Ein Händler begutachtet eine Probe Weizenkorn auf dem Getreidemarkt in Narela, Neu-Delhi, Indien.
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Knappe Lebensmittel Agrarrohstoffe immer noch teuer

Stand: 26.06.2024 14:38 Uhr

Schlechte Ernten halten die Agrarmärkte und Verbraucher in Atem: Rohstoffe wie Kakao sind derzeit knapp und teuer. Darüber, ob sich das in absehbarer Zeit ändert, wird auch an den Börsen spekuliert.

Von Volker Hirth, ARD-Finanzredaktion

Die gute Nachricht zuerst: Der Preisanstieg bei Lebensmitteln insgesamt hat sich verlangsamt. Einige Preise sind jedoch weiterhin gestiegen, wie zum Beispiel bei Säften oder Brot, einige sind dramatisch gefallen, wie zum Beispiel bei Butter oder Milch.

Das Konsumverhalten kann zu einer Preisregulierung beitragen, so Volker Wieland, Wirtschaftswissenschaftler der Uni Frankfurt: "Statt Milch oder Saft Wasser zu trinken macht jetzt nicht so viel Spaß, das ist die eine Reaktion. Aber wenn wir generell merken, unser Einkommen hat nicht mehr die gleiche Kaufkraft, dann drückt das natürlich auf das Konsumklima." Dementsprechend spürten die Unternehmen eine geringere Nachfrage. "Das trägt dazu bei, dass der Preisanstieg gebremst wird oder aufhört."

Macht der Spekulanten

Das ist also die Macht des kleinen Konsumenten. Aber es gibt größere Mächte. Ökonomen schätzen, dass Spekulanten bis zu 30 Prozent am Rohstoffmarkt beteiligt sind und die Preise entsprechend hoch treiben. Durch Krisen und Kriege lässt sich besonders gut verdienen. Die Lebensmittelpreise stiegen vor allem mit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine.

Eine Studie belegte damals, dass zehn Hedgefonds im ersten Quartal des Jahres 2022 1,9 Milliarden Dollar mit Wetten auf Weizen und Sojapreise verdienten - was der UN-Sonderberichterstatter Olivier de Schutter damals heftig kritisierte: "Diese Hedgefonds sind parasitär und problematisch für die Stabilität dieser Märkte geworden. Es gibt wetterbedingte Ereignisse, es gibt Ernten von weniger guter Qualität, aber Finanzspekulationen verschlimmern dies noch."

Dürren, Regen, Missernten verschlimmern die Lage

So schlimm sei es nun auch wieder nicht, meinte heute Morgen in Update Wirtschaft auf tagesschau24 Ali Marsawah von Envestor. Die Natur spiele die größere Rolle: "Es gab Dürreperioden, Missernten, und das hat sehr viel mehr dazu beigetragen, die Preise so in die Höhe zu treiben, als die bösen Spekulanten."

Eine Beimischung von zum Beispiel Agrarrohstoffen in ein Anlageportfolio kann durchaus auch für Kleinanleger interessant sein. Sie könnten, so Marsawah, auch dazu beitragen, eventuelle Verluste bei Klassikern wie Aktien oder Anleihen auszugleichen: "Rohstoffe sind gute Instrumente zur Diversifizierung eines Portfolios. Natürlich, man muss es wollen, man muss sich bewusst sein, dass man zwar nicht der böse Bube ist, wenn die Preise in den Entwicklungsländern hoch gehen, aber man verstärkt eventuell vorhandene Trends."

Kriege und Krisen verschärfen Preisschwankungen

Auch die aktuellen Kriege und Krisen tragen ihren Teil zu den Preisschwankungen bei. Orangen aus Israel finden sich kaum noch in deutschen Lebensmittelregalen, und vor allem die gestiegenen Energiekosten seit Beginn des Ukrainekrieges habe den Transport von Lebensmittel erheblich verteuert.

Die Energiepreise sind gesunken; langfristig müssten dadurch auch die Lebensmittelpreise sinken, so Wirtschaftswissenschaftler Wieland: "Schauen wir mal, ob das eintritt, aber es ist nur ein Faktor. Der entscheidende Faktor ist natürlich nach wie vor, dass viele Lebensmittel knapper geworden sind, insbesondere durch den Ukrainekrieg."

Hohe Lebensmittelpreise sind natürlich kein deutsches Phänomen. In vielen Ländern Europas sind sie deutlich höher. Etwa in Finnland, Norwegen, Dänemark und vor allem der Schweiz. Deutschland belegt in der Statistik der Lebensmittelpreise in Europa einen Mittelplatz.

Volker Hirth, HR, tagesschau, 26.06.2024 12:45 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 22. April 2024 um 10:51 Uhr.