Josep Borrell spricht im EU-Parlament in Straßburg (Frankreich)
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EU und Georgien Zögern zur falschen Zeit

Stand: 15.05.2024 15:44 Uhr

Die EU hat lange gebraucht, um auf die Ereignisse in Georgien zu reagieren, kritisiert Sabrina Fritz. Dafür gibt es keine Entschuldigung, wohl aber eine Erklärung. Einmal mehr zeigt sich, wie weit die EU von einer gemeinsamen Außenpolitik entfernt ist.

Ein Kommentar von Sabrina Fritz, ARD Brüssel

In Brüssel herrscht die große Ratlosigkeit. Der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, schwieg lange zu den Ereignissen in Tiflis. Er weilte zwar die vergangenen Tage in den fernen USA. Aber selbst der Zeitunterschied gilt nicht als Entschuldigung, immerhin hat Washington die Restriktionen gegen die Nicht-Regierungsorganisationen bereits deutlich kritisiert.

Woher kommt also die  große Hilflosigkeit aus Brüssel? Ein Grund ist: Die Gemeinschaft ist alles andere als vereint. Damit eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht wird, müssen alle 27 Mitgliedstaaten einer Meinung sein. Ungarn und die Slowakei wollten aber ihre Unterschrift nicht unter einen Brief setzen, der die Regierung in Georgien oder gar Moskau verärgern könnte.

Schweigen statt Handeln

Der Außenbeauftragte der EU ist damit dennoch nicht zum Schweigen verdammt. Er hätte sofort eine persönliche Erklärung abgeben können, aber das hat er nicht und enttäuscht damit diejenigen, die in Georgien seit Wochen für Europa auf die Straße gehen.

Von einer gemeinsamen Außenpolitik ist die EU jedenfalls weiter entfernt als Georgien von Beitrittsverhandlungen. Zwar gab es seit Wochen Warnungen an Georgien, die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen nicht einzuschränken, aber jetzt wo es passiert ist? Keine Reaktion!

Es braucht ein klares Signal

Das kann nicht sein. Brüssel muss der Regierung in Georgien ganz klar sagen, wenn es in diese Richtung weiter geht, wird es keine Beitrittsverhandlungen geben. Dafür muss es aber eine klare Frist setzen.

Denn das ist ein großes Problem der EU-Erweiterungen, sie zieht sich teilweise über Jahre, ja, gar Jahrzehnte hin. In den vielen Jahren der Untersuchungen, Gespräche, Abstimmungen, Erfassungen wechseln dann die Regierungen, neue Machtzentren entstehen, es kann zu Kriegen kommen, die EU-Begeisterung in der Bevölkerung ebbt ab und am Ende gewinnen die EU-Gegner.

Serbien ist so ein Beispiel, auch Albanien wartet schon ewig - und die Ukraine? Bezahlt gerade einen mörderischen Preis für ihre Sehnsucht nach Freiheit.

Schneller verhandeln - und Konsequenzen aufzeigen

Der Erweiterungsprozess muss auf jeden Fall schneller gehen, mit Konsequenzen, wenn bestimmte Forderungen nicht erfüllt werden. Zweitens sollte sich die EU ein paar Maßnahmen überlegen, falls Georgien sich weiter von der EU entfernt. Es sollen ja nicht nur die Rechte von NGOs sondern auch von gleichgeschlechtlichen Paaren eingeschränkt werden.

Im Gegenzug könnte die EU die Wirtschaftsbeziehungen einschränken oder die Einreisemöglichkeiten für bestimmte Abgeordnete. Einfach Aussitzen ist jedenfalls die schlechteste Möglichkeit.

Im Oktober wird in Georgien gewählt. Es ist vielleicht die letzte  Chance für das Land, in die Europaspur zurück zu kehren. Das muss der Regierung in Tiflis klar und deutlich gesagt werden - von allen EU  Mitgliedsländern.

Sabrina Fritz, ARD Brüssel, tagesschau, 15.05.2024 15:23 Uhr
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