Kommentar

Kommentar zur Rücktrittsankündigung des Papstes Mit großer Demut in die Geschichtsbücher

Stand: 11.02.2013 18:16 Uhr

So unerwartet und historisch der Rücktritt auch ist - Benedikt XVI. hat damit Maßstäbe gesetzt. Er geht nicht als Herr, sondern als Diener. Seit heute dürfen auch Päpste zurücktreten, wenn ihnen die Verantwortung zu mühsam wird. Das ist gut für die Kirche.

Ein Kommentar von Tilmann Kleinjung, ARD Rom

Von Tilmann Kleinjung, ARD-Hörfunkstudio Rom

Dieser Papst wird in die Geschichtsbücher eingehen - und das liegt in erster Linie an diesem Tag, an diesem Rücktritt. Das gab es in der neueren Kirchengeschichte noch nie, dass ein Papst aus freien Stücken zu Lebzeiten sein Amt verlässt. Das ist mehr als eine große Geste, mehr als ein mutiger Schritt, das ist ein Zeichen großer Demut.

Joseph Ratzinger erkennt damit an: Es gibt etwas, das ist größer als seine Person - das Wohl der Kirche. So handelt ein Diener und kein Herr. Papst Benedikt XVI. hat damit Maßstäbe gesetzt. Er wird - auch das ist neu - miterleben, wie sein eigener Nachfolger gewählt wird. Natürlich birgt das auch Risiken. Aber Joseph Ratzinger wird sich in das Konklave, das seinen Nachfolger bestimmt, nicht einmischen. Er wird seiner Kirche künftig "mit ganzem Herzen durch ein Leben im Gebet dienen", so hat er es in dem Konsistorium heute Vormittag versprochen.

Tilmann Kleinjung, T. Kleinjung, ARD Rom, 11.02.2013 18:06 Uhr

Keine Laune, sondern ein lange vorbereiteter Schritt

Der Rücktritt des Papstes ist - auch wenn es in den letzten 700 Jahren keine Vorbilder gab - durch das Kirchenrecht gedeckt. Der Amtsverzicht ist keine Laune Benedikts, sondern eine mehr als bewusste Entscheidung. Er erlebte das öffentliche Leiden und Sterben seines Vorgängers Johannes Pauls II. mit, er traf Vorkehrungen für den Fall, dass er nicht mehr bei Sinnen ist.

Der Papst besuchte im Sommer 2010 Sulmona, einen Ort in den Abruzzen, in dem einst ein Vorgänger als Einsiedler lebte: Coelestin V., der bis heute letzte Papst, der im Jahr 1294 aus freien Stücken zurücktrat. Benedikts Besuch am Grab Coelestins wurde immer als Fingerzeig verstanden, dass ein Rücktritt auch für diesen Papst eine Option ist.

Rücktritt im Alter jetzt auch in der Kirche selbstverständlich

In den letzten Monaten waren die Gerüchte um einen Amtsverzicht Benedikts wieder lauter geworden, was vor allem seiner körperlichen Verfassung geschuldet war:  Der Papst ließ sich bei Gottesdiensten auf einer Art rollendem Podest in die Kirche fahren. Der Einzug zu Fuß war für den 85-Jährigen zu mühsam. Bei Ansprachen kam es vor, dass er Blätter verwechselte, er wirkte müde und deutlich gezeichnet vom Alter.

In jedem anderen Amt ist da der Rücktritt eine Selbstverständlichkeit. Doch ein Papst tritt nicht zurück - bis heute.

Schockstarre im Vatikan

Deshalb trifft diese Nachricht die Kirche und vor allem die Kirchenleitung wie ein Schock. Etliche Kardinäle fielen aus allen Wolken, als sie hörten, wie ihnen Papst Benedikt heute auf Latein verkündete: Ich erkläre, dass ab dem 28. Februar 2013, um 20.00 Uhr, der Bischofssitz von Rom, der Stuhl des heiligen Petrus, vakant sein wird.

Es wird kein leichtes Konklave werden, das den Nachfolger von Benedikt XVI. wählt. Es gibt keinen Favoriten, und zu viel hat sich angestaut in den letzten Monaten. Manche Kardinäle sagen hinter vorgehaltener Hand, dass sie von dem Papst nichts mehr erwarten.

Der Vertrauensverlust Benedikts gipfelte in dem Geheimnisverrat durch seinen Kammerdiener. Besser bekannt ist der Skandal unter dem Namen "Vatileaks" -  Dokumente vom Schreibtisch des Papstes waren in der Öffentlichkeit gelandet. Das traf Benedikt stärker, als es nach außen den Anschein hatte.

Benedikt weiß, was er tut

Der Papst leitete unbemerkt von den Allermeisten seinen Rückzug ein: Er berief eine Synode ein, in der ein Thema behandelt wurde, das ihm besonders am Herzen liegt: die Neuevangelisierung, die Erneuerung des Glaubens in der Welt. Er ernannte neue Kardinäle - darunter kein einziger Europäer. Und er beförderte seinen engsten Mitarbeiter Georg Gänswein zum Erzbischof.

All das zeigt: Benedikt weiß, was er tut. Er tut es zum Wohl seiner Kirche und dafür gebührt ihm zu allererst Respekt und Anerkennung.

Redaktioneller Hinweis
Kommentare geben grundsätzlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder und nicht die der Redaktion.