Börsenkurse auf einem Smartphone und ausgedruckten Papieren.

Misstrauen gegen Indexfonds Die fünf größten Kritikpunkte an ETF

Stand: 04.09.2024 09:18 Uhr

Trotz ihrer vergleichsweise einfachen und sicheren Handhabe blicken viele Menschen weiterhin skeptisch auf ETF. Ein paar der Kritikpunkte halten sich besonders hartnäckig - zurecht?

Von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion

Immer wieder gibt es Kritik an Exchange Traded Funds (ETF). Häufig kommt diese Experten zufolge aber aus Kreisen der aktiven Fondsmanager oder Bankberater. "Ich hatte noch nicht einen Verbraucher in der Beratung, dem aktiv von Seiten der Bank ein ETF angeboten wurde", sagt etwa Christoph Hommel von der Verbraucherzentrale NRW im Podcast "Gold & Asche: Projekt ETF". Eine Bank habe aber auch nicht die Funktion, die Leute gut zu beraten, sondern ihren Gewinn zu maximieren. "Und den Gewinn maximiere ich nicht, indem ich ETF verkaufe. Das muss ganz klar sein."

An ETF verdienen Geldhäuser fast nichts, weshalb sie keinen Grund haben, sie anzubieten. Nichtsdestotrotz kann die Kritik natürlich korrekt sein. Außerdem kommt sie nicht nur ausschließlich von Banken und Fondsmanagern, sondern auch einige Privatleute sind skeptisch. Was ist also dran an den meistverbreiteten Kritikpunkten?

Gold und Asche
Podcast "Gold & Asche: Projekt ETF"

In der zweiten Staffel von "Gold & Asche" der ARD-Finanzredaktion wird in sechs Folgen Schritt für Schritt das Wichtigste bei der Geldanlage mit ETFs beleuchtet - mit Hintergründen und Expertenwissen. Zu hören in der ARD-Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt. Die einzelnen Episoden finden Sie hier.

Folge 1: Warum eigentlich ETFs? (14. August)
Folge 2: Welche ETFs gibt es? (21. August)
Folge 3: Maschinenraum ETF (28. August)
Folge 4: Risiken und Kritik an ETFs (4. September)
Folge 5: Wie finde ich das richtige Depot (11. September)
Folge 6: Wie baue ich mein ETF-Portfolio auf? (18. September)

Investieren mit ETF bringt maximal die Marktrendite und nicht mehr

Da muss man ehrlicherweise sagen: Das ist vollkommen richtig. Allerdings schlagen auch konventionelle, also aktiv gemanagte Fonds eigentlich nie den Markt. Eher im Gegenteil. Verständlicherweise ist es für viele Anlegerinnen und Anleger verlockend, besser als der Durchschnitt zu sein. Gleichzeitig schafft die Finanzindustrie es auch immer wieder, spannende Storys zu platzieren - zum Beispiel mit spezialisierten Fonds, die oft höhere Gebühren haben als ETF.

Hendrik Buhrs von Finanztip bringt es auf den Punkt: "Durchschnitt klingt immer so langweilig oder so plump, aber wir reden über einen Durchschnitt, über einen Trend, der nach oben zeigt." Über die vergangenen Jahrzehnte hätten Investoren mit einem weltweiten Aktienkorb wie dem MSCI World jährliche Renditen von sieben, acht oder sogar neun Prozent erzielt. "Das ist alles andere als wenig", meint der Experte.

Natürlich ist es daneben auch möglich, auf eigene Faust - also ohne Fondsmanager oder ETF - Wertpapiere auszusuchen und so den Markt zu schlagen. Aber das bleibt in den meisten Fällen nur ein Traum. Denn das klappt eigentlich so gut wie nie. Das berühmte Bogle-Zitat "Suche nicht die Nadel im Heuhaufen, kaufe einfach den Heuhaufen!" passt an der Stelle ganz gut. Ein großes Problem des "Stock Pickings", also unter- oder überbewertete Aktien zu finden, ist es zudem, sich zu sehr von Emotionen leiten zu lassen.

Voraussetzung für passives Investieren ist, dass nicht jeder passiv investiert

Ein weiterer großer Kritikpunkt an den ETF lautet: Nicht alle dürfen passiv investieren. Wenn das passiert und alle Anleger nur noch passive Indexfonds halten würden, würde das System kippen. Dann würden alle Aktien nur noch gemeinsam steigen und fallen - im Gleichschritt. Aktive Investoren spielen dementsprechend eine wichtige Rolle bei der Preisfindung, da sie durch ihre Käufe und Verkäufe auf Marktinformationen reagieren und die Nachfrage steuern. Ohne sie könnte der Markt die Fähigkeit verlieren, korrekte Preise für die Wertpapiere zu finden.

Wenn alle nur noch einen Index kaufen würden, analysiert keiner mehr Unternehmen, und die Kurse spiegeln nicht mehr die Geschäftsentwicklung von Firmen wider. Die Kurse würden sich dann nur noch bewegen, weil gekauft oder verkauft wird. Finanztest-Expertin Karin Baur hält dieses Szenario aber für nicht realistisch: "Sobald es in die Richtung käme, würden ja gewitzte Investoren sehen, dass sie da jetzt gute Chancen haben, eben diese unterbewerteten Aktien zu finden oder die überbewerteten halt zu verkaufen."

Nochmal anders gesagt: Wenn es nur noch ETF geben würde, wäre es wieder lohnenswert, Einzelaktien zu kaufen, weil "gute" Unternehmen dann sehr günstig wären. Außerdem schauen genügend Anlegerinnen und Anleger auch weiterhin auf wirtschaftliche Kennzahlen oder Bewertungen von Unternehmen, um so den Markt zu schlagen. Dazu kommt, dass das Problem erst ab einem Marktanteil der ETF von über 90 Prozent am gesamten Kapitalmarkt droht. Aktuell steckt der Großteil des Geldes am Aktienmarkt noch immer in Einzelaktien.

ETF können bei Verlusten nicht gegensteuern

Aktive Fondsmanager können Verluste im Crash dämpfen, während ein ETF schlicht dem Index nach unten folgt. So lautet der nächste große Kritikpunkt. Auch das ist grundsätzlich nicht falsch, der relative Vorteil von ETF gegenüber aktiv gemanagten Fonds ist in schlechten Phasen geringer. "In der Theorie ist es tatsächlich so, dass aktive Manager die Möglichkeit haben, besser durch einen Crash zu kommen, indem sie rechtzeitig die Aktien verkaufen, bevor es crasht, und das Geld erstmal parken", erklärt Baur.

Die Praxis habe allerdings gezeigt, dass sie es erstens in vielen Fällen nicht schaffen und zweitens nicht wieder rechtzeitig eingestiegen sind. Aus diesem Grund haben ETF statistisch gesehen langfristig trotzdem meist eine bessere Renditeentwicklung.

ETF sind Crash-Verstärker

Ansonsten wird bei den Indexfonds auch immer wieder das Herdenverhalten kritisiert. Das geht in eine ähnliche Richtung wie der Kritikpunkt zuvor. Es heißt nämlich oft: Das Risiko an den Kapitalmärkten erhöht sich durch ETF, weil diese sehr liquide sind, also häufig gehandelt werden. Wenn es starke Schwankungen gibt und die Anleger aus Panik ihre Anteile verkaufen, müssen ETF-Anbieter die Aktien unverzüglich verkaufen - unabhängig vom Preis. ETF werden daher als Crash-Verstärker kritisiert.

Mit dem Thema hat sich auch der Internationale Währungsfonds beschäftigt. Er sieht jedoch keine Anhaltspunkte, dass sich ETF beim Herdenverhalten von aktiven Fonds unterscheiden. Auch die Deutsche Bundesbank hat sich im Oktober 2018 damit befasst und verschiedene kurzzeitige heftige Kurseinbrüche an den Börsen analysiert. ETF hätten zwar teils stärker an Wert verloren als ihre Aktien, doch "der Markt für ETF scheint [...] nicht Auslöser der jeweiligen Entwicklungen gewesen zu sein". Außerdem bestehen Schutzvorkehrungen wie die Möglichkeit, den Börsenhandel auszusetzen.

Dazu kommt, dass die These oft einem Denkfehler folgt: Einige Anlegerinnen und Anleger nehmen an, dass ETF-Anbieter in Aktien investieren, wenn die Kurse steigen, und sie wieder verkaufen, wenn die Kurse fallen. Die Firmen kaufen aber nur dann Aktien, wenn Investoren neues Geld einzahlen und verkaufen sie nur, wenn Anleger ihre Anteile zurückgeben. Der Wert der ETF-Anteile orientiert sich am Preis der im Index enthaltenen Wertpapiere.

ETF sind nicht immer gleich ETF

Das stimmt. Grundsätzlich gelten ETF zwar als eines der sichersten Produkte am Finanzmarkt, die es gibt - auch wegen der strikten Regulierung. Trotzdem: Schwarze Schafe gibt es überall. So warnen die Verbraucherzentralen zum Beispiel vor Versicherungsvertretern, sogenannten unabhängigen Finanzberatern oder auch Honorarberatern, die immer häufiger ETF nutzen, um eigentlich zu teure oder zu riskante Produkte zu verkaufen. Denn ETF sind tatsächlich nicht immer gleich ETF.

Dabei gibt es unterschiedliche Maschen: Gebühren an Finanzberater für die Vermittlung einer Rentenversicherung zum Beispiel, bei der die Beiträge in ETF investiert werden. Oder Indizes, die eigens von Versicherungsvermittlern kreiert wurden, in Wirklichkeit aber fragwürdige Anlagestrategien mit hohen Gebühren und Verwaltungskosten verfolgen. Verbraucherschützer Christoph Hommel hat einen wichtigen Tipp. "Mein Ansatz ist immer: Erstelle einen Sparplan, investiere direkt in die ETF und schalte niemanden dazwischen, der noch Geld an dir verdient. Wenn du was versichern musst, dann schließe eine Versicherung ab, aber bitte spare kein Geld bei einer Versicherung."

Das Problem ist, dass der Begriff ETF rechtlich nicht geschützt ist und daher frei verwendet werden kann. Was sich Verbraucherinnen und Verbraucher aber merken können: Ein ETF mit extrem hohen Kosten wird nach zehn Jahren nicht die beste Rendite haben. "Also suche ich mir den raus, der sich nach zehn Jahren am besten entwickelt hat, weil der dann anscheinend auch die geringsten Kosten hat", so Hommel. Ein weiteres Kriterium, wie zum Beispiel sogenannte aktiv gemanagte ETF ausgeschlossen werden können, ist die Kennzeichnung. Echte ETF können an ihrem Status als UCITS-Fonds erkannt werden. UCITS-Fonds haben strenge rechtliche Auflagen und werden reguliert.