Brauereien reagieren auf Trend Alkoholfreies Bier wird zum Massengetränk
Immer mehr Deutsche entscheiden sich für alkoholfreies Bier. Für die Brauereien ist es ein stark wachsendes Geschäft. Was sind die Gründe für diesen Boom auf dem Getränkemarkt?
Seit 2007 hat sich die Produktion an alkoholfreiem Bier fast verdoppelt. 2022 wurden etwa 670 Millionen Liter gebraut. Eine Umfrage des Meinungsforschers Allensbach ergab im vergangenen Jahr, dass fast zehn Millionen Menschen kürzlich ein alkoholfreies Bier gekauft oder getrunken hatten.
Kein anderes Segment in der Brauwirtschaft hat in den letzten zehn Jahren so stark zugelegt wie alkoholfreie Biere und alkoholfreie Biermischgetränke, so der Deutsche Brauer-Bund. "Deutschland ist heute weltweit führend bei der Produktion alkoholfreier Biere. Alkoholfreie Biere haben dementsprechend eine immer größere Bedeutung für die 1500 deutschen Brauereien", sagt Hauptgeschäftsführer Holger Eichele. Derzeit liege der Anteil am Gesamtbiermarkt bei sieben Prozent.
Größere Sortenvielfalt
Eine Brauerei, die sich besonders intensiv mit dem Thema beschäftigt, ist die Störtebeker Braumanufaktur aus Stralsund. Jens Reineke-Lautenbacher ist dort Innovationsmanager und hat sich als Ziel gesetzt, eine besonders große Sortenvielfalt bieten zu können. "Ausgehend von alkoholfreiem Pils als Startpunkt für die Kategorie über alkoholfreies Weizenbier als Sportlergetränk bis hin zu alkoholfreien Brauspezialitäten wie unserem Atlantik Ale Alkoholfrei als Antwort auf die Craft Bier-Bewegung ist die Sortenvielfalt in den letzten Jahren signifikant gewachsen", berichtet er. Möglich sei das, weil inzwischen ein Markt dafür vorhanden sei. Jeden vierten bis fünften Liter Bier brauen die Stralsunder bereits alkoholfrei.
Paulaner in München setze schon seit 37 Jahren auf alkoholfreies Bier, sagt Brauerei-Chef Jörg Lehmann. Mit der Entwicklung sei man sehr zufrieden. Das Ende der Corona-Krise sei ein Grund dafür, dass alkoholfreies Bier wieder stärker nachgefragt werde. "Die Menschen sind wieder mobiler. Das heißt, sie greifen, wenn sie mit dem Auto oder Fahrrad unterwegs sind, wieder vermehrt zu alkoholfreiem Bier. Insgesamt wachsen wir in diesem Segment weiterhin sehr gut", so Lehmann.
0,0 Prozent besonders gefragt
Besonders gefragt sind die Biere, die 0,0 Prozent Alkoholgehalt haben. Marktführer ist in diesem Segment die Bitburger Brauerei. Fünf Biere und Biermischgetränke gibt es hier inzwischen als 0,0-Prozent-Angebot. "Aufgrund der kontinuierlich steigenden Bedeutung alkoholfreier Getränke für unsere Absatz- und Umsatzzahlen ist Bitburger 0,0 Prozent bereits seit einigen Jahren ein fundamentaler Bestandteil unseres Portfolios", sagt Marketing-Chef Christoph Weber.
Paulaner beobachtet Unterschiede, wer zu welchem alkoholfreien Bier greift. "Die 0,0-Prozent-Bier-Trinker entscheiden sich bewusst für Biere komplett ohne Restalkohol, um beim eigenen Trinkverhalten einen aktiven Lebensstil zu fördern. Für sie spielt es dabei eine untergeordnete Rolle, ob das Produkt einen originalen Biergeschmack hat oder nicht", sagt Jörg Lehmann. "Sie kommen eher aus der Ecke der Softdrink-Konsumenten, die einen alternativen, bewussteren Durstlöscher suchen." Es gebe aber auch die Liebhaber der klassischen alkoholfreien Biere, die einen Geschmack verlangten, der nahe an den alkoholhaltigen Bieren sei.
Neue Verfahren verbessern Geschmack
Die Zeiten, als alkoholfreie Biere hauptsächlich von Autofahrern getrunken wurden, seien lange vorbei, so der Deutsche Brauer-Bund. Durch neue brautechnische Verfahren hätten sich Geschmack und Qualität enorm verbessert. Auch die sich wandelnden Konsum- und Lebensgewohnheiten der Menschen und das wachsende Gesundheitsbewusstsein sorgten dafür, dass alkoholfreie Biere und Biermischgetränke immer beliebter werden. "Alkoholfreie Biere werden heute zu den unterschiedlichsten Anlässen getrunken und sind längst der Nische entwachsen. Viele alkoholfreie Biere sind mineralisch und isotonisch, so dass der Körper die Inhaltsstoffe besonders leicht verarbeiten und nutzen kann - ein Vorteil, den gerade Sportler schätzen", sagt Holger Eichele.
Eine vom Brauerbund 2021 in Auftrag gegebene Umfrage ergab, dass Verbraucher an alkoholfreien Bieren besonders den guten Geschmack, die geringe Kalorienzahl sowie die Verwendung ausschließlich natürlicher Rohstoffe schätzen.
Vor allem junge Menschen offen für alkoholfreies Bier
Jens Reineke-Lautenbacher von Störtebeker kann keine konkrete Zielgruppe ausmachen. "Allgemein sind es aber gerade die jungen Menschen und solche mit dem Interesse an einem gesundheitsbewussten Lebensstil, welche besonders offen für solche Produkte sind." Alkoholfreies Bier stehe "für einen generationsübergreifenden, entspannten Genuss, der sich gut in Einklang bringen lässt mit dem sich wandelnden Verbraucherbewusstsein hin zu einem gesundheitsbewussteren Lebensstil", sagt Lars Dammertz, Leiter Marketing Bier der Krombacher Brauerei.
Inzwischen gibt es auch immer mehr regionale Sorten wie Kölsch oder Alt. Der Brauer-Bund rechnet damit, dass schon bald jedes zehnte in Deutschland gebraute Bier alkoholfrei sein wird.