Debatte um möglichen Euro-Ausstieg Griechenlands Das Wort vom "Grexit" geht um
Kommt der "Grexit"? Auf dem EU-Gipfel in Brüssel in dieser Woche war das neue Kürzel für den möglichen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone in aller Munde. Die Politiker bestreiten, dass es Notfallpläne gibt. Und über das "Was wäre, wenn" gehen die Ansichten auseinander.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Die neuesten Umfragen sagen in Griechenland einen Sieg der Linksradikalen bei den kommenden Wahlen voraus. Diese wollen die Sparverpflichtungen für null und nichtig erklären. Die Europäer wollen auch nicht nachgeben. Kommt dann der "Grexit" - der Ausstieg Griechenlands aus der Währungsunion? Und was wären die Folgen für die Eurozone?
Nichts ist so richtig vorhersehbar in Griechenland - aber es könnte so kommen: Das linksradikale Bündnis Syriza gewinnt die Wahlen und erklärt tatsächlich das mit den internationalen Geldgebern vereinbarte Sparprogramm für null und nichtig. Wie reagieren dann die Europäer? Auf ihrem Gipfel vor ein paar Tagen haben die Staats- und Regierungschefs erneut ein Nachgeben ausgeschlossen.
"Ich glaube, die Eurozone würde die strikte Einhaltung der Verpflichtungen verlangen" - so beantwortete Frankreichs neuer Staatschef Francois Hollande die Frage nach dem "was wäre, wenn". Und auch wenn das keiner so richtig klar sagen will: Als Konsequenz müssten die Hilfszahlungen an Athen eingestellt werden.
Ohne Finanzhilfe ist Staatspleite vorprogrammiert
Aber ohne die internationalen Finanzspritzen ist die Staatspleite nur noch eine Frage von Wochen. Und vorher schon dürfte das griechische Bankensystem zusammenbrechen. Denn die Menschen werden panisch versuchen, auch ihre restlichen Euro abzuheben. Auf Notkredite von der Europäischen Zentralbank können die griechischen Geldhäuser dann auch nicht mehr hoffen.
"In dem Moment wäre Griechenland gezwungen, aus dem Euro auszutreten und seine eigene Währung einzuführen", sagt Guntram Wolff vom Brüsseler Think Tank Breugel.
Andere Ökonomen halten den Austritt Griechenlands aus der Währungsunion nicht für so zwangsläufig. "Es wird sicher nicht dazu kommen, dass plötzlich eine Regierung sagt 'Okay, es reicht, wir treten aus.'", sagt Daniel Gros, der Chef des Zentrums für Europäische Politikstudien CEPS. "Ees könnte durchaus sein, dass die neue Regierung eigene Schuldverschreibungen ausgibt, und die dann de facto so eine Art Parallelwährung werden."
Katastrophale Folgen - und ein Stresstest für die Eurozone
So oder so, die Folgen für das Land wären katastrophal: "Wir würden massive Unternehmenspleiten haben, die Löhne würden massiv abwerten, weil eben in neuer Währung bezahlt wird", erläutert Wolff. Viele Experten befürchten, dass das Land wirtschaftlich um Jahrzehnte zurückgeworfen werden könnte.
Und das Chaos in Griechenland würde auch die ganze Eurozone einem Stresstest unterziehen. Zum einen sind gewaltige finanzielle Verluste zu befürchten: Es würde noch unwahrscheinlicher, dass die Griechen die in den letzten beiden Jahren geflossenen Hilfskredite ordnungsgemäß zurückzahlen, immerhin schon 150 Milliarden Euro. Die Europäische Zentralbank sitzt auf großen Mengen dann weitgehend wertloser griechischer Staatsanleihen. Die griechische Notenbank hat den maroden Geldhäusern des Landes enorme Summen an Notkrediten zur Verfügung gestellt.
Gegenüber der EZB hat die griechische Notenbank Verbindlichkeiten in dreistelliger Milliardenhöhe angehäuft. Für alles müsste letztlich auch der europäische Steuerzahler haften. Auch die ohnehin maroden Banken in Ländern wie Italien, Spanien und Portugal müssten ihre umfangreichen Griechenland-Investitionen abschreiben. Dennoch, es sind nicht diese möglichen finanziellen Verluste, die den Euro-Verantwortlichen die meisten Sorgen bereiten.
Eine nicht zu stoppende Kettenreaktion?
"Das große Risiko ist, dass wir eben massive Ansteckung haben und dass andere Länder des Euroraums dann unter massiven Marktdruck kommen, weil internationale Investoren und heimische Kapitalanleger denken würden 'Oh Mann, mein Land ist das nächste, wir werden auch bald den Euro verlassen, es wird eine riesige Kapitalflucht geben'", sagt Wolff. Eine Kettenreaktion, die schlimmstenfalls zur Kernschmelze, sprich dem Zerfall der Währungsunion führen kann.
Deshalb mutmaßt Wolff, dass die Europäer letztlich doch weiter Geld nach Athen überweisen werden: "'Wir machen gar nichts mehr für Griechenland' - dieses Drohszenario ist eigentlich nicht wirklich glaubwürdig. Auf jeden Fall müssten sich die Euro-Verantwortlichen längst intensiv auf den Ernstfall vorbereiten."
Es gibt auch Medienberichte, dass die Gruppe der Euro-Finanzminister alle Regierungen aufgefordert hat, Notfallpläne aufzustellen. Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker dementierte das aber auf dem letzten Gipfel, Frankreichs Präsident Hollande auch: "Ich weiß von keinem Notfallszenario, was beim Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone zu tun wäre."
Kapitalflucht muss verhindert werden
Und so redet man um den heißen Brei herum. Denn eins ist klar: Das Bekanntwerden von Plan B würde Plan A - die Griechen wählen doch noch die Richtigen - zunichte machen. Aber die Schmallippigkeit der Eurozonen-Politiker rührt wohl auch daher, dass man sich nur schwer auf einen Plan B einigen kann.
Viele in Brüssel sagen: um die Gefahr einer Ketteneaktion einzudämmen, müssen die ganz großen Geschütze aufgefahren werden: Die EZB hält die Krisenstaaten durch den unbegrenzten Aufkauf ihrer Schuldentitel über Wasser, der Rettungsfonds gibt den strauchelnden Banken direkt Notkredite.
Der Wirtschaftswissenschaftler Daniel Gros meint, entscheidend sei, eine Kapitalflucht der Anleger aus den heimischen Banken zu verhindern: "Und da wäre es natürlich schön, wenn man auf europäischer Ebene eine Einlagenversicherung hätte, damit jeder weiß, dass unsere Einlagen sicher sind. Wir brauchen sie nicht ins Ausland zu schaffen."
Die Wahl zwischen Pest und Cholera
Soll also die Bundeskanzlerin mit Hollande gemeinsam öffentlich erklären, das Geld aller europäischen Sparer ist sicher? Gros sagt: "Wenn es wirklich zu einer großen Ansteckung kommt, dann wird wohl nichts anderes helfen."
All das ist Teufelszeug in den Augen deutscher Stabilitätspolitiker. Es ist ein bisschen wie die Wahl zwischen Pest und Cholera, meint Guntram Wolff: "Alle Lösungen sind schwierig, also ich glaube, wir werden da weiterhin lange keine guten Nachrichten hören."