Russische Einflussnahme Lobbyisten im Dienste Moskaus
Altkanzler Schröder und seine guten Verbindungen zu Russland sind kein Einzelfall. Auch in Frankreich und Österreich gibt es Beispiele für eine "Schröderisierung" der Politik. Dazu kommen Institute, die russische PR betreiben.
Der Ukraine unterstellt er "Säbelrasseln". Russlands massiven Truppenaufmarsch rechtfertigt er. Zur Frage "Krieg in Europa?" äußert Altkanzler Gerhard Schröder in einem Podcast Ansichten, mit denen er die Kontroverse innerhalb der SPD über den richtigen Umgang mit Russland noch anheizt. Widerspruch bekam er von seinem Parteikollegen Michael Roth, der ein legitimes Interesse der Ukraine darin sieht, sich zu verteidigen. Mit "Säbelrasseln" habe dies nichts zu tun.
Der Podcast heißt "Die Agenda", produziert von Béla Andas PR-Agentur, der einst für Schröders "Agenda 2010" warb. Im Gespräch mit Anda präsentiert Schröder seit Mai 2020 seine Sicht auf die Weltlage. In der Beschreibung zum Podcast finden sich Angaben zu Schröders politischer Laufbahn. Über dessen Aktivitäten danach heißt es, er sei wieder als selbständiger Rechtsanwalt in Hannover tätig. Er übe Ehrenämter sowie Funktionen in der Wirtschaft aus.
Weder dort, noch auf seiner eigenen Website finden sich konkrete Angaben zu Letzterem: dass er seit 2017 Aufsichtsratschef des russischen Konzerns Rosneft ist und dass er kurz nach seinem Ausscheiden als Kanzler für den russischen Energiekonzern Gazprom tätig wurde, erst im Vorstand der Nord Stream AG, dann auch als Vorstandschef der Nord Stream 2 AG.
Privatsachen mit Folgen
Schröder betont gern, diese Posten seien seine Privatsache. Doch die geopolitische Funktion der Nord-Stream-Pipelines und der auf deutschem Territorium befindlichen Gasspeicher im Besitz Gazproms wird in der aktuell angespannten Lage immer deutlicher. Rosneft-Chef Igor Setschin hatte für Schröders Berufung zum Aufsichtsratschef gerade damit geworben, dass dieser die deutsch-russischen Beziehungen beleben werde.
Wie Schröder dies abseits öffentlicher Verlautbarungen umsetzen könnte, davon geben Recherchen von t-online eine Vorstellung, für die die Medienplattform unter anderem nach dem Informationsfreiheitsgesetz Anfragen an die Landesregierung in Schwerin gestellt hatte. Demnach traf sich Schröder 2018 und 2019 mit der SPD-Politikerin und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig zu Gesprächen, ohne dass über deren Stattfinden und Inhalt Protokolle erstellt worden wären.
Im mecklenburg-vorpommerischen Lubmin treffen Nord Stream 1 und 2 auf Land. Die Landesregierung in Schwerin brachte 2021 die umstrittene "Stiftung Klima- und Umweltschutz Mecklenburg-Vorpommern" auf den Weg. Gazprom stellte zunächst 20 Millionen Euro zur Verfügung. Stiftungszweck kann gemäß Satzung neben der Förderung des Umweltschutzes auch wirtschaftliche Tätigkeit sein - konkret eine Beteiligung an "der Vollendung von Nord Stream 2", dies "auch in Form der Gründung einer oder mehrerer rechtlich selbständiger Gesellschaften". Experten vermuten, dass auf diesem Wege die US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 umgangen werden sollen.
Im August 2020 erklärte Schwesig nach einem Treffen mit Nord-Stream-2-Geschäftsführer Matthias Warnig, man sei sich einig, dass das Pipeline-Projekt "zum Erfolg geführt werden soll". Der ehemalige Stasi-Agent sitzt wie Schröder auch im Vorstand von Rosneft.
"Drehtür" zwischen Politik und Lobbyismus
Die neue Bundesregierung will nun offenbar das Entstehen von Interessenkonflikten vermeiden. Das Auswärtige Amt verweigerte dem ehemaligen Diplomaten Dieter Walter Haller die Genehmigung, Aufsichtsratsvorsitzender eines Tochterunternehmens von Nord Stream 2 namens "Gas for Europe GmbH" mit Sitz in Schwerin zu werden. Es soll die Zertifizierung der Pipeline erreichen. Zur Begründung erklärte ein Sprecher des Außenministeriums, durch die Aufnahme dieser Tätigkeit würden "dienstliche Interessen" beeinträchtigt.
Unter den Vorgängerregierungen war es vorgekommen, dass hochrangige Politiker kurz nach ihrem Ausscheiden in Unternehmen gewechselt sind, um als Lobbyisten ihr Wissen und ihre Kontakte zu nutzen. Der Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft wird in den USA "Revolving Door" (Drehtür) genannt und ist in Washington seit langem ein Problem.
Allerdings müssen sich Lobbyisten dort als "ausländische Agenten" registrieren, wenn sie für andere Staaten aktiv sind. In Deutschland gibt es erst seit Beginn dieses Jahres ein Lobbyregister. Das Gesetz dazu will die neue Bundesregierung nachbessern.
"Schröderisierung"
Wie nötig Transparenz ist, zeigen weitere Fälle innerhalb Europas. Frankreichs ehemaliger Premierminister François Fillon wechselte im Juni 2021 in den Vorstand der russischen Ölgesellschaft Zarubezhneft. Ende des Jahres kam ein Sitz im Verwaltungsrat des größten russischen Petrochemie-Konzerns Sibur hinzu.
Fillon galt länger schon als Freund Putins und vertrat offen pro-russische Positionen. Im Präsidentschaftswahlkampf 2017 allerdings wurde bekannt, dass er teure Geschenke angenommen und seine Frau scheinbeschäftigt haben soll, seine Karriere als Politiker war zu Ende.
In Österreich gibt es mehrere Fälle. So erhielt auch Altkanzler Wolfgang Schüssel Aufsichtsratsmandate bei russischen Unternehmen. Die ehemalige Außenministerin Karin Kneissl erhielt im Juni 2021 einen Aufsichtsratsposten bei Rosneft. Aus ihrer kurzen Amtszeit blieben vor allem die Bilder von Putin als Gast ihrer Hochzeit in Erinnerung.
Für diese Art der Postenvergabe setzte sich international das Wort "Schröderisierung" durch - für Schröder als einen der ersten und prominentesten westeuropäischen Politiker, der sich auf diese Nähe zur russischen Führung einließ. Wobei auch andere Staaten wie zum Beispiel Aserbaidschan und Kasachstan strategische Korruption für ihre Zwecke einzusetzen wissen.
Denkfabriken zur Einflussnahme
Eine weitere Ebene der Einflussnahme sind Think Tanks. Auch hier sind Personen aus dem Umfeld Putins aktiv, um russische Positionen in Westeuropa zu verbreiten. Einer von ihnen ist Wladimir Jakunin. Der ehemalige KGB-Agent und Eisenbahnchef war in mehreren Ländern, darunter in Tschechien und in Frankreich, umtriebig.
2016 gründete Jakunin in Berlin ein Forschungsinstitut namens "Dialog der Zivilisationen" und konnte dafür einige Persönlichkeiten gewinnen, darunter den ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat. Bei der Eröffnung sprach der General a.D. ein Grußwort. In den vergangenen Tagen fiel Kujat damit auf, dass er die Entlassung von Marinechef Kay-Achim Schönbach kritisierte, der sich bei einer Veranstaltung in Indien über Russland und die Ukraine geäußert hatte.
"Eskalation geht von Russland aus"
SPD-Co-Chef Lars Klingbeil versucht derweil die Debatten um die Russland-Strategie in seiner Partei zu beenden. "Es ist völlig klar für uns: Wir erleben eine Eskalation, die von Russland ausgeht", sagte Klingbeil im ARD-Morgenmagazin auf die Frage, ob es nicht Differenzen in seiner Partei und der Ampel-Regierung gebe.
Im Bezug auf Schröders Aussagen zur Ukraine sagte Klingbeil: "Äußern können sich viele, aber entscheiden tun wir als aktuelle SPD-Führung gemeinsam mit Bundeskanzler Scholz."