Protest gegen neue Sparpläne Griechenland erwartet die "Mutter aller Streiks"
Griechenland erlebt seit dem Morgen den wohl größten Streik seit Beginn der Schuldenkrise vor zwei Jahren. Mit dem zweitägigen Ausstand wollen die Gewerkschaften das Land lahmlegen und damit gegen die neuen Sparpläne der Regierung demonstrieren, die zeitgleich im Parlament beraten werden.
Von Oliver Neuroth, ARD-Hörfunkstudio Istanbul. zurzeit Athen
Eine griechische Zeitung beschreibt den Tag heute als die "Mutter aller Streiks". Ähnlich sehen das die Gewerkschaften: Sie sprechen vom größten Streik seit Beginn der Schuldenkrise vor zwei Jahren und wollen das öffentliche Leben in Griechenland heute lahmlegen.
Am Syntagma-Platz im Zentrum von Athen steht normalerweise ein Taxi hinter dem anderen und wartet auf Fahrgäste. Heute wird das nicht so sein. Die Taxifahrer wollen für zwei komplette Tage streiken. Sie protestieren gegen die geplante Öffnung des Taximarktes in Griechenland.
Durch die Reform werde die Konkurrenz zu groß, sagt Ilias Mandas, der seit 30 Jahren in Athen Taxi fährt. "Es geht um Leben oder Tod. Entweder werden alle Taxifahrer überleben oder alle zusammen sterben. Wenn es weitere 15.000 Taxis hier gibt, außerdem Taxibusse - wer soll bei so einer Konkurrenz noch ordentlich arbeiten?"
Bisher ist die Zahl der Taxis in Griechenland auf etwa 30.000 begrenzt. Wer Taxi fahren will, braucht eine Lizenz vom Staat. Die ist begehrt und teuer. Bis vor kurzer Zeit kostete solch eine Fahrerlaubnis noch bis zu 150.000 Euro. Eine echte Geldanlage für Taxifahrer. Der Verkauf war oft ihre Alterssicherung.
Künftig soll praktisch jeder eine solche Lizenz kaufen können - für 3.000 Euro. "Wir Taxifahrer sind wie eine Familie, die dasselbe Ziel verfolgt: Der Gesetzentwurf des Verkehrsministers darf nicht durchgehen! Ich frage mich, warum sich dieser Minister so sehr mit den Taxifahrern anlegt - sein Vater fuhr selbst Taxi."
Neben den Taxifahrern wollen auch die Bus- und Bahnfahrer streiken. Aber nicht komplette zwei Tage, sondern nur ein paar Stunden. Außerdem wollen Lehrer, Ärzte, Bankangestellte und Fluglotsen nicht arbeiten. Sie haben angekündigt, zwölf Stunden zu streiken - bis heute Mittag. In dieser Zeit sollen keine Maschinen auf griechischen Flughäfen starten und landen dürfen.
"Ja, das ist wirklich ein heftiger Streik", gibt Konstantinos Doupis vom Verband der Angestellten der Stadt Athen zu. Aber er sei nötig. "Wir glauben, dass die Maßnahmen der Regierung falsch sind. So kann eine Gesellschaft nicht aus der Krise kommen. Die vielen Sparmaßnahmen werden dafür sorgen, dass die Menschen irgendwann mal kein Geld mehr haben. Wie soll man dann noch seine Steuern zahlen?"
Die Sparmaßnahmen treffen Doupis selbst hart. Er hat drei Kinder, seine Frau ist arbeitslos. Um Geld zu sparen, wohnt er bei Verwandten in Athen. Frau und Kinder leben bei den Schwiegereltern vor den Toren der Stadt. "Es war nötig, dass die Familie aus Athen wegzieht. Wir haben hier keine Eigentumswohnung. Die Miete hätte uns finanziell ruiniert. Es geht mittlerweile ums Überleben. Unsere Gehälter werden immer weiter gekürzt. Es gibt so viele Sondersteuern. Deshalb war es unmöglich für uns, hier über die Runden zu kommen."
Auf dem Schreibtisch in seinem Büro stehen mehrere Geld-Sammelbüchsen, unter anderem ein Sparschwein. Ein Symbol der Krise? Nein, wehrt Doupi ab, ein Sparschwein habe hier immer schon gestanden. "Aber jetzt in der Krise können wir nichts mehr hineinwerfen. Du wirfst dein Geld in ein anderes Sparschwein - in eins ohne Boden. Es ist das Sparschwein, das uns diese Regierung aufgezwungen hat."