis, strampeln, wehren sich, bis der Todeskampf irgendwann zu Ende ist.
Kühnle schließt seinen Schlachtbetrieb
Als Report Mainz vor einer Woche die Verantwortlichen und die Anwälte der Metzgerei Kühnle mit den Aufnahmen konfrontiert, entschließt sich das Unternehmen zum sofortigen Handeln. Der Schlachtbetrieb wird vorerst geschlossen. Zwei auf den Aufnahmen zu erkennende Mitarbeiter werden freigestellt. Ihre Bezüge laufen jedoch weiter, teilt das Unternehmen mit. Man wolle aufklären und habe einen Gutachter beauftragt, die Vorwürfe zu prüfen. Die Entscheidung zum Schließen sei eine freie unternehmerische Entscheidung gewesen.
In einer Pressemitteilung teilt die Firma mit: "Die Produktion von Wurstwaren und der Verkaufsbetrieb in den 16 Filialen läuft ohne Einschränkung weiter. Als Familienunternehmen in vierter Generation war und ist der Anspruch des Unternehmens und der rund 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, nur Produkte und Waren von höchster Qualität anzubieten. Hierfür stehen wir ein. Genauso stehen wir für mögliche Fehler ein und werden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um solche für die Zukunft mit Sicherheit auszuschließen."
Das Unternehmen kündigt zudem an, seine Mitarbeiter künftig intensiver zu schulen.
Tierquälereien stellen laut Gutachter Straftaten dar
Report Mainz hatte zuvor den Bundesvorsitzenden der Bundesarbeitsgemeinschaft Fleischhygiene, Tierschutz und Verbraucherschutz, Kai Braunmiller, um eine gutachterliche Prüfung der Aufnahmen gebeten. Der Fachtierarzt für Tierschutz und Veterinärdirektor aus Bayreuth geht mit dem Schlachthof hart ins Gericht: "Das ist das Zufügen von länger anhaltenden erheblichen Schmerzen und Leiden, die unnötig sind", sagt er. "Das ist für mich ein Straftatbestand, weil keiner hier ein Interesse zeigt, die Reflexe zu kontrollieren."
Braunmiller sagt weiter: "Da muss der Betrieb auf jeden Fall vorübergehend geschlossen werden und darf dann nur wieder in Betrieb gehen, wenn nachgewiesen wurde, dass man jetzt die Rechtsvorgaben so umsetzt, wie das zwingend ist."
Auch die Tierrechtsgruppe SOKO Tierschutz sieht den Fall wegen des Verhaltens des Veterinäramtes kritisch. "Es gibt wieder brutale Gewalt, technisches Versagen, inkompetente Mitarbeiter und das alles mit bester Überwachung des Amtes, sogar mit den extra geforderten Videokameras dafür", sagt Friedrich Mülln.
Amtlicher Veterinär beteiligt sich an Tierquälereien
Durch die Aufnahmen fällt ein weiteres Detail auf, auf das Mülln hinweist. Zu sehen ist auch der Zutrieb der Rinder in die sogenannte Betäubungsfalle. Ein Schlachthofmitarbeiter treibt die Tiere mit einem Elektrotreiber vorwärts - nach Ansicht von Braunmiller unverhältnismäßig und rechtswidrig. Auch dieser Bereich wird von einem amtlichen Veterinär überwacht, der auf den Aufnahmen deutlich zu erkennen ist. Und er greift zum Elektrotreiber und hilft, die Tiere in die Betäubungsfalle zu treiben.
"Das darf so nicht passieren und muss eigentlich von Seiten des Veterinäramtes auch Konsequenzen haben", sagt Braunmiller. "So einen Mitarbeiter könnte ich bei mir nicht weiter beschäftigen."
Behörde räumt Rechtsverstöße ein
Report Mainz hat auch das zuständige Veterinäramt mit den Filmaufnahmen konfrontiert. Thomas Pfisterer, Leiter der Behörde, räumt auf das Agieren des amtlichen Veterinärs angesprochen ein, dass dieses Verhalten nicht zulässig sei. Man wolle jetzt mit dem Mitarbeiter sprechen und prüfen, ob Maßnahmen einzuleiten seien. Der Fall wurde inzwischen bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.
Gegenüber Report Mainz gibt das Veterinäramt an, schon seit zwei Jahren den Betrieb zu überprüfen. Man habe ein Verwaltungsverfahren gegen die Metzgerei eingeleitet und Zwangsmaßnahmen angeordnet. Man habe den Fall aber nicht so beurteilt, dass man den Betrieb hätte schließen müssen. Man sei auf einer Eskalationsskala gewesen und hätte den Betrieb nach weiteren Maßnahmen vielleicht in zwei bis vier Wochen geschlossen.
In Baden-Württemberg ist der Fall in Backnang inzwischen der vierte Fall von Tierquälerei in einem Schlachthof in fünf Jahren, der von Tierschützern aufgedeckt wurde. Bundesweit ist es der sechzehnte in diesem Zeitraum. Und häufig sind amtliche Veterinäre nicht eingeschritten.
"Kontrolle von Schlachthöfen ist Ländersache"
Report Mainz hat auch das Bundeslandwirtschaftsministerium mit dem Vorgang konfrontiert. Die Kontrolle von Schlachthöfen sei Ländersache, teilt eine Sprecherin des Ministeriums mit. Man prüfe jedoch eine Ausweitung von Videoüberwachungen in Schlachthöfen.
Auch das Landwirtschaftsministerium in Stuttgart teilt mit, man habe nach den Skandalen der vergangenen Jahre einen ganzen Maßnahmenkatalog beschlossen, um den Tierschutz in Schlachthöfen zu verbessern.