Kurse auf Talfahrt Gegenwind für die Wall Street
Verschärfte Zinssorgen, aber auch bange Blicke in Richtung des Bankensektors haben den US-Anlegern die Stimmung verhagelt. Die großen Aktienindizes gaben allesamt nach, auch der DAX rutschte ab.
Mit Verlusten sind die großen US-Aktienindizes heute aus dem Handel gegangen. Dabei weiteten sie ihre Verluste im späten Geschäft noch aus. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte rutschte unter die Marke von 35.000 Punkten. Er schloss bei 34.946 Punkten um gut 1,0 Prozent schwächer. Der breiter gefasste S&P 500 rutschte ähnlich stark um 1,1 Prozent auf 4437 Zähler ab.
Der Index der Technologiebörse Nasdaq fiel ebenfalls 1,1 Prozent, in gleicher Größenordnung verlor der Auswahlindex Nasdaq 100. Am Vortag hatten vor allem Chipaktien die Nasdaq gestützt, Indexschwergewicht Nvidia war in einer technischen Gegenbewegung um sieben Prozent gestiegen. Auch heute hielt sich die Aktie gegen den Trend besser und legte leicht zu, den ganzen Markt konnte sie aber nicht mehr retten.
Derweil bleiben die US-Verbraucher weiter spendierfreudig. Die im Vorfeld mit Spannung erwarteten Erlöse der Einzelhändler nahmen im Juli 0,7 Prozent zum Vormonat zu, wie das US-Handelsministerium heute vor Börsenbeginn in New York mitteilte. Befragte Experten hatten hingegen nur ein Plus von 0,4 Prozent erwartet.
Der private Konsum ist das wichtigste Rückgrat der US-Volkswirtschaft. "Die US-Konsumenten zeigen weiterhin Durchhaltevermögen", erklärte Volkswirt Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Das Rezessionsszenario könne wohl langsam eingemottet werden. "Eine sanfte Landung der US-Wirtschaft zeichnet sich immer mehr ab", fügte er hinzu.
Ein gesundes Konsumumfeld könnte einerseits die US-Wirtschaft vor einer harten Landung bewahren, andererseits könnte bei einer allzu robusten Tendenz die US-Notenbank Fed die hohen Zinsen noch länger oben lassen, erläuterte Analyst Edward Moya vom Broker Oanda.
Derzeit stehen US-Konjunkturdaten wegen möglicher Auswirkungen auf die Geldpolitik der Notenbank Federal Reserve (Fed) stark im Fokus der Finanzmärkte. Die US-Notenbank hatte nach der Zinserhöhung im Juli offengelassen, wie die Zinsentscheidungen in den kommenden Monaten ausfallen werden.
Auf die Stimmung drückte zudem die Aussicht auf eine mögliche Herabstufung einiger US-Großbanken durch die Ratingagentur Fitch. Die Anteilsscheine von JP Morgan, Bank of America, Citigroup, Goldman Sachs und Wells Fargo gaben unisono nach. Die Ratingagentur könnte ihre Bewertung der Geldhäuser senken, falls sie ihre Einschätzung für das Umfeld des US-Bankensektors weiter nach unten korrigieren müsse, sagte Fitch-Analyst Chris Wolfe dem US-Sender CNBC.
"Die Geschichte von Fitch über mögliche Herabstufungen mehrerer US-Banken belastet die Stimmung", konstatierte Aktien-Experte Michael James von Wedbush Securities. Kombiniert mit den überraschend starken Einzelhandelsumsätzen verstärke dies die Aussichten für länger anhaltende höhere Zinsen der US-Notenbank Fed.
Die zunehmende Unsicherheit, ob der Zinserhöhungszyklus der Fed bereits erreicht ist oder nicht, setzte erneut Staatsanleihen unter Druck. Im Gegenzug zog die Rendite für zehnjährige US-Treasuries auf bis zu 4,274 Prozent an. Die Rendite deutscher Bonds mit zehnjähriger Laufzeit, die als Benchmark für den Euroraum gelten, kletterte auf bis zu 2,729 Prozent auf ein Fünf-Monats-Hoch und lag damit nur vier Basispunkte unter dem höchsten Wert seit zwölf Jahren.
Unter den Einzelwerten stand der Baumarktkonzern Home Depot aus dem Leitindex Dow Jones im Fokus. Das Unternehmen aus Atlanta, Marktführer in den USA, hat im zweiten Quartal erneut einen Umsatz- und Gewinnrückgang verzeichnet. Es gebe anhaltenden Druck bei Großprojekten, insbesondere in Kategorien, die Käufer als nicht unbedingt notwendig erachteten, teilte das Dow-Jones-Unternehmen vor Börsenbeginn anlässlich der Veröffentlichung seiner Zahlen zum zweiten Quartal mit. Dagegen hätten sich Produktkategorien für kleinere Heimwerkerprojekte weiterhin robust entwickelt.
Home Depot hatte in der Corona-Pandemie noch einen beispiellosen Boom bei Renovierungen und Wohnungsverschönerungen erlebt. Die Zahlen fielen dabei aber nicht so schlecht aus wie von Analysten erwartet. Der Nettogewinn sank von 5,2 Milliarden auf 4,7 Milliarden Dollar, entsprechend einem Ergebnis von 4,65 Dollar je Aktie. Konzernchef Ted Decker zeigte sich zufrieden. Der Konzern bestätigte seine Prognose für 2023 und geht von einem Umsatzrückgang von zwei bis fünf Prozent aus. Die Aktie schloss am Ende nach wechselhaftem Verlauf 0,66 Prozent im Plus.
Gleich zwei wichtige Konjunkturnachrichten drückten heute auf die Stimmung der Anleger an der Frankfurter Aktienbörse. Zum einen kommt die chinesische Wirtschaft weiterhin nicht in Schwung, zudem kamen an der Wall Street Zinsängste durch überraschend robuste US-Einzelhandelsdaten auf.
Das war dann zu viel Gegenwind für den DAX. Die Anleger zogen sich daraufhin zurück und drückten den Index im Tagestief auf ein Vierwochentief bei 15.703 Punkten. Ein Rutsch unter die vor vier Wochen markierte Marke von 15.706 Punkten käme dabei einem charttechnischen Verkaufssignal gleich, würde der DAX damit doch seine Seitwärtsspanne zwischen 15.700 und 16.000 Punkten verlassen.
Dieses Szenario bleibt drohend über dem Markt, wurde bei einem Schlussstand des DAX von 15.767 Punkten aber gerade noch vermieden. Der Tagesverlust lag damit bei 0,86 Prozent. Zuvor war im Hoch, wie auch schon in den letzten Handelstagen, bei 15.923 Punkten mal wieder Schluss gewesen. Die Marke von 16.000 Zählern erweist sich damit als derzeit zu hohe Hürde. Der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, fiel um 0,82 Prozent auf 27.786 Punkte und damit unter die Marke von 28.000 Punkten.
Gestern hatte eine steigende Wall Street den deutschen Markt noch nach oben gezogen. Heute gab es nach dem überraschend starken Plus der amerikanischen Einzelhändler keine Unterstützung. Zudem stiegen die Importpreise stärker als erwartet.
"Die Einzelhandelsumsätze könnten darauf hindeuten, dass die Fed die Zinsen weiter anheben wird", sagte Finanzexperte Peter Andersen von Andersen Capital Management.
Vergrault werden die Käufer am deutschen Aktienmarkt heute auch von frischen Konjunkturdaten aus China. Konkret blieben sowohl die Umsätze im Einzelhandel als auch die Industrieproduktion des Landes und die Baubeginne nach Fläche hinter den Erwartungen der Analysten zurück.
Die jüngsten Zahlen lassen Ökonomen verstärkt daran zweifeln, dass China sein für 2023 ohnehin niedrig angesetztes Wachstumsziel von fünf Prozent erreichen wird. Die enttäuschenden Konjunkturdaten im Juli, die unter null liegende Inflation und die erneute Besorgnis wegen der Lage in der Immobilienbranche und im Schattenbankensektor erhöhten derzeit den Druck auf die politischen Entscheidungsträger, schrieb Analyst Tommy Wu von der Commerzbank.
Der Euro zeigt sich meist fester, ehe er im späten US-Handel unter Druck geriet. Zuletzt wurde die Gemeinschaftswährung bei 1,0903 auf dem Niveau des frühen europäischen Handels gehandelt. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0926 (Montag: 1,0930) US-Dollar fest.
Für die zwischenzeitliche Stärke des Euro machten Experten leicht positive heimische Konjunkturdaten verantwortlich, die am späten Vormittag vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) veröffentlicht wurden. Danach blicken Börsenprofis nicht mehr ganz so pessimistisch auf die deutsche Wirtschaft, der ZEW-Index stieg überraschend um 2,4 auf minus 12,3 Punkte.
Ökonomen warnen jedoch davor, den Anstieg überzubewerten. "Die Rezessionssorgen bleiben weiterhin groß", erklärt Elmar Völker von der LBBW. Und Helaba-Ökonom Ralf Umlauf betont: "Ungeachtet der unerwartet starken Verbesserung des ZEW-Saldos der Konjunkturerwartungen ist die konjunkturelle Perspektive weiterhin schwach."
Die russische Notenbank hat derweil mit einer deutlichen Zinserhöhung von 8,5 auf 12,0 auf die starke Abwertung des Rubels reagiert. Es ist die stärkste Zinsanhebung seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im März 2022. Der Leitzins liegt nun so hoch wie seit dem Frühjahr 2022 nicht mehr.
Tagessieger im DAX waren die Papiere des Laborausrüsters Sartorius, die rund 1,1 Prozent zulegten. Versorger Eon stand am Indexende. Aber auch Vonovia gaben nach. Die Papiere leiden derzeit wie andere Immobilienaktien auch unter den steigenden Zinsen. Im MDAX gaben LEG Immobilien ebenso nach wie Deutsche Wohnen im SDAX.
Die Marke Volkswagen hat bei reinen Elektroautos in Deutschland die Nase vorn. Von Januar bis Juli entfielen nach Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes mit 41.475 Neuzulassungen 15,4 Prozent aller neuen batterieelektrischen Wagen (BEV) auf VW. Der US-Autobauer Tesla folgte nach der heute veröffentlichten Statistik dicht auf Platz zwei mit knapp 15 Prozent Marktanteil. Mit deutlichem Abstand lag Mercedes-Benz an dritter Stelle.
Die weltweite Konjunkturflaute hat den Gewinn des Hamburger Hafenkonzerns HHLA einbrechen lassen. Bei einem Umsatzrückgang um 6,7 Prozent auf 727,1 Millionen Euro in den ersten sechs Monaten fiel das Konzern-Betriebsergebnis (EBIT) um 50,3 Prozent auf 50,4 Millionen Euro. Das Ergebnis nach Steuern brach von 43,9 Millionen Euro im Vorjahr auf 8,2 Millionen Euro ein.
Neue Wind- und Solarparks sowie die Übernahme der italienischen Stern Energy haben bei Encavis im ersten Halbjahr niedrigere Energiepreise und ungünstigeres Wetter beim Umsatz wettgemacht. Das Management bestätigte die Prognose für das laufende Jahr und die mittelfristigen Ziele bis 2027. Die Aktie des MDAX-Konzern ist mit einem Minus von rund einem Viertel im Jahresverlauf der zweitgrößter Verlierer im Index der mittelgroßen Werte.
Ein Patentstreit um den Corona-Impfstoff des Mainzer Unternehmens BioNTech beschäftigt heute das Landgericht Düsseldorf. Der Tübinger Wettbewerber Curevac wirft BioNTech Patentrechtsverletzungen vor und will Schadenersatzansprüche geltend machen, wie eine Gerichtssprecherin mitteilte. BioNTech weist den Vorwurf zurück. Die Arbeit des Unternehmens sei "originär".
Amazons Geräte-Chef Dave Limp, der unter anderem für die Sprachassistentin Alexa, ein Programm für Internet-Satelliten und eine Robotaxi-Firma verantwortlich ist, verlässt den Konzern zum Jahresende. Ein Nachfolger solle in den kommenden Wochen bekanntgegeben werden, schrieb Amazon Chef Andy Jassy in einer Nachricht an die Mitarbeiter.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich für die Tesla-Pläne zur Erweiterung der Batteriefabrik in Grünheide bei Berlin ausgesprochen. Der US-Elektroautohersteller wolle das Werk erweitern, was viele Menschen nicht gut finden würden, sagte der Kanzler bei einem Bürgerdialog in Potsdam. "Ich ehrlicherweise doch." Es gehe auch darum, solche Unternehmen in Deutschland zu binden und den Wohlstand zu halten und auszubauen.
Der norwegische Staatsfonds hat im ersten Halbjahr wieder einen milliardenschweren Gewinn erwirtschaftet. Nach einem Rekordverlust im Vorjahr summierte sich das Plus auf umgerechnet rund 130 Milliarden Euro, wie der weltgrößte Staatsfonds am Dienstag mitteilte. Starke Aktienmärkte und eine schwache Landeswährung stützten den Fonds. Dabei warfen Hochtechnologiewerte die höchste Rendite mit 38,6 Prozent ab.
Der 1996 gegründete Staatsfonds ist etwa 1,3 Billionen Euro schwer und investiert die Einnahmen aus dem norwegischen Öl- und Gassektor. Er ist weltweit an mehr als 9300 Unternehmen beteiligt, wobei er 1,5 Prozent aller börsennotierten Aktien besitzt.