Großbritannien in der Krise Riesige Probleme - und etwas mehr Zeit
Der neue britische Premier Sunak ist im Amt, die finanz- und wirtschaftspolitischen Probleme des Landes sind mitnichten gelöst. Die neue Regierung hat aber etwas Zeit gewonnen.
Eigentlich wollte der alte und neue Finanzminister Jeremy Hunt heute die Finanzplanung der britischen Regierung vorlegen. Doch gerade haben sich die Märkte etwas beruhigt, was der Regierung Zeit gibt, die Pläne später zu veröffentlichen - wahrscheinlich am 17. November. Zur Begründung hieß es, dass dann auch die aktuellen Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung vorlägen, die Basis für die Ankündigungen also solider ist.
Verständnis für neuen Premier
Nachdem Hunt die Verschiebung in der vergangenen Woche bekannt gegeben hat, stiegen die Zinsen für 30-jährige britische Staatsanleihen leicht, sanken dann aber wieder leicht. Am Ende der vergangenen Woche lag der Zinssatz bei etwa 3,5 Prozent. Die Regierung hat also etwas Zeit zum Atmen gewonnen.
"Es ist verständlich, dass Premierminister Rishi Sunak den Zeitpunkt der Veröffentlichung verschoben hat. Er will sehr genau auf alle Möglichkeiten schauen", sagte Mohamed El-Erian, Chefberater der Allianz und Präsident des Queens College Cambridge in der BBC. Die erste Reaktion der Finanzmärkte zeigt, dass die neue Regierung einen großen Teil des verloren gegangenen Vertrauens zurückgewonnen hat.
Riesiges Loch in der Finanzplanung
Doch die Herausforderungen für die neue Regierung sind riesig. In der Finanzplanung ist ein Loch von etwa 30 bis 40 Milliarden britischen Pfund. Wo das Geld herkommen soll, das müssen der Finanzminister und der neue Premier nun aushandeln. "Ich werde finanzpolitische Stabilität und Vertrauen in den Mittelpunkt meiner Agenda stellen," sagte Sunak in seiner ersten Rede als neuer Premier und betonte: "Das bedeutet, es wird harte Entscheidungen geben müssen."
Der Premier wollte deswegen nicht versprechen, dass Sozialleistungen im Rahmen der Inflation angehoben werden. Diskutiert werden auch deutlich gebremste Steigerungen bei den Pensionen.
Bank of England "im Blindflug"
Auch die Risiken an den Finanzmärkten sind längst nicht gebannt. El-Erian warnt, dass am 3. November die britische Zentralbank über den Leitzins entscheidet - ohne die detaillierten Pläne der Regierung zu kennen. Zentralbank-Chef Andrew Bailey sagte, unter diesen Umständen befinde sich die Bank "im Blindflug", weil es keine Informationen über die Finanzpolitik der Regierung gebe.
Das könnte nach Einschätzung von El-Erian dazu führen, dass die Notenbanker die Zinsen deutlich stärker erhöhen, als sie dies unter anderen Umständen tun würden. Er sagt eine Anhebung zwischen 0,75 und einem Prozentpunkt voraus. Die Logik dahinter: So soll die Inflation ganz sicher eingedämmt werden, ebenso das Risiko, dass es an den Finanzmärkten wieder starke Turbulenzen gibt.
Riskanter Kurs, auch wegen unsicherer Weltlage
Für die Regierung von Premier Sunak ist der derzeitige Kurs aber noch aus einem anderen Grund nicht ohne Risiko. Weltweit ist die politische Lage sehr unsicher, der Einfluss auf Marktbewegungen ist groß, was den Anleihemarkt erneut belasten könnte, bis Mitte November ein solider Finanzplan vorliegt.
Sunak dürfte aber vor allem in der Zwickmühle stecken, Einsparungen ankündigen zu müssen und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum ankurbeln zu wollen. Beide Ziele schließen einander weitgehend aus. Auch die neue Regierung hat versprochen, Vorteile des Brexit zur Geltung zu bringen. So soll die Bürokratie für Unternehmen abgebaut werden. Außerdem wird auch diese Regierung versuchen, weitere Handelsabkommen abzuschließen. Doch sehr viel konkreter sind die Ankündigungen auch noch nicht.