Ein Symbol auf der Intensivstation für Corona-Patienten am Sana Klinikum Offenbach weist auf den Covid-Bereich hin.

Corona-Pandemie Viel gelernt, aber nicht genug getan

Stand: 11.01.2025 17:05 Uhr

Vor fünf Jahren begann die Corona-Pandemie. Weltweit starben sieben Millionen Menschen. Deutschland kam im Vergleich glimpflich davon, doch die Pandemie wirkt bis heute nach. Wären wir in Zukunft besser vorbereitet?

Der Visite-Roboter sieht aus wie eine Säule mit Bildschirm. Er rollt durch die Gänge der Klinik, grüßt freundlich und begleitet Ärztinnen und Pfleger ans Krankenbett. Dort kann der per Roboter zugeschaltete Experte die Behandlung schwer erkrankter Menschen fachlich unterstützen.

Zu Corona-Zeiten gehörte der Roboter zum Krisenkonzept der Berliner Charité. Die hatte ein System entwickelt, mit dem Corona-Patienten über alle Berliner Kliniken verteilt werden konnten, um die Überlastung einzelner Häuser zu vermeiden. Um trotzdem überall die beste fachliche Expertise zu haben, ohne dass Ärztinnen und Ärzte durch die ganze Stadt reisen mussten, kam der Roboter zum Einsatz.

Das habe gut geklappt, sagt Martin Kreis - Vorstand Krankenhausversorgung der Charité: "Ich möchte nochmal dran erinnern, dass bei uns keine Lastwagenkolonnen mit Leichensäcken vor den Klinken standen. Solche Horrorszenarien wie in Bergamo haben hier in Berlin nicht stattgefunden." Die medizinischen Teams hätten zudem viel gelernt in der Zeit. Auch wenn niemand wisse, welche Art Erreger uns in Zukunft bedrohen könnten, wären die Kliniken der Charité deutlich besser vorbereitet als zu Beginn der Corona-Pandemie.

Viel Angst und Unsicherheit zu Beginn der Pandemie

So optimistisch ist Andreas Kaczynski nicht. Er ist Vorstand des Paritätischen Brandenburg, der zahlreiche soziale Dienste und Pflegeeinrichtungen vereint. Er erinnert sich noch gut, wieviel Angst und Unsicherheit vor fünf Jahren herrschte. Der Erreger war unbekannt, niemand wusste wirklich, wie wir uns davor schützen können.

Mit der Zeit seien dann vor allem die sogenannten vulnerablen Gruppen wie Kranke und Alte isoliert worden. Das habe möglicherweise viele Leben gerettet, dafür aber seelische Schäden hinterlassen. Sein Fazit: "Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, aber im Nachhinein sind wir klüger. "

Diese Erkenntnis habe allerdings noch nicht dazu geführt, dass die Ereignisse von damals ausreichend aufgearbeitet worden seien. Es fehle zum Beispiel eine Auswertung darüber, warum manche Pflegeeinrichtungen sehr wenige Opfer zu beklagen hatten und in anderen 60 - 70 Prozent der Menschen gestorben seien. "Hat das wirklich nur strukturelle Gründe, weil da mehr Alte und Kranke gelebt haben, oder haben einige einfach besser vorgesorgt?", fragt Kaczynski. Mit diesem Wissen könnten in Zukunft Opfer vermieden werden und zusätzlich vielleicht sogar zu große Härten wie totale Kontaktsperren.

Statt Schuldzuweisungen aus Fehlern lernen

Andreas Kaczynski meint zudem, dass zu einer guten Vorbereitung auch eine Diskussion über die psychischen Folgen von Corona-Maßnahmen gehöre. Viele Dinge wie totale Betretungsverbote für Alteneinrichtungen und Krankenhäuser hätten großen seelisches Leid bei Kranken und Angehörigen mit sich gebracht. Schulschließungen hätten vielen Kindern und Jugendlichen psychisch schwer geschadet. Und die Impfpflicht habe die Gesellschaft in Impfbefürworter und Impfgegner gespalten. Viele Zerwürfnisse von damals bestünden bis heute mit ernsten Folgen für unsere Demokratie.

Untersuchunsgsausschüsse reichten nicht

Er betont, es reiche nicht, jetzt Untersuchungsausschüsse einzusetzen, um Schuldfragen zu klären. Darum gehe es eigentlich nicht. Viel wichtiger sei es zu lernen, was organisatorisch, politisch und ethisch besser gemacht werden könne. Nicht zuletzt müssten alle auch materiell besser vorbereitet sein. Denn er glaubt nicht, dass wir für eine neue Bedrohung gerüstet seien. "Längst nicht jede Einrichtung ist heute technisch so ausgestattet, dass sie von jetzt auf gleich die medizinische Versorgung sicherstellen könnte", sagt er. 

Es fehlten in vielen Kranken- und Pflegeeinrichtungen Materialien der Hygienevorsorge wie Masken und Schutzanzüge, Desinfektionsmittel und medizinische Geräte. Auch die spezielle Schulung des Personals sei wichtig und oft nicht erfolgt.

Bundesländer sorgen unterschiedlich vor

Für die materielle Versorgung von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen im Katastrophenfall sind im Prinzip die Bundesländer zuständig. Die handhaben diese Verantwortung aber unterschiedlich. Bayern etwa betreibt ein großes Zentrallager, das Material bevorratet. Weil solches Material aber auch altert und seine Haltbarkeit abläuft, versorgt das Lager auch THW und Hilfseinrichtungen, die bei Naturkatastrophen im In- und Ausland helfen.

Ähnlich agiert Berlin. Für den normalen Betrieb und noch beherrschbare Notsituationen sollen die Einrichtungen selbst vorsorgen. Darüber hinaus gibt es ein Sanitätsmittellager, das auch für andere Notlagen herangezogen wird.

Brandenburg hingegen ist immer noch bei der Planung für ein landeseigenes Depot für Schutzausrüstungen und medizinisch Notwendiges. Wann das kommt? Vielleicht mit der neuen Regierung. Noch sind Heime und Kliniken offensichtlich auf sich gestellt.

Warten auf die "Nationale Reserve"

Eigentlich könnten die dann auf die "Nationale Reserve Gesundheitsschutz" - kurz NRGS - vertrauen, die von der damaligen Bundesregierung 2020 beschlossen wurde. Sie soll demnach "die Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sowie der Schutz besonders gefährdeter Personengruppen mit notwendigen medizinischen Verbrauchsgütern für insgesamt sechs Monate sicherstellen". Am besten sollte das mit Materialien passieren, die in Deutschland produziert worden sind, um nicht wieder auf knappe und überteuerte Produkte aus dem Ausland angewiesen zu sein.

Allerdings stellte der Bundesrechnungshof Mitte 2023 in einem Prüfbericht lapidar fest: "Bis heute haben die verantwortlichen Ministerien nicht einmal ein Konzept für diese NRGS vorgelegt."

Jetzt, weitere anderthalb Jahre später, ist die Situation nicht grundlegend besser. Die beteiligten Ministerien kooperierten nicht. Es fehlten Regelungen zur Verteilung der Mittel sowie klare Entscheidungsstrukturen. So gab das Finanzministerium die Mittel nicht frei, die das Gesundheitsministerium beantragte.  Das schreibt heute: "Im Rahmen der bisherigen Beratungen für den Bundeshaushalt 2025 konnten im NRGS-Titel bislang keine Haushaltsmittel zur weiteren Konzeptionierung der NRGS veranschlagt werden."

Heimische Produktion kommt nicht gut voran

Auch die Förderung heimischer Produktion von Hygienematerialien, Schutzausrüstung, Arzneimittel und Medizinprodukten steckt in den Kinderschuhen. Zudem ist sie oft für Unternehmen nicht ausreichend wirtschaftlich, denn öffentliche Stellen müssen eigentlich immer die günstigsten Angebote erwerben. Die aber kommen in der Regel aus dem Ausland wegen niedrigerer Produktionskosten. Die deutschen Anbieter bleiben auf ihren Produkten sitzen, trotz Förderung. Das will keiner riskieren.

Bessere Kommunikation und Verwaltung

Dennoch, sagen Expertinnen und Experten aller Fachrichtungen, gebe es Aspekte der Pandemievorsorge, die Mut machten. Corona habe zu einem Schub bei der Digitalisierung in Deutschland geführt. Kommunikation untereinander und Verwaltung sind dadurch etwas einfacher. Vorbei die Zeiten, als Gesundheitsämter Infektionszahlen nur weiterleiten konnten, wenn eine Person das Faxgerät bedient hat. Und auch die Abstimmung zwischen Behörden und betroffenen Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen ist inzwischen besser organisiert.

Zudem wird weltweit an der Entwicklung neuer und innovativer Medikamente geforscht. Das erhöht die Chancen, gegen neue Erreger schneller Gegenmittel zu haben.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 02. Januar 2025 um 12:00 Uhr.