Reaktionen auf Pläne für Referendum Europa zwischen Schock und Ratlosigkeit
Griechenlands Pläne für ein Referendum über die Euro-Hilfen hat Kursstürze an den Börsen ausgelöst. Europas Regierungen reagierten mit Ratlosigkeit und leiser Kritik. Sie fürchten fatale Folgen der Abstimmung, eine Staatspleite ist wieder im Gespräch. Für morgen wurde ein Krisentreffen einberufen.
Die geplante griechische Volksabstimmung über die Beschlüsse des Euro-Gipfels und die damit verbundenen Sparauflagen haben die Finanzmärkte in helle Aufregung versetzt. Der Euro gegenüber dem US-Dollar am Morgen mehr als drei Cent an Wert, der deutsche Aktienindex DAX sackte um fünf Prozent ab. Händler sprachen von einem Schock, den die Ankündigung des griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou ausgelöst habe. Auch an der Börse in Athen kam es zu Kurseinbrüchen - der wichtigste Aktienindex rutschte zeitweise um mehr als acht Prozent ins Minus.
Klar ist, dass schon die Ankündigung der Volksabstimmung große Unruhe in die Finanzmärkte bringt und die positive Wirkung der jüngsten Gipfelbeschlüsse in Frage stellt. Die konkreten Folgen des Referendums und einer möglichen Ablehnung der Sparauflagen durch die griechische Bevölkerung führten bei den europäischen Regierungen zu viel Ratlosigkeit. Es dauerte ungewöhnlich lange, bis überhaupt offizielle Reaktionen veröffentlicht wurden.
Debatte über Staatspleite Griechenlands
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso äußerten sich zurückhaltend zum geplanten Referendum. Die Pläne habe die EU "zur Kenntnis genommen", teilten sie in einer Erklärung mit. "Wir haben vollstes Vertrauen, dass Griechenland seinen Verpflichtungen nachkommt, die es mit der Eurozone und der internationalen Gemeinschaft vereinbart hat", fügten sie mit Blick auf die von Griechenland zugesagten Einsparungen hinzu. Der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker betonte, die Entscheidung für eine Volksabstimmung habe Papandreou nicht mit seinen europäischen Kollegen durchgesprochen. Zugleich warnte der Chef der Eurogruppe vor den Folgen des Referendums. Falls die Griechen gegen das neue Rettungspaket stimmten, sei eine Pleite des Landes nicht auszuschließen.
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy sagte nach einer Sondersitzung mit den wichtigsten Ministern seiner Regierung, dass der vereinbarte europäische Rettungsplan der "einzige Weg" zur Lösung der Schuldenkrise Griechenlands sei. Die führenden europäischen Institutionen müssten nun klären, unter welchen Bedingungen der Rettungsplan durchgeführt werden könne.
Zuvor hatten er und Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Telefonat über die Folgen des geplanten Referendums beraten. Danach teilten sie in einer gemeinsamen Erklärung mit, dass beide Länder entschlossen seien, "die vollständige und umgehende Umsetzung der Gipfelentscheidungen zu gewährleisten, die heute notwendiger sind denn je". Deutschland und Frankreich seien überzeugt, dass die Übereinkunft Griechenland die Rückkehr zu einem dauerhaften Wachstum erlaube. Das Thema solle morgen mit der EU, der Europäischen Zentralbank, dem Internationalen Währungsfonds und Vertretern Griechenlands in Cannes erörtert werden. Dazu reist Merkel einen Tag früher als ursprünglich geplant in die französische Stadt, in der am Donnerstag der G20-Gipfel beginnt.
Der finnische Regierungschef Jyrki Katainen erklärte, die Entscheidung Papandreous sei negativ für die Stabilität Europas. Ähnlich äußerte sich die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt. "Das trägt nicht dazu bei, die Situation angesichts der Schuldenkrise zu beruhigen", erklärte sie. Der schwedische Regierungschef Fredrik Reinfeldt kritisierte: "Das Referendum macht die Unsicherheiten größer, denn es ist nicht klar, wann es stattfinden soll und welches die Alternativen sind." Der Sprecher der spanischen Regierung sieht in der Ankündigung aus Athen "keine gute Nachricht für Europa". Durch eine Volksabstimmung werde eine Lösung der griechischen Schuldenkrise hinausgezögert. Dies schade Europa.
Nach Ansicht der US-Regierung erhöhen die griechischen Referendumspläne den Druck auf die EU, das Maßnahmenpaket gegen die Schuldenkrise baldmöglichst umzusetzen. Die Ankündigung des griechischen Ministerpräsidenten "stützen die Einschätzung, dass die Europäer ihre Beschlüsse von voriger Woche weiter ausgestalten und schnell verwirklichen müssen", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney.
Bosbach stellt Milliardenhilfen in Frage
CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte vorab im Nachtmagazin, dass Griechenland in dieser unklaren Situation nicht erwarten könne, dass die EU ständig weitere Milliardenhilfe leiste. Die Hilfe der Staatengemeinschaft sei an eindeutige Bedingungen geknüpft, die Griechenland einhalten müsse. Andernfalls könne die EU die Zahlungen jederzeit einstellen. "Solidarität ist keine Einbahnstraße", so Bosbach.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle forderte die Eurozone auf, sich auf eine mögliche Staatspleite Griechenlands einzustellen. "Wenn Griechenland Nein sagt zur Bekämpfung seiner Strukturschwächen, zur Anpassung in der Wettbewerbsfrage, zum Reformprozess, dann wird es meines Erachtens zu einem Staatsbankrott kommen", sagte Brüderle im Deutschlandfunk. Auch die CSU warnte Athen vor den Folgen eines Neins beim Referendum. "Griechenland muss wissen: Wenn es nicht willens oder in der Lage ist, harte Sparmaßnahmen durchzuführen, kann es keine Hilfe erwarten und muss die Eurozone verlassen", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt.
"Riskant, aber mutig"
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier bezeichnete das geplante Referendum als "riskanten, aber mutigen Weg". Papandreou habe mit seinen Reformen dafür gesorgt, dass sein Land wieder auf die Beine komme. Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. "Mit dieser Abstimmung geht Griechenland und geht auch Europa in eine Phase großer Risiken", sagte er. Papandreou beweise aber auch Mut beim Versuch, die Bevölkerung von der Notwendigkeit zu überzeugen, Griechenland zu reformieren. Der Fraktionschef der Linkspartei, Gregor Gysi, begrüßte die geplante Volksabstimmung. Papandreou habe offenbar erkannt, dass er bisher "gegen die Bevölkerung" regiert habe, sagte Gysi.
Banken besorgt
Die deutschen Privatbanken kritisierten die Referendumspläne. Papandreous Ankündigung "hat zu erheblicher Verunsicherung an den Märkten geführt", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken, Michael Kemmer. Wichtige Detailplanungen im Nachgang des Euro-Gipfels "werden nun verzögert, schlimmstenfalls auf Eis gelegt", sagte er. Die Ratingagentur Fitch sieht in der geplanten Volksabstimmung eine Gefahr für die Finanzstabilität in der Eurozone. Die Entwicklung unterstreiche die Notwendigkeit, dass eine glaubwürdige Schutzmauer errichtet werden müsse, damit Griechenland nicht das Währungsgebiet anstecken und destabilisieren könne, erklärte Fitch.