Wetterthema Erinnerung Früher war alles besser
Im Laufe unseres Lebens haben wir viele Erinnerungen an das Wetter abgespeichert. Zur Realität ergeben sich mitunter erstaunliche Diskrepanzen.
Ein Beispiel hierfür sind die weißen Weihnachten. Jedes Jahr taucht der Wunsch danach auf und immer wieder erscheint es verwunderlich, dass die Festtage nach der langjährigen Statistik hierzulande vielerorts in lediglich 10 bis 30 Prozent aller Fälle tatsächlich weiß sind. Die Mehrheit der Feste ist schon seit Jahrzehnten grün, daran hat sich wenig geändert. Doch warum weicht die Erinnerung vieler Menschen in diesem Fall von der Realität ab? Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wird das Weihnachtsfest in der Kunst oftmals mit Schnee in Verbindung gebracht. Wahrscheinlich stammten die ersten Darstellungen dieser Art aus nordischen Regionen, in denen tatsächlich oft Schnee liegt. Die reine, weiße Farbe passt gut zu den Festtagen. Damit hat sich eine weiße Weihnacht als etwas Positives in den Köpfen verankert, während Schnee zu andere Zeiten des Jahres nicht immer beliebt ist. Nun neigt der Mensch dazu, sich erfüllte Wünsche besonders gut zu merken. Man erinnert sich also an die paar wenigen, tatsächlich von Schnee geprägten Feste seiner Kindheit, nicht aber an all die anderen. Hinzu kommt auch der Effekt überlagerter Erinnerungen. So kann es passieren, dass man zu Weihnachten einen Schlitten geschenkt bekommen hat, den man aber aufgrund der Schneelage erst im Februar testen konnte. In der Erinnerung wird die Rodeltour später zusammen mit Weihnachten abgespeichert, obwohl das Fest selbst grün und trübe war.
Eine gängige Erwartung an den Sommer ist, dass man bei Sonnenschein und Wärme ins Schwimmbad gehen kann. Unser mitteleuropäisches Klima ist aber eigentlich sehr wechselhaft und stabile Hochdrucklagen waren bis vor einigen Jahren eher selten. In praktisch jedem normalen deutschen Sommer werden Stimmen laut, nach denen es früher noch „richtige“ Sommer mit überwiegend sonnigen Tagen gegeben hätte. Unsere Grafik zeigt eine Auswertung zu diesem Thema, nämlich die Anzahl der schwimmbadtauglichen Tage exemplarisch für Frankfurt am Main. Als „Schwimmbadtag“ gilt ein Tag mit einer Höchsttemperatur von mindestens 25 Grad und einer Sonnenscheindauer von zugleich mindestens 10 Stunden. Diese Schwellenwerte hätten auch anders festgelegt werden können, das Ergebnis wäre aber ähnlich. Früher konnte man nicht häufiger ins Schwimmbad gehen als in den letzten Jahren, im Gegenteil. Es liegt lediglich der Effekt vor, dass man sich primär an die Tage im Schwimmbad erinnert, weniger an die wolkigen, kühlen Tage, an denen man zu Hause geblieben ist.
Übrigens ist auch der Autor dieses Textes nicht frei von solchen hier geschilderten verzerrten Erinnerungen. Als 9-jähriger Junge erlebte er in der Pfalz den Winter 1981/82. Gefühlt gab es damals in Speyer einen halben Meter Schnee und erst nach 6 Wochen Tauwetter. Die spätere Analyse langjähriger Klimareihen zeigte, dass es 30 Zentimeter Schnee waren und der Dauerfrost lediglich 14 Tage andauerte.
Natürlich sind nicht alle Wettererinnerungen fehlerbehaftet. Wer beispielsweise den Eindruck gewonnen hat, dass die letzten 20 Jahre wärmer waren als die Jahrzehnte davor, der irrt sich damit nicht. Leider erlebt man als Meteorologe immer wieder, wie Menschen nicht bereit sind, von ihren subjektiv gewonnenen Aussagen abzuweichen, selbst wenn man ihnen Statistiken vorlegt, die eindeutig etwas anderes zeigen. Aus diesem Grund ist in einigen Kreisen keine sachliche Diskussion über den Klimawandel möglich.