Batterien für Elektroautos Wechseln statt Laden
Weniger als zwei Minuten dauere der Akku-Austausch, werben Anbieter von E-Autos mit Wechselbatterien. Was in China üblich ist, wird nun auch in Berlin getestet. Deutsche Hersteller sind skeptisch.
Das Taxi sieht aus wie jedes andere, aber für die Berliner Taxi-Innung ist es ein Stück Zukunft. Das E-Mobil des chinesischen Herstellers MG verfügt über einen austauschbaren Batterieblock. Das Ziel der Berliner Taxi-Innung: Irgendwann sollen 5000 Taxen mit CO2-freiem Antrieb durch die Hauptstadt fahren, viele davon mit solchen Wechselbatterien. An verschiedenen Orten, möglichst da, wo heute Tankstellen Kraftstoff verkaufen, könnten die Batterieblöcke dann schnell und unkompliziert ausgetauscht werden.
Bisher gibt es aber nur einzelne Prototypen für Wechselstationen. Neben einer hat das Taxi seinen Ruheplatz. Es ist ein ungewöhnlicher Industriebau im Berliner Westhafen. Von außen wirkt er wie eine Autowaschanlage, im Inneren versteckt sich Hightech. Hier können Batterieblöcke in weniger als zwei Minuten ausgetauscht werden. Sie hängen im Unterboden, per Klick-Technik wird der leere Akku entfernt, der neue eingehängt - völlig unkompliziert. Die leeren Akkus werden dann an standardisierte Ladestationen angeschlossen, wo sie schonend langsam wieder mit Strom aufgeladen werden.
Die Wechselstation für E-Auto-Batterien im Berliner Westhafen.
Deutsch-chinesisches Joint-Venture
INFRAmobility-Dianba, ein deutsch-chinesisches Joint-Venture, betreibt die Anlage. Die Firma mit Sitz in Berlin will deutschlandweit solche Wechselstationen bauen. Besonders Fahrzeugflotten wie Taxen, Firmenfahrzeuge, Polizei, Feuerwehr, Lieferdienste und ähnliches hat sie als Kunden im Blick. "Da muss es schnell gehen. Die haben keine Zeit zum gemütlichen Aufladen", sagt Alexander Yu-Li, der Geschäftsführer von INFRAmobility-Dianba. Für ihn ist klar: Der Wechselbatterie gehört die Zukunft im Flottenbereich.
Auch für Privatkunden könnte es vorteilhaft sein, wenn die zeitaufwändigen Ladevorgänge vereinfacht würden. Vor allem bei längeren Strecken wäre es nach heutigem Stand der Technik ein echter Gewinn, an der Autobahn oder Fernstraße bei Stromtankstellen in wenigen Minuten einen vollgeladenen Batterieblock zu erhalten, statt lange warten zu müssen, bis die Stromanzeige endlich wieder bei 80 Prozent liegt.
Deutsche Autokonzerne setzen auf Ladetechnologie
Schnellladesäulen versprechen zwar ebenfalls, zeitsparend Energie zu liefern. Aber zum einen gibt es auch davon noch zu wenige, so dass die Wartezeit die Ladezeit oft übersteigt. Und zum anderen schadet das Turboladen auf Dauer der Batterie, ihre Lebensspanne verringert sich zum Teil um die Hälfte. Auch der Kostenfaktor spielt eine Rolle: Turboladen ist im Moment mindestens genauso teuer wie Benzin tanken. Den Preis für den Batteriewechsel veranschlagt Inframobility-Dianba heute bei sieben Euro pro 100 km Fahrleistung. Das wäre günstiger als Tanken.
In China, das bei INFRAmobility zu 50 Prozent beteiligt ist, gehören Wechselbatterien schon länger zum Technologie-Mix des CO2-freien Verkehrs. "Bei den Olympischen Spielen in Peking waren alle Busse im Olympischen Dorf so ausgerüstet. Dianba hieß die Firma, die sie betrieb, daher der Name des Berliner Joint-Ventures", erzählt Alexander Yu-Li. Gern würde die Firma mit deutschen Automobilherstellern zusammenarbeiten, aber die setzen nach wie vor einzig auf Ladetechnologie. Wechselsysteme spielen keine Rolle. Für Alexander Yu-Li ist klar: "Deutschland verschläft mal wieder den technischen Fortschritt."
Fest eingebaute Batterie ist leichter
Die deutschen Autohersteller sehen das naturgemäß anders. Für VW zum Beispiel ist die Wechseltechnologie derzeit keine Alternative zu Schnellladesystemen. Man habe das Thema diskutiert, sich dann aber mehr von der Entwicklung schnell aufladbarer Batterien versprochen, teilt der Konzern mit. Das sei praktikabler, weil eine nicht wechselbare Batterie Vorteile biete wie ein geringeres Gewicht und geringere Kosten. "Unser Fokus liegt daher zu Zeit klar darauf, die jeweiligen Fahrzeugbatterien je nach Use Case und Fahrzeugart zu optimieren", heißt es. Ähnlich argumentieren die meisten europäischen Fahrzeugbauer. Die Batterien sind ein Teil ihrer Wertschöpfungskette; wenn diese kein untrennbarer Teil des Fahrzeugs mehr sind, ist das auch eine betriebswirtschaftliche Frage.
Der Experte Achim Kampker, Professor am Lehrstuhl "Production Engineering of E-Mobility Components" (PEM) von der RWTH Aachen, teilt viele dieser Argumente. Er beschäftigt sich seit Jahren mit der Zukunft der Batterietechnik. Das Thema "Wechseln statt Laden" komme alle paar Jahre wieder, sagt er, denn die technische Idee sei grundsätzlich gut. Doch in der Breite für alle Automobilnutzerinnen und -nutzer sehe er in nächster Zeit keine Zukunft dafür. Zu groß seien die Hürden für eine organisatorische und betriebswirtschaftliche Umsetzung. "Stellen Sie sich eine Autobahn in den Sommerferien vor, wie viele Batterien sollte da eine Wechselstation vorhalten?"
Eine Frage von Standards
Außerdem fehle ein gemeinsamer Standard für Größe, Form und Gewicht der Batterien, der das Wechseln ermögliche. "In China kann der Staat Standards vorgeben, in Europa ist das eine ganz andere Sache", sagt Kampker. Es würde mindestens zehn Jahre dauern, bis ein Standard festgelegt sei - den Willen aller Beteiligten vorausgesetzt. In dieser Zeit sei die Schnellladetechnik so weit entwickelt, dass der Faktor Zeit beim Laden keine so große Rolle mehr spiele. Zudem bräuchten die Hersteller zunächst einmal mehr Batterien als Fahrzeuge, um wechseln zu können. Auch das ein Kostenfaktor.
Allerdings glaubt er, dass sich die Wechseltechnologie bei Fahrzeugflotten durchsetzen könnte. Da sei die Zahl der Fahrzeugmodelle überschaubar, und es gebe einen erhöhten Bedarf an Schnelligkeit beim Aufladen. "Das kann fliegen", so Kampker. Die deutschen Hersteller wären also gut beraten, wenn sie das Thema Wechselbatterie-Systeme nicht aus den Augen verlieren würden. VW zumindest will die Entwicklung weiter beobachten. In China teilt der Konzern mit, spiele man entsprechende Konzepte gerade durch.
Keine staatliche Förderung
In Deutschland aber wird abgewartet, wie es bei den Chinesen läuft. Für eine staatliche Förderung gibt es derzeit auch kein Geld. Die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur, die die Regierungsprogramme umsetzt, verteilt bis Ende 2025 500 Millionen Euro, um ein flächendeckendes öffentliches Schnellladenetz zu ermöglichen. Sie formuliert als Ziel: "Die nächste Schnellladestation soll überall in Deutschland in zehn Minuten mit dem Elektroauto erreichbar sein." Investitionen in eine Batteriewechselinfrastruktur gibt es nicht, und sie sind auch nicht geplant.
Das deutsch-chinesische Joint Venture INFRAmobility-Dianba baut also ohne Förderung neue Wechselstationen. In diesem Jahr will es - auch mit Blick auf den Taxiverkehr - eine Wechselstation am Berliner Flughafen eröffnen. Total Energies, der französische Tankstellenbetreiber, tritt als Partner auf, betrachtet das als Schritt in eine CO2-freie Zukunft des Unternehmens.
Die Berliner Taxi-Innung begrüßt das sehr. Sie würde gern eine CO2-freie Fahrzeugflotte in der Realität umsetzen. Das Fahrzeug im Westhafen neben der Wechselstation ist bislang nur ein Prototyp, aber es sollen weitere folgen. Allerdings wird das noch etwas dauern, denn es stehen ja bislang nur chinesische Automobilmodelle zur Auswahl. Und da lauern die Tücken dann schon mal im Detail. Das Taxi am Westhafen ist noch nicht in Betrieb genommen, obwohl es die deutsche Bürokratie gemeistert hat und zugelassen ist. Das Problem: Das Display ist auf Chinesisch, eine deutsche Fassung liegt nicht vor.