Anleihe-Experte zur griechischen Emission "Das ist knallharte Spekulation"
Jahrelang war Griechenland vom Kapitalmarkt abgeschnitten - nun reißen sich die Investoren um die Anleihen des Landes. Dahinter stehe "knallharte Spekulation", sagt Ökonom Uwe Burkert im tagesschau.de-Interview. Und sieht darin trotzdem "ein wichtiges Signal".
tagesschau.de: Der griechische Staat ist mit 320 Milliarden Euro verschuldet. Das ist fast das Doppelte von dem, was das Land im vergangenen Jahr erwirtschaftet hat. Sind die Griechen wirklich wieder kreditwürdig?
Uwe Burkert: Offenbar gibt es viele Investoren, die angesichts der weltweit extrem niedrigen Zinsen sagen: Wenn ich für griechische Staatsanleihen immerhin fünf Prozent bekomme, dann ist es mir das Risiko wert.
Uwe Burkert ist Chefvolkswirt der Landesbank LBBW. Der 45-Jährige beschäftigt sich seit Jahren mit dem Anleihemarkt.
tagesschau.de: Aber doch nur, weil die Investoren darauf vertrauen, im Zweifel rausgerissen zu werden - zum Beispiel von der Europäischen Zentralbank, die die Staatsanleihen übernehmen könnte.
Burkert: Dieses Kalkül mag eine Rolle spielen, aber das ist es nicht allein. Offenbar geht die Mehrheit der Investoren davon aus, dass die Griechen sich soweit erholen werden, dass sie das Geld in fünf Jahren zurückzahlen können.
tagesschau.de: Das ist mutig ...
Burkert: Aus meiner Sicht sind die Griechen grundsätzlich wieder in der Lage, ihre Schulden zu tragen. Aber die Gefahr, dass die griechische Wirtschaft einen neuerlichen Rückschlag erleidet, ist natürlich groß. Kein Geldgeber kann sagen, er hätte nicht gewusst, worauf er sich eingelassen hat. Unterm Strich ist es knallharte Spekulation, was da stattfindet.
"Fünf Prozent sind zu wenig, gemessen am Risiko"
tagesschau.de: Haben wir es - aus gesellschaftlicher Perspektive - mit einer wünschenswerten Spekulation zu tun? Immerhin kann sich der griechische Staat dank des Geldes wieder finanzieren. Oder ist es eine problematische Spekulation, weil Investoren wieder hohe, womöglich zu hohe Risiken eingehen?
Burkert: Darüber kann man streiten. Das eigentliche Problem sehe ich aber anderswo. Fünf Prozent sind meiner Meinung nach eine zu niedrige Verzinsung, gemessen an der Ausfallgefahr der Anleihe. Dies signalisiert, wie groß die Not der Investoren offenbar ist. Es gibt angesichts der anhaltenden Tiefzinsphase einfach keine sicheren Anlagemöglichkeiten mehr, die eine nennenswerte Rendite abwerfen.
tagesschau.de: Nach wie vor gehen viele Experten davon aus, dass Griechenland ein weiteres Hilfspaket benötigt. Wie passt das zusammen mit der nun gefeierten "Rückkehr an den Kapitalmarkt"?
Burkert: Das passt in der Tat schwerlich zusammen. Aber vielleicht hilft die erfolgreiche Emission ja, schädliche Debatten über neue Hilfen einzudämmen. Und vielleicht verstehen die Griechen das Vertrauen der Investoren als Auftrag, ihre Reformpolitik fortzusetzen. Wünschenswert wäre es. Was man zudem - bei aller Skepsis - nicht vergessen darf: Es war ja erklärtes Ziel der Troika aus EU, IWF und EZB, den Griechen den Weg zurück an den Kapitalmarkt zu ebnen. Insofern war das heute ein wichtiges Signal.
Das Interview führte Heinz-Roger Dohms, tagesschau.de