Pläne für Digitalsteuer EU legt sich mit Apple, Google & Co. an
Nach langer Diskussion präsentiert die EU-Kommission Pläne zur Besteuerung von Internetkonzernen. Künftig sollen sie dort zahlen, wo sie präsent sind - und nicht, wo es am günstigsten ist. Ist das praktikabel?
Es ist ein Rennen um Glaubwürdigkeit und viel Geld, Unternehmen wie Apple oder Facebook, Google oder Amazon suchen sich aus, wo sie am wenigsten Steuern zahlen. Nach dem Willen der EU-Kommission sollen sie nun auch dort Steuern zahlen, wo ihre Produkte gekauft werden und die Milliardengewinne erwirtschaftet werden.
Man stelle sich vor, ein eher kleiner Staat kann 13 Milliarden Euro Steuern von einem bekannten multinationalen Unternehmen einnehmen. Die Regierung könnte vieles davon finanzieren, was den Bürgern des Staates nutzt, zum Beispiel das Kindergeld erhöhen, benachteiligte Menschen besser unterstützen oder einfach den Steuersatz der Bürger senken. Statt aber dieses Geld tatsächlich einzunehmen, will die Regierung die Milliarden aber gar nicht. Gibt es nicht? Doch.
Erfolgreiche Unternehmen, die kaum noch Steuern zahlen - vielen "normalen" Steuerzahlern treibt das den Zorn ins Gesicht. Spätestens seit durch die Luxemburg-Leaks oder den Panama Papers klar wurde, wie viel Konzerne betreiben, um möglichst wenig Steuern zu zahlen. Seit vier Jahren nun arbeiten internationale Organisationen und Regierungen daran, solche Fälle zu verhindern. Wer aber die wirklichen Schufte in diesem Spiel sind, ist nicht immer ganz klar.
Apple und Co.?
Die Geschichte oben ist nicht erfunden. 13 Milliarden Euro sollte Apple an Irland zurückzahlen. Die EU-Kommission hatte errechnet, dass Apple im Jahr 2014 lediglich 0,005 Prozent Steuern gezahlt hat. Irland ist eine Steueroase in Europa und bei weitem nicht die einzige, aber Irland steht dazu und geht zusammen mit dem Unternehmen gegen die Forderungen der EU-Kommission vor. Man sei nicht der globale Steuereintreiber für andere, so die Meinung der irischen Regierung.
Mit Ballons in Form des Apple-Logos demonstrierten in Irland Menschen dafür, dass der Staat die EU-Entscheidung zur Steuernachzahlung akzeptiert - und damit die 13 Milliarden Euro von Apple.
5500 Mitarbeiter beschäftigt Apple in Irland und bündelt dort seine in Europa erzielten Gewinne. Viele andere große Konzerne machen es ähnlich. Für die Steuergesetzgebung sind die Mitgliedsstaaten der EU selbst verantwortlich. Wettbewerbsfragen sind EU-Kompetenz. Was aber wenn der Wettbewerb in Europa durch Steuersätze beeinträchtigt ist?
Irland, Luxemburg, Niederlande?
Mit die größten Steuerparadiese liegen ausgerechnet in der EU. Kommissionschef Jean-Claude Juncker dürfte, als er noch Ministerpräsident und Finanzminister Luxemburgs war, viel über Steuerschlupflöcher gewusst haben. Der kürzlich verstorbene Ikea-Gründer Ingvar Kamprad meinte, Steuern seien für ihn ein Kostenfaktor im Unternehmen und Kosten müssten so niedrig wie möglich gehalten werden. Folglich verlegte er den Unternehmenssitz und nutzte die Gesetzgebung in den Niederlanden und Luxemburg, und wohnte in der Schweiz.
Ist es ihm zu verübeln, wenn er steuerlich die für sein Unternehmen beste Variante wählt? Vor allem kleine Länder, die im Wettbewerb mit wirtschaftlichen Riesen stehen, wollen gute Standortbedingungen. Denn das Modell kann funktionieren. Irland ist deutlich besser aus der Finanzkrise heraus gekommen, steht nicht mehr unter dem "Rettungsschirm" der EU und ist dafür von den anderen EU-Mitgliedsstaaten gelobt worden. Für ihr Steuermodell aber ernten sie Kritik.
EU-Kommissionschef Juncker war als Ministerpräsident und Finanzminister Luxemburgs selbst für manche Steuerschlupflöcher verantwortlich.
Warum "Internetkonzerne"?
Ein Papier der EU-Kommission sieht vor, dass große Internetkonzerne in Europa mit einem weltweiten Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro sowie einem Online-Umsatz von 50 Millionen Euro innerhalb der EU drei Prozent Steuern zahlen. Eine Besteuerung soll auch dort stattfinden, wo die Werte geschaffen werden. Umsätze aus dem Verkauf von Nutzerdaten an Werbetreibende und aus Geschäften, die über Plattformen abgewickelt werden, sollen mit drei Prozent belastet werden.
Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion, begrüßt den Plan: "Das europäische Steuerrecht muss endlich im 21. Jahrhundert ankommen. Solange sich die Staaten der G20 nicht auf eine weltweite Besteuerung für Digitalkonzerne einigen können, muss die Europäische Union vorangehen und Google und Co. zur Kasse bitten. Internetfirmen dürfen nicht länger von steuerlichen Freifahrtscheinen profitieren. Auch Digitalunternehmen wie Facebook müssen ihre soziale Verantwortung in der realen Welt übernehmen." Der steuerpolitische Sprecher der FDP im Europaparlament dagegen meint, der Vorschlag bediene lediglich populistische Instinkte.
Die "Big 4", also Apple, Facebook, Google und Amazon, werden immer genannt, wenn es um die große Steuervermeidung geht. Allein Apple soll durch aggressive Steuermodelle 252 Milliarden Gewinne in aller Welt verteilt haben, so ganz genau weiß das niemand. Den Steuerbehörden gehen weltweit laut Schätzungen bei der Besteuerung von Unternehmen 100 bis 240 Milliarden US-Dollar verloren, pro Jahr.
Apple und Co. nutzen die fehlende Transparenz und Koordination der nationalen Steuersysteme und verlagern Gewinne dorthin, wo sie nur wenig Steuern zahlen müssen. Diese "Verkürzung und Verlagerung von Gewinnen" ist auch als "Base Erosion and Profit Shifting" BEPS, bekannt. Die Taktik ist nicht strafbar, untergräbt jedoch das Vertrauen in Steuergerechtigkeit und verzerrt den Wettbewerb zwischen Unternehmen sowie zwischen verschiedenen Volkswirtschaften.
Praktikabel?
Beim Verkauf von konkreten Produkten wie denen von Apple ist eine Umsatzbesteuerung noch vorstellbar, aber wie soll das bei Google funktionieren, wo die Nutzer meist etwas suchen? Oder bei Facebook - sollen da Nutzerdaten ausgewertet werden? Und was sagen später Datenschützer? Die Antworten darauf sind noch relativ vage. Zudem überlegen die Unternehmen bereits, wie sie einer solchen Gesetzgebung entgehen.
Die EU-Mitglieder müssen dem Vorschlag noch zustimmen. Der Plan würde am besten funktionieren, wenn er weltweit angewandt würde, was aber kaum zu erwarten ist. Die Wirtschaft warnt schon jetzt vor dem enormen Aufwand. Und dann ist da noch US-Präsident Donald Trump. Es wäre kaum überraschend, wenn eine solche Steuer in Europa wieder einmal als Angriff auf amerikanische Unternehmen betrachtet würde.