EU-Krisenhilfen Drei Säulen und ein Reizwort
Was kann die EU gegen die Corona-Krise tun, die absehbar zur Wirtschaftskrise wird? Der Begriff Corona-Bonds fällt immer wieder, aber auf dem Tisch der Euro-Finanzminister liegen heute noch mehr Ideen. Stephan Ueberbach stellt sie vor.
Was kann die EU gemeinsam gegen die Corona-Krise tun, die absehbar zur Wirtschaftskrise wird? Der Begriff Corona-Bonds fällt immer wieder, aber auf dem Tisch der Euro-Finanzminister liegen heute noch mehr Ideen.
Die Corona-Krise ist auch eine Herausforderung für den europäischen Zusammenhalt. Vor allem die südlichen EU-Staaten wie Spanien, Frankreich oder Italien stehen unter beispiellosem finanziellen Druck, sie fordern Solidarität von den nördlichen Partnern wie Deutschland. Verschiedene Ideen für Krisenhilfen liegen auf dem Tisch - ein Überblick:
Der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM
Er heißt oft einfach auch nur: Euro-Rettungsschirm. Der ESM wurde in der großen Finanzkrise vor zehn Jahren gegründet, um Länder wie Portugal, Irland, Zypern und vor allem Griechenland vor der drohenden Staatspleite zu bewahren. Die Regierungen konnten sich beim ESM zu günstigen Konditionen Geld leihen, mussten aber im Gegenzug eisern sparen und ihr Land reformieren.
In der Corona-Krise könnten diese Auflagen abgemildert werden oder sogar ganz wegfallen. Der ESM hat im Moment 410 Milliarden Euro zur Verfügung. Im Gespräch ist, dass jedes Euro-Land Kredite in Höhe von zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung aufnehmen kann. Für Italien wären das rund 39 Milliarden Euro, für Spanien 28 Milliarden. Das Geld müsste nach der Krise wieder zurückgezahlt werden.
Die europäische Investitionsbank EIB
Sie könnte kleinen und mittleren Unternehmen, die wegen der Corona-Epidemie knapp bei Kasse sind, mit zusätzlichen Krediten unter die Arme greifen. Wenn die EU-Mitgliedsstaaten entsprechende Garantien übernehmen, will die EIB bis zu 200 Milliarden Euro auftreiben und zu niedrigen Zinssätzen weiterverleihen.
Das Geld soll, wie es heißt, "ein Schutzschild für europäische Firmen" sein, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Anders als die ESM-Kreditlinien, die nur den 19 Eurostaaten offen stünden, wäre das ein Angebot an alle 27 EU-Staaten.
Das europäische Kurzarbeitergeld SURE
Die Abkürzung steht für "Support mitigating Unemployment Risks in Emergency", ins Bürokraten-Deutsch übersetzt bedeutet das "Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in Ausnahmesituationen". Kurzarbeitergeld klingt da natürlich deutlich griffiger. Bis zu 100 Milliarden Euro will die EU-Kommission für günstige Kredite mobilisieren, damit Betriebe und Selbstständige ihre Beschäftigten trotz Krise nicht feuern müssen.
Der Marshallplan für Wiederaufbau
Diese Idee hat Kommissionschefin Ursula von der Leyen ins Gespräch gebracht. Sie bezieht sich auf ein historisches Vorbild. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte ein gewaltiges Konjunkturprogramm dabei geholfen, die wirtschaftliche Not in Westeuropa zu lindern.
Etwas ähnliches schwebt von der Leyen auch in der Corona-Krise vor. Der EU-Haushalt für die nächsten sieben Jahre soll mit massiven Investitionen die Wirtschaft wieder in Schwung bringen und europaweit für Erholung sorgen. Dafür müssen sich aber zunächst die Mitgliedsländer darüber einig sein, wie viel Geld sie dem EU-Haushalt zur Verfügung stellen wollen - und was damit passieren soll. Bisher stecken diese Verhandlungen in einer Sackgasse.
Die Corona-Bonds
Das sind - oder besser: das wären - gemeinsame europäische Staatsanleihen. Die Idee dahinter: Wenn alle EU-Länder, also die wohlhabenden und die ärmeren, solche festverzinslichen Wertpapiere ausgeben und solidarisch dafür geradestehen, dann sinken die Zinsen für die Staaten, die sowieso schon hochverschuldet sind. Für Italien zum Beispiel, aber auch für Frankreich, Spanien oder Belgien.
Die wirtschaftsstarken Länder wie Deutschland, Österreich oder die Niederlande müssten dagegen für frisches Geld etwas mehr bezahlen. Der Widerstand aus diesen Ländern ist denn auch gewaltig: Wir wollen keine Vergemeinschaftung von Schulden, heißt es vor allem in Berlin und Den Haag.
Die Befürworter der Corona-Bonds in Rom, Paris oder Madrid weisen deshalb darauf hin, dass es ihnen nicht um ihre Altschulden geht, sondern nur um neues Geld zur Bekämpfung der Corona-Krise, als einmalige Ausnahme.
Auch die Wissenschaft ist geteilter Meinung. Corona-Bonds machen es Ländern mit hohen Schulden womöglich noch schwerer, an Geld zu kommen, weil die gemeinsamen Anleihen als Signal für drohende Zahlungsprobleme verstanden werden könnten, heißt es etwa beim Leibniz-Institut für europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Das Institut der Deutschen Wirtschaft und das Kieler Institut für Weltwirtschaft dagegen verlangen, dass in dieser Krise die Starken den Schwachen helfen und sagen: Jetzt ist der Moment gekommen, wo die oft beschworene Schicksalsgemeinschaft Europa Flagge zeigen muss.