Folgen des Abschlusses Was die Metall-Tarifeinigung bedeutet
Millionen Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie bekommen ab 2025 mehr Geld. Wie sehen die Details des Tarifabschlusses aus? Wie wird er bewertet? Was könnten die Folgen sein für die Wirtschaft insgesamt?
Wie sieht die Einigung im Detail aus?
Die Beschäftigten der deutschen Metall- und Elektroindustrie erhalten 5,1 Prozent mehr Geld in zwei Stufen. Die Löhne und Gehälter werden zum 1. April 2025 um 2,0 Prozent, ein Jahr später dann um weitere 3,1 Prozent erhöht, wie der IG-Metall-Bezirksleiter Daniel Friedrich heute sagte. Spätestens im Februar 2025 sollen die Arbeitnehmer zudem eine Einmalzahlung von 600 Euro erhalten.
Auch Auszubildende erhalten mehr Geld: Ihre Vergütung soll bereits im Januar kommenden Jahres um 140 Euro im Monat steigen. Sie erhalten allerdings keine Einmalzahlung.
Für Unternehmen in schwieriger Lage sieht der Tarifvertrag für die Tarifbezirke Bayern und Küste außerdem automatische Differenzierungsmöglichkeiten vor. "Das erhöht für Unternehmen die Flexibilität - in einer wirtschaftlich schlechten Phase können sie die Auszahlung von jährlichen Sonderzahlungen wie tariflichem Zusatzgeld oder Weihnachtsgeld verschieben oder kürzen", erklärt Christoph Schröder, Tarifexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW), im Gespräch mit tagesschau.de.
Wie lange läuft der Tarifvertrag?
Der Tarifvertrag läuft über 25 Monate bis Oktober 2026. Die Friedenspflicht endet jedoch anders als bislang üblich nicht zwei Wochen vor dem Ende der Laufzeit, sondern bereits im September.
Warum hat der Abschluss Pilotcharakter?
Die IG Metall hat die Tarifbezirke Küste sowie Bayern beauftragt, gemeinsam mit den jeweiligen Arbeitgeberverbänden einen Pilotabschluss anzustreben. Daher nahmen Vertreter aus Bayern an den Verhandlungen in Hamburg teil. Auf Arbeitgeberseite saßen die Verbände Nordmetall und der Verband der bayerischen Metall- und Elektroindustrie am Verhandlungstisch.
Den Pilotabschluss haben erstmals zwei Bezirke gemeinsam ausgehandelt: Bayern und die Küste, wozu Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Bremen und das nordwestliche Niedersachsen gehören. Dort gilt dieser Tarifvertrag - er soll aber auch in den übrigen neun Tarifgebieten übernommen werden, wozu noch einmal regionale Treffen notwendig sind. Der neue Tarifvertrag würde dann bundesweit für rund 3,9 Millionen Beschäftigte gelten.
"Man darf davon ausgehen, dass der Tarifvertrag nun auch schnell in den anderen Tarifzonen übernommen wird und sich die Nachverhandlungen nicht ewig hinziehen", urteilt Christoph Schröder vom IW.
Hinzu kommt, dass Abschlüsse in der Metall- und Elektroindustrie stets eine bedeutende Signalwirkung für das Lohngefüge in Deutschland haben. Denn mit 4,6 Millionen Beschäftigten ist sie die mit Abstand größte Industriebranche.
Wie wird die Einigung bewertet?
"Das hört sich nach einem vernünftigen Abschluss an", urteilt Cyrus de la Rubia, Chefökonom der Hamburger Commercial Bank. "Die IG-Metall ist offensichtlich unter dem Eindruck der anhaltenden Rezession in der Industrie und den ausgeprägten Problemen in der Automobilindustrie von ihren ursprünglich hohen Forderungen abgerückt." Auch der IW-Experte Schröder hebt die Kompromissbereitschaft der Tarifparteien hervor: "Dass Gewerkschaft und Arbeitgeber nun so schnell zu einer Lösung gekommen sind, zeigt, dass sie der Wirtschaft in diesen unruhigen Zeiten nach dem Aus der Ampel und der US-Wahl nun etwas Stabilität zurückgeben wollten."
Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING, betont, dass dieser Abschluss "der aktuellen Entwicklung in der deutschen Industrie ganz deutlich Tribut" zolle. "Dieser Abschluss signalisiert eine deutliche Kehrtwende: Weg von starken Lohnerhöhungen zum Ausgleich von Kaufkraftverlusten, hin zu Arbeitsplatzsicherung."
Denn der Tarifvertrag ist ein Kompromiss aus den ursprünglichen Forderungen: Die IG Metall war mit einer Forderung nach sieben Prozent mehr Entgelt bei einer Laufzeit von zwölf Monaten in die Verhandlungen gegangen. Die regionalen Arbeitgeberverbände hatten zunächst insgesamt 3,6 Prozent mehr Lohn und Gehalt in zwei Stufen über eine Laufzeit von 27 Monaten angeboten.
Was sagen die Tarifparteien dazu?
"Das ist kein Abschluss, für den wir gefeiert werden", sagte der Verhandlungsführer IG Metall Küste, Daniel Friedrich. Er bringe aber Stabilität. Die Forderung sei in wirtschaftlich stabileren Zeiten entstanden.
Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf zeigte sich "zufrieden, aber nicht euphorisch". Nordmetall-Verhandlungsführerin Lena Ströbele spielte auf die kollabierte Ampel-Koalition an: "Wir Tarifparteien wollten zeigen, dass wir nicht 'Ampeln', sondern Einigung können." Ihre Co-Verhandlerin Angelique Renkhoff-Mücke aus Bayern sagte: "Wir hoffen, dass wir damit auch das Signal an die Politik senden, dass Kompromisse mitunter schmerzhaft, aber möglich sind."
Wie steht die Metallindustrie da im Vergleich zu anderen Branchen?
In einigen Branchen konnten zuletzt höhere Tarifabschlüsse erzielt werden: So erhalten die insgesamt 585.000 Beschäftigten der chemisch-pharmazeutischen Industrie insgesamt 6,85 Prozent mehr Geld. Darauf hatten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Juni dieses Jahres verständigt.
Allerdings ist die Höhe früherer Abschlüsse zu bedenken. "Bei einer Beurteilung des Tarifabschlusses im Vergleich zu anderen Branchen ist auch zu beachten, wie die vorherigen Tarifrunden gelaufen sind", erklärt Christoph Schröder vom Kölner IW. So hatten die IG Metall und der Arbeitgeberverband Südwestmetall 2022 eine Lohnerhöhung für die Beschäftigten der Branche um 5,2 Prozent zum Juni 2023 und noch einmal 3,3 Prozent ab Mai 2024 bei einer Laufzeit von 24 Monaten beschlossen. Hinzu kamen steuerfreie Einmalzahlungen von insgesamt 3.000 Euro.
"Auch in anderen Branchen, wie beispielsweise dem Handel, die 2023 und 2024 eher hoch abgeschlossen haben, fielen die Abschlüsse für 2025 wieder niedriger aus", so Schröder.
Was bedeutet der Abschluss für Konzerne mit Haustarif wie VW?
Bei VW laufen parallel Verhandlungen über den Haustarifvertrag. Vor dem Hintergrund harter Sparpläne des Managements wird dort derzeit über Tarife der mehr als 120.000 Beschäftigten der Volkswagen AG verhandelt. Dort ist die nächste Tarifrunde für den 21. November verabredet. "Wir brauchen eine Kostenentlastung, keine Kostenbelastung, dafür haben wir Vorschläge gemacht", kommentierte eine Sprecherin den Metall-Tarifabschluss. Für einzelne Werke wie das gefährdete in Osnabrück, aber auch die VW-Töchter Audi und Porsche, gilt der Flächentarif.
IW-Experte Schröder betont, dass der heutige Abschluss sicher nicht eins zu eins auf die Verhandlungen bei VW übertragbar sei: "Dort wird die Beschäftigungssicherung im Vordergrund stehen."
Mit Informationen von Lilli-Marie Hiltscher, ARD-Finanzredaktion.