Dutzende Staaten planen Ausbau Das weltweite Comeback der Atomenergie
Die Kernenergie erlebt ein überraschendes Comeback. Laut einer Studie der Internationalen Energieagentur ist das weltweite Interesse an Atomstrom so stark wie seit der Ölkrise in den 1970er-Jahren nicht mehr.
Einer Studie der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge streben derzeit mehr als 40 Länder weltweit nach einem Ausbau der Kernkraft, um den steigenden Bedarf an Elektrizität zu decken - ein Trend, der durch die zunehmende Elektrifizierung verschiedener Sektoren noch verstärkt wird.
Atomstrom-Produktion vor neuem Rekord
"Es ist heute klar, dass das starke Comeback der Kernenergie (…) in vollem Gange ist und die Kernkraft voraussichtlich im Jahr 2025 ein Rekordniveau an Strom erzeugen wird", sagte IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol. Darüber hinaus seien weltweit mehr als 70 Gigawatt neue Kernenergiekapazität im Bau, und mehr als 40 Länder auf der ganzen Welt hätten Pläne, die Rolle der Kernenergie in ihren Energiesystemen auszubauen.
Dies ist nicht nur auf den erhöhten Bedarf klassischer Sektoren wie der Industrie, sondern auch auf die verstärkte Nachfrage in Bereichen wie Elektroautos, Datenzentren und der Nutzung Künstlicher Intelligenz zurückzuführen, die allesamt erhebliche Mengen an Strom benötigen.
Rund zehn Prozent der Stromversorgung
Insgesamt trägt die weltweite Flotte von fast 420 Kernkraftreaktoren derzeit mit knapp zehn Prozent zur globalen Stromversorgung bei und ist nach der Wasserkraft die zweitgrößte Quelle für emissionsarme Energie. Obwohl einige Länder ihre Kernkraftwerke stillgelegt oder den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen haben, wächst die Stromerzeugung aus Atomkraftwerken global betrachtet weiter.
Besonders in Asien und Europa wird laut der IEA auf den Ausbau gesetzt: In Japan werde die Produktion wieder aufgenommen, Frankreich habe Wartungsarbeiten an seinen Anlagen abgeschlossen, und neue Reaktoren in China, Indien, Südkorea und Teilen Europas gingen in Betrieb.
Neue Abhängigkeit von Russland und China?
Der Ausbau der Kernenergie bedeutet gleichzeitig neue Schwierigkeiten und Gefahren. Die IEA weist darauf hin, dass die weltweite Erweiterung der Kernkraftflotte vor allem auf Technologien aus China und Russland angewiesen ist, was langfristig Risiken in Bezug auf politische und wirtschaftliche Abhängigkeiten mit sich bringen könnte.
Zudem kämpften traditionelle Atomstromländer wie die USA und Frankreich mit Verzögerungen und steigenden Kosten bei der Modernisierung ihrer bestehenden Kernkraftwerke.
Finanzierung und private Investitionen
Entscheidend im Hinblick auf den zukünftigen Ausbau der Kernenergie ist aber auch die Finanzierung. Traditionell wurde die Kernkraftentwicklung in der Vergangenheit vor allem von staatlichen Geldern getragen.
Doch für einen schnellen Ausbau sind laut der IEA auch private Investoren nötig. Ein schneller Ausbau bedeute, dass sich die Investitionen in Kernkraft bis 2030 weltweit auf rund 117 Milliarden Euro verdoppeln müssten.
Deutschland 2023 ausgestiegen
Unlängst hatte Tech-Milliardär Elon Musk hat Deutschland geraten, zur Atomkraft zurückzukehren und Nuklearenergie deutlich auszubauen. "Ich denke, dass es richtig ist, den Anteil der Kernenergie in Deutschland deutlich zu erhöhen. Das wäre großartig", sagte Musk in einem öffentlichen Online-Gespräch mit AfD-Chefin Alice Weidel auf seiner Plattform X.
Deutschland war Mitte April 2023 aus der Nutzung von Kernenergie ausgestiegen. Die letzten drei Meiler wurden endgültig abgeschaltet. Davor hatte die Bundesregierung aufgrund der Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine entschieden, die Meiler noch für ein paar Monate länger laufen zu lassen. Ursprünglich sollte der Atomausstieg bereits zum 31. Dezember 2022 vollzogen sein.