Schatten von Passanten vor der Fassade der new York Stock Exchange
marktbericht

Nach Fed-Protokollen US-Anleger halten ihr Pulver trocken

Stand: 05.07.2023 22:16 Uhr

Sorgen um das Verhältnis zu China, aber auch die Aussicht auf weitere Zinserhöhungen bescherten der Wall Street heute Verluste. Auch der DAX hatte zuvor schon nachgegeben.

Nach einem über weite Strecken richtungslosen Handelsverlauf haben die US-Aktienmärkte leichter geschlossen. Vor allem nach der Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle der letzten Zinssitzung der Notenbank Federal Reserve (Fed), den sogenannten "Minutes" verstärkten sich die Abgaben, blieben aber insgesamt im Rahmen. Zuvor hatten schon Sorgen um den jüngsten Handelskonflikt mit China um wichtige "Seltene Erden"-Rohstoffe für gedämpfte Stimmung gesorgt. Das Thema hatte heute auch schon den europäischen und asiatischen Handel gedämpft.

Am Ende schloss der Leitindex Dow Jones bei 34.288 Punkten um 0,38 Prozent schwächer. Auch der marktbreite S&P-500-Index gab moderat um 0,2 Prozent nach. Besser hielt sich die Technologiebörse Nasdaq, die den ganzen Tag mit ihren Schlusskursen gerungen hatte und am Ende 0,18 Prozent abgab. Der Auswahlindex Nasdaq 100 schaffte sogar fast noch einen leichten Gewinn, am Ende ging er nahezu unverändert bei 15.203 Punkten um knapp fünf Zähler niedriger aus dem Handel. Er profitierte von einigen erfreulichen Unternehmensnachrichten aus der Technologiebranche sowie von dem Umstand, dass Tech-Schwergewichte wie Meta und Nvidia Negativ-Schlagzeilen trotzten.

Aus den gut zwei Stunden vor Handelsschluss veröffentlichten Sitzungsprotokollen der jüngsten Zinssitzung der Notenbank Federal Reserve (Fed) vom 14. Juni ging hervor, dass die Bank nach der Zinspause Mitte Juni erneute Leitzinserhöhungen ins Visier nimmt. "Fast alle" Mitglieder im geldpolitischen Ausschuss würden weitere Anhebungen im Jahr 2023 erwarten, heißt es in dem am Abend veröffentlichten Protokoll (Minutes). Schon damals hätten einige Mitglieder eine weitere Erhöhung befürwortet, sich dann jedoch der Mehrheitsmeinung für eine Pause angeschlossen.

Zuletzt waren immer wieder Sorgen aufgekommen, dass die Fed mit ihrem rigiden Zinskurs beim Kampf gegen die Inflation Gefahr läuft, die Konjunktur abzuwürgen. Diese Ängste stehen über fast jeder neuen Konjunkturzahl, die derzeit im späten Zinszyklus in den Vereinigten Staaten veröffentlicht wird. Unter anderem müssen die Märkte sich im weiteren Wochenverlauf mit dem ISM-Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor und den aktuellen Arbeitsmarktdaten auseinandersetzen.

Am Markt wird im Juli wieder mit einer weiteren Erhöhung des Leitzinses gerechnet. Die nächste Sitzung des Offenmarktausschusses der Fed zur Festlegung der Zinssätze ist für den 25. und 26. Juli angesetzt.

Im Streit mit China blicken die Anleger derweil nach vorne. Viel werde nun davon abhängen, "ob Finanzministerin und Ex-Notenbankchefin Janet Yellen in der Lage sein wird, die zunehmend problematischen Handelsgewässer zwischen den USA und China zu beruhigen", so die Marktbeobachterin Susannah Streeter vom Vermögensverwalter Hargreaves Landsdown. Wenn Yellen am Donnerstag in Peking zu Gesprächen erscheine, könnte sich dies aber auch als Wunschdenken herausstellen, schränkte die Expertin ein.

Neben den Minutes am Abend standen unter den Einzelwerten Chip-Aktien im Fokus - nach der Ankündigung Chinas, den Export seltener Erden wie Gallium und Germanium zu beschränken. Die Rohstoffe sind für die Chipindustrie als Vorprodukte unerlässlich. Von anfänglich schwächeren Indikationen haben sich die Aktien aber im Verlauf etwas erholt, ohne zu überzeugen.

Meta-Aktien sorgten ebenfalls für Gesprächsstoff. Die Papiere der Facebook-Mutter legten an der Nasdaq deutlich um 2,9 Prozent zu. Denn Elon Musks Kurznachrichtendienst Twitter bekommt am Donnerstag seinen potenziell stärksten Konkurrenten. Der Facebook-Konzern Meta bringt die App Threads mit ähnlicher Funktionsweise heraus. Der Start in den USA steht fest, wie schnell Threads auch in die Europäische Union kommen könnte, blieb zunächst noch unklar. Der Konzern verweist auf noch offene regulatorische Fragen.

Threads ist an Metas populäre Foto- und Video-App Instagram angebunden. Das ist ein Startvorteil: Der Konzern kann für seine Twitter-Kopie von Anfang an auf bereits bestehende Verbindungen zwischen Hunderten Millionen Nutzern zurückgreifen. Bei anderen Twitter-Konkurrenten wie Bluesky oder T2 müssen solche Verknüpfungen erst neu entstehen. Twitter kämpft seit der Übernahme durch Tech-Milliardär Elon Musk mit Problemen. Unter anderem brachen die Werbeeinnahmen ein, mit denen sich der Kurznachrichtendienst bisher finanziert.

China-Sorgen haben heute auch das Geschehen an der Frankfurter Börse bestimmt. Sie sorgten dafür, dass der deutsche Leitindex DAX im Minus lag und wieder unter die Marke von 16.000 Punkten fiel. Der Index schloss letztlich bei 15.937 Punkten um 0,63 Prozent leichter. Das Tagestief lag bei 15.901, das Tageshoch bei 15.982 Zählern.

Der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, stand unter noch größerem Abgabedruck und büßte am Ende 1,4 Prozent auf 27.432 Punkte ein.

Die Stimmung trübten unter anderem maue Wirtschaftsdaten aus China, wo der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor im Juni zurückging. Damit entwickelte er sich so schwach wie seit Januar nicht mehr.

"Da die Aussicht auf eine höhere Nachfrage aus der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt schwindet, ist es nicht verwunderlich, dass der Appetit auf Aktien nachlässt", sagte Pierre Veyret, Stratege vom Handelshaus ActivTrades. Auch die Geschäftstätigkeit in der Euro-Zone gab im vergangenen Monat stärker nach als erwartet.

Zudem bleibt der Handelsstreit mit China ein Thema - dieses Mal wegen der Entscheidung Chinas, den Export seltener Metalle einzuschränken, nachdem es am Vortag in Medienberichten hieß, die USA wollten den Zugang Chinas zu Cloud-Diensten einschränken.

Update Wirtschaft vom 05.07.2023

Antje Erhard, HR, tagesschau24

Die europäische Gemeinschaftswährung notierte zuletzt im US-Handel bei 1,0854 Dollar wieder deutlicher unter der Marke von 1,09 Dollar und damit etwas tiefer. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0879 (Dienstag: 1,0895) Dollar fest. Die Ölpreise tendierten besser. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im September kostete rund ein Prozent mehr.

"Der Markt wird sich wahrscheinlich noch einige Zeit hin und her bewegen", sagte Volkswirt Tomomichi Akuta vom Consulting-Unternehmen Mitsubishi UFJ. Entscheidend für die weitere Entwicklung seien dabei vor allem Konjunkturdaten aus China und der weitere geldpolitische Kurs der größten Notenbanken.

Zur Wochenmitte blickten die Marktteilnehmer gespannt nach Wien. Dort findet eine große Tagung des Ölkartells OPEC statt. Saudi-Arabien hatte zu Wochenbeginn seine jüngste Förderkürzung verlängert, Russland hatte zusätzliche Einschnitte verkündet. Die beiden Länder führen den großen Ölverbund OPEC+ an, der aus mehr als zwanzig Ländern besteht.

Unterdessen haben die Vereinigten Arabischen Emirate deutlich gemacht, dass sie eine Kürzung der Fördermenge zum jetzigen Zeitpunkt nicht befürworten. Die Emirate täten "genug", um zur gedrosselten Fördermenge der OPEC+ beizutragen, sagte der Energieminister des Landes, Suhail Al Mazrouei, in Wien vor Reportern.

Die Auftragseingänge der US-Industrie sind weniger deutlich als erwartet gestiegen. Im Mai habe es 0,3 Prozent mehr Bestellungen gegeben als im Vormonat, teilte das US-Handelsministerium heute in Washington mit. Analysten hatten im Schnitt einen Anstieg um 0,8 Prozent erwartet. Zudem waren die Bestellungen im April weniger geklettert als zunächst ermittelt. Ohne Transportgüter wie Flugzeuge gaben die Aufträge im Mai um 0,5 Prozent nach.

Die Aufträge für langlebige Güter stiegen im Mai laut einer zweiten Schätzung zum Vormonat um 1,8 Prozent. In einer ersten Schätzung waren noch 1,7 Prozent ermittelt worden. Ohne Transportgüter stiegen die Bestellungen um 0,7 Prozent. Bei langlebigen Gütern handelt sich auch um industriell gefertigte Waren, die aber längerfristig genutzt werden.

Trotz einer etwas besseren fundamentalen Einschätzung durch die Experten von Jeffries standen Siemens Energy am DAX-Ende und verloren deutlich rund 5,0 Prozent. Immer noch leidet das Papier unter der jüngsten Gewinnwarnung wegen Qualitätsproblemen der spanischen Windradtochter Gamesa.

Jefferies hat nun das Kursziel für die Aktie aber von 16,50 auf 17 Euro angehoben und die Einstufung auf "Hold" belassen. Analyst Simon Toennessen ist optimistischer für das Geschäft der Münchner abseits des Windenergiebereichs. Deshalb stockte er heute in seinem Ausblick auf den Quartalsbericht seine Schätzungen auf. Im Segment "Grid Tech" mit Stromübertragung und Energiespeicherung liegt er laut eigenen Angaben 30 Prozent über dem Konsens.

Die Continental-Aktie war dagegen nach einem Analysten-Kommentar DAX-Spitzenreiter. Die französische Investmentbank Exane BNP Paribas hat Continental von "Neutral" auf "Outperform" hochgestuft und das Kursziel von 75 auf 90 Euro angehoben. Die Sterne stünden wieder gut für den Autozulieferer, der vor langer Zeit noch als Pflicht-Investment für Automobilkenner gegolten habe, schrieb Analyst Giulio Pescatore in einer Studie.

Die Stimmung in der Branche ist durchwachsen. Die deutschen Hersteller bewerten laut dem ifo-Institut ihre Geschäftsaussichten so negativ wie seit der weltweiten Finanzkrise 2008 nicht mehr. Der entsprechende Indikator brach im Juni auf minus 56,9 Punkte ein nach minus 10,3 Zählern im Mai. Das ist bereits der fünfte Rückgang in Folge. Die aktuelle Geschäftslage der Branche wurde dagegen besser bewertet: Dieses Barometer legte auf 37,5 Punkte zu, nachdem es im Mai noch bei 28,4 Zählern gelegen hatte.

Derweil wurden im ersten Halbjahr 2023 etwas mehr als 220.000 reine Elektroautos neu zugelassen - und damit 31,7 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, wie das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) heute mitteilte. Ihr Anteil an allen Auto-Neuzulassungen liegt bei rund 16 Prozent - nach 13,5 Prozent im Vorjahreszeitraum. Insgesamt behaupteten aber die Benzin-Fahrzeuge ihre dominierende Marktstellung.

Der Autobauer Volkswagen hat beim US-Absatz etwas nachgelassen. Im zweiten Quartal seien 76.934 Fahrzeuge der Marke VW ausgeliefert worden, teilte das Unternehmen heute mit. Das waren 1,7 Prozent weniger als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Seit Jahresbeginn hat Volkswagen hingegen 1,1 Prozent mehr Autos verkauft.

Ein Auftrag seiner US-Tochter trieb die Aktien des Wirkstoffforschers Evotec im MDAX deutlich an. Just Evotec Biologics soll für das US-Verteidigungsministerium auf monoklonalen Antikörpern bestehende Arzneien gegen bestimmte Pockenviren entwickeln. Dafür sollen bis zu 74 Millionen Dollar fließen. Für Evotec ist dies zugleich ein wichtiger Auftrag für die noch recht junge Produktionsanlage in den USA. Anfänglich hatte es dort noch an der Auslastung gehapert, doch inzwischen gewinnt das Unternehmen nach eigenen Angaben mehr Kunden.

Der erste Börsengang in Deutschland seit fünf Monaten ist unter Dach und Fach. Die Aktien der Thyssenkrupp-Wasserstofftochter Nucera werden zu je 20 Euro ausgegeben, wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte. Thyssenkrupp Nucera wird damit mit 2,53 Milliarden Euro bewertet.

Das Emissionsvolumen beläuft sich auf 605 Millionen Euro, 526 Millionen Euro davon fließen Thyssenkrupp Nucera zu. Das Unternehmen will das Geld vor allen in den Ausbau des Elektrolyse-Geschäfts stecken. Die Erstnotiz an der Frankfurter Börse ist für Freitag (7. Juli) geplant.

Die beiden Nucera-Aktionäre Thyssenkrupp und De Nora begnügen sich mit zusammen 79 Millionen Euro. Der Essener Industriekonzern lässt seine Beteiligung von 66 auf 50,2 Prozent abschmelzen, 24 Prozent der Aktien sind nach dem Börsengang im Streubesitz. Ein Viertel davon liegt künftig beim saudi-arabischen Staatsfonds PIF, der ebenso als Ankerinvestor auftrat wie ein Nachhaltigkeitsfonds der französischen Bank BNP Paribas, der 85 Millionen Euro beisteuert.

Das IT-Leasing-Unternehmen Grenke ist im zweiten Quartal weiter gewachsen. Das Leasing-Neugeschäft stieg um 10,7 Prozent auf 650,3 Millionen Euro. Der Deckungsbeitrag 2, eine wichtige Ergebnisgröße in der Branche, wuchs um 17,7 Prozent auf 109,7 Millionen Euro. Vor allem das Leasingeschäft in Nord- und Osteuropa wuchs laut Grenke stark. Zudem sei die Nachfrage nach Leasing von E-Bikes weiterhin gut. Im zweiten Quartal seien hier rund 15.000 Verträge abgeschlossen worden nach 10.000 im Vorjahresquartal.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 05. Juli 2023 um 09:00 Uhr.