Interview

Interview zum Euro-Rettungsschirm "Ein wichtiger Schritt, aber es kann jetzt nicht enden"

Stand: 25.03.2011 16:47 Uhr

Der neue EU-Rettungsschirm bietet Pleitekandidaten Hilfe und soll die Regierungen zum soliden Haushalten zwingen. Was bedeutet das für den Euro, was für Deutschland? Ein Interview mit Michael Bräuninger vom Hamburger WeltWirtschaftsInstitut.

tagesschau.de: In Brüssel haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf einen dauerhaften Schutzschirm für angeschlagene Mitgliedsstaaten geeinigt. Was bedeutet das für Deutschland, was heißt das für den Euro?

Bräuninger: Zunächst mal bekommen wir damit wieder ein festes Regelsystem. Zuletzt hatten wir die Situation, dass wir die bestehenden Regeln in der Krise über Bord geworfen hatten. Es mussten jetzt neue Regeln aufgestellt und auch eine neue Systematik gefunden werden, die glaubwürdig und durchhaltbar ist. Ich glaube, dass dies ein richtiger Schritt war.

Zur Person
Prof. Dr. Michael Bräuninger ist Forschungsdirektor am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) und Professor an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. Sein Forschungsbereich umfasst konjunkturelle und langfristige wirtschaftliche Analysen.

tagesschau.de: Müssen jetzt solide haushaltende Staaten für die Schulden der anderen einstehen?

Bräuninger: Das kann in einem gewissen Umfang natürlich passieren. Letztlich ist der Stabilitätsfonds dafür geschaffen, dass Staaten, die in Schwierigkeiten geraten sind, von anderen Staaten unterstützt werden. Das ist letztlich das, was auch im letzten Jahr geschehen ist. Mit dem Unterschied, dass es jetzt eine Regelbindung gibt. Und mit den Hilfen sind starke Auflagen verbunden, es ist ein starker Eingriff.

tagesschau.de: Ist das nicht der Einstieg in eine dauerhafte Transferunion in Europa?

Bräuninger: In einem gewissen Umfang ist das so. Letztlich haben wir diesen Einstieg bereits genommen. Man muss auch darauf hinweisen, dass wir schon immer innerhalb der Europäischen Union Transfers hatten. Und es wäre unglaubwürdig zu sagen, dass es in der Zukunft nicht so sein wird.

Transferunion
Der Begriff wird häufig von Kritikern des Europäischen Rettungsfonds benutzt. Sie befürchten, dass die Währungsunion der Euro-Länder sich fortentwickelt zu einer Struktur, in der solide wirtschaftende Staaten für hochverschuldete einspringen müssen - ohne Anreize für die Nehmerländer, ihre Defizite zu verringern. Befürworter des Rettungsfonds halten dem entgegen, dass der Stabilitätsmechanismus nur Kredite vorsieht und eben keine Transfers im engeren Sinne.

Staatsinsolvenz muss möglich sein

tagesschau.de: In Portugal ist der Ministerpräsident gescheitert, weil er harte Sparmaßnahmen nicht durchsetzen konnte; in Irland wurde die Regierung abgewählt: Ist es angesichts enormer innenpolitischer Widerstände überhaupt realistisch, den Schuldenstaaten harte Auflagen zu machen?

Bräuninger: Man muss es für die Zukunft auf jeden Fall versuchen. Im Augenblick haben wir ja zweierlei Probleme: Das eine Problem ist, dass die Finanzmärkte eine Staatsinsolvenz nur schwer verkraften würden. Zum anderen gibt es keinerlei Regeln für eine solche Staatsinsolvenz. Langfristig muss - unabhäng vom Rettungsfonds - eine Staatsinsolvenz möglich sein können. Diese Möglichkeit wird dann den Druck auf die Regierungen ausüben.

"Automatismus wäre immer scheinbarer Automatismus"

tagesschau.de: Es gab ja auch bisher schon Sanktionsmöglichkeiten, wenn Staaten gegen die Maastricht-Kriterien verstießen. Allerdings wurden sie nicht angewandt, weil für Strafen kein Automatismus vorgesehen war. Das wird so beibehalten - ein Fehler?

Bräuninger: In Teilen würde ich mir einen Automatismus wünschen, weil dann bestimmte Sanktionen nicht debattiert werden müssten. Aber letztlich könnte man dann, falls der Automatismus greift, dessen Aussetzung debattieren. Wir leben in einer Demokratie. In jedem Fall wird es bei strengen Sanktionen politische Diskussionen geben. Ein Automatismus wäre immer ein scheinbarer Automatismus.

tagesschau.de: Ist denn mit den neuen Regeln der Euro gerettet?

Bräuninger: Auch im vergangenen Jahr war der Euro als Währung nicht eigentlich gefährdet. In Gefahr war eher der politische Zusammenhalt im Euro-Raum. Ich glaube, dass das neue Regelwerk neue Transparenz und neue Glaubwürdigkeit bringen kann, zumindest kann es dazu beitragen. Das ganze Paket muss sicher noch stärker inhaltlich ausgestaltet werden. Aus meiner Sicht ist unbedingt nötig, dass der Fonds um entsprechende Kompetenzen zur wirtschaftlichen Beratung ergänzt wird. Es muss die Einhaltung von Auflagen überprüft werden können - so wie beim Internationalen Währungsfonds. Die Errichtung des Fonds ist ein wichtiger Schritt, aber es kann jetzt nicht enden.

Das Interview führte Veith Hornig für tagesschau.de