KI in der Arbeitswelt Wo Künstliche Intelligenz schon Alltag ist
Künstliche Intelligenz gilt als Zukunftsthema. Doch in manchen Unternehmen und Branchen gehört sie bereits zum Alltag, wie eine Umfrage von tagesschau.de unter deutschen Wirtschaftsverbänden zeigt.
Fast jeder vierte Deutsche hat einer Umfrage des TÜV-Verbandes unter mehr als 1000 Menschen zufolge bereits ChatGPT genutzt - unter anderem für berufliche Zwecke. Gerade auf dem Arbeitsmarkt könnte Künstliche Intelligenz (KI) für große Veränderungen sorgen. So glaubt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), dass es ab 2035 keinen Job mehr geben wird, der nichts mit KI zu tun hat.
Im "Future of Jobs Report 2023" des Weltwirtschaftsforums gaben jüngst rund drei Viertel der Unternehmen an, entsprechende Technologien bis 2027 einsetzen zu wollen. Allerdings gibt es längst viele Firmen, die bereits mit KI arbeiten - etwa um Kosten zu sparen oder dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Doch um welche Branchen geht es da?
Jede siebte Firma setzt bereits KI ein
"Ob maschinelle Übersetzung, vorausschauende Wartung oder personalisiertes Marketing - der Anwendungsbereich von KI erstreckt sich über nahezu alle Wirtschaftszweige und Geschäftsbereiche", heißt es von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Laut ihrer Digitalisierungsumfrage setzten im Februar dieses Jahres branchenübergreifend rund 14 Prozent der mehr als 1000 befragten Unternehmen KI ein. Weitere 23 Prozent planen demnach die Einführung innerhalb der kommenden drei Jahre.
"Schon jetzt gibt es enorme Anwendungsmöglichkeiten für alle Berufsgruppen, die die Produktivität erhöhen können", erklärt Roman Fessler, Unternehmenscoach für die sogenannte generative KI, bei der Texte, Bilder oder Videos maschinell erstellt werden. Allein diese Art der KI könnte nach Einschätzung des McKinsey Global Institute weltweit einen jährlichen Produktivitätszuwachs von umgerechnet 2,4 bis 4,1 Billionen Euro ermöglichen. Allerdings gibt es seit langem auch Befürchtungen, dass zahlreiche Menschen ihren Job verlieren könnten.
Textroboter wie ChatGPT und Bard oder Bildgeneratoren wie Stable Diffusion können laut Fessler zu großer Zeitersparnis führen. "Das interessante an diesen Modellen ist die universelle Anwendbarkeit. Selbst in einem familienbetriebenen Handwerksbetrieb kann ein KI-basierter Chatbot Teile der Buchhaltung, das Schreiben der Angebote oder die Kommunikation übernehmen", sagt der Experte im Gespräch mit tagesschau.de. Besonders viele Anfragen bekomme er allerdings von Social-Media-Agenturen und aus Marketingbereichen von Firmen.
Roboter in der Kundenbetreuung von Banken
Diese Beobachtung deckt sich mit der DIHK-Erhebung. So steht an der Spitze die Branche der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), wo bereits mehr als ein Viertel der Unternehmen KI nutzt. "All unsere Mitgliedsunternehmen wie Agenturen, Medien, Vermarkter und Plattformen arbeiten bereits oder werden in naher Zukunft mit KI-Lösungen arbeiten", berichtet der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). Zum Einsatz komme KI etwa bei Übersetzungen, Zusammenfassungen sowie beim Verfassen von eigenen Texten und Beschreibungen von Produkten. Zudem werde die Technologie zur Bildbearbeitung genutzt, bei der Erstellung von Präsentationen und beim Schreiben von Programmiercodes für Software.
An zweiter Stelle folgt die Finanzwirtschaft mit 24 Prozent. "Künstliche Intelligenz im Bankenwesen kann in den Bereichen Risikomanagement, Identifizierung von Geldwäsche, Wertpapierhandel und bei Chatbots eingesetzt werden", so der Bundesverband deutscher Banken (BdB). Auch bei Versicherungen gehört KI laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bereits zum Alltag - besonders in der Kundenbetreuung und in der Schadensregulierung.
"Durch den Einsatz von KI-basierten Systemen können Versicherungsunternehmen Schadensfälle vor allem schneller, aber auch genauer bewerten und entschädigen", sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen gegenüber tagesschau.de. Das senke Kosten, sorge aber auch für eine effizientere Identifizierung von Betrugsfällen. Weitere Einsatzfelder sind der DIHK zufolge die Prüfung von Identitäten und die Analyse von Kennzahlen.
Bedeutung in der Industrie wächst
In der Industrie setzen 13 Prozent der Firmen bereits KI ein, 26 Prozent planen das. Laut DIHK wird die Technologie hier dafür verwendet, Anlagen zu warten und die Qualität zu sichern. Dabei geht es um Unregelmäßigkeiten in komplexen Maschinendaten und darum, automatisiert Fehler zu erkennen.
Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) verweist zudem auf Trendanalysen und die Nutzung von KI-basierten Chatprogrammen, um Bedienungsanleitungen zu formulieren. Auch bei der Wartung von Zügen komme KI bereits zum Einsatz: Durch die Auswertung von Nutzungs-, Infrastruktur-, Wetter und Verkehrsdaten sollen die Verlässlichkeit erhöht und Ausfallzeiten reduziert werden. Die Deutsche Bahn setzt auf der Grundlage von Künstlicher Intelligenz eine selbst entwickelte Software ein, um im Schienennetz Verspätungen zu begrenzen.
Welche Brötchen sind gefragt?
In der Autoindustrie spielt KI insbesondere bei autonom fahrenden Autos eine zentrale Rolle, wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) mitteilt. Komplexe KI-Systeme analysieren Sensordaten und sollen Verkehrssituationen erkennen. "Bei Fahrerassistenzsystemen wird KI beispielsweise bei adaptiver Geschwindigkeitsregelung, Spurhalteassistenten und Notbremsassistenten eingesetzt", so ein VDA-Sprecher.
Auch in der Nahrungsmittelproduktion spielt KI zunehmend eine Rolle. So können Bilderkennungs-Programme falsch gelieferte Rohstoffe erkennen. Oder Bäckereien ermitteln anhand von Kassendaten die am meisten frequentierten Zeiten und besonders nachgefragte Brötchensorten.
Wetterdaten für die Warenbestellung
Im Bau nutzen derzeit lediglich sechs Prozent der Unternehmen KI-Anwendungen. Straßenbauunternehmen setzen sie ein, um etwa das Volumen von Schüttgut-Haufen zu errechnen. Bestimmte Programme sollen dabei helfen, Bauschäden zu erfassen oder sanierungsbedürftige Dächer zu untersuchen.
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) verweist auf eine Fleischerei in Mecklenburg-Vorpommern, die mit dem Fraunhofer-Institut ein KI-basiertes Tool für die Warenbestellung entwickelt habe. Mittels moderner Software seien "die Verkaufsstatistiken vergangener Jahre mit weiteren Faktoren wie dem Wetter oder mit Feiertagen kombiniert" und dadurch die Produktion angepasst worden.
Auch im Groß- und Außenhandel "nutzen Unternehmen zunehmend die Möglichkeiten, die der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bietet", berichtet der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). Zwar stünden noch viele Firmen am Anfang. Mögliche Einsatzgebiete seien die Planung von Lagerbeständen oder die Analyse von Kaufentscheidungen.
Einsatz als Labor-Bote
An Bedeutung gewinnen könnte künftig eine neue Generation von KI-basierten Servicerobotern - etwa im Einzelhandel oder in der Gastronomie. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) verweist darauf, dass solche Roboter heute schon zur Labor-Automatisierung eingesetzt werden.
Eine Labormitarbeiterin mit einem KI-gesteuerten Roboter der Bochumer Firma United Robotics Group
So gibt es eine Bochumer Firma, die zusammen mit einem KI-Robotik-Unternehmen aus München erste Krankenhäuser mit autonomen Robotern ausstattet, die dort den Transport und das Sortieren von Blut-, Urin- oder Stuhlproben übernehmen sollen. Die Künstliche Intelligenz soll für bessere Abläufe sorgen und bei der Interaktion mit Pflegerinnen und Pflegern helfen.