EU-Finanzminister beraten über Transaktionssteuer Eine unendliche Geschichte
Mit viel Getöse war die Finanztransaktionssteuer von Kommissionschef Barroso angekündigt worden - mittlerweile beraten nur noch elf EU-Staaten über deren Einführung. Ob und in welcher Form die Steuer kommt, ist immer noch offen.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble glaubt an den Neustart beim heutigen Treffen mit den Gleichgesinnten in Sachen Finanztransaktionssteuer: "Ich hoffe, dass wir einen Schritt weiter vorankommen, ich glaube das auch." Hoffen und Glauben - besser kann man die unendliche Geschichte der Finanztransaktionssteuer wohl nicht auf einen Nenner bringen.
Wiedervorlage während der Finanzkrise
An Fahrt gewonnen hat die Idee mit dem Ausbruch der Weltfinanzkrise und den nicht einmal mehr in Milliarden zu zählenden Belastungen für den Steuerzahler. Vor zweieinhalb Jahren sprang dann die EU-Kommission auf den fahrenden Zug: Auf alle Geschäfte mit Aktien, Anleihen und Derivaten solle eine Abgabe fällig werden - im Zehntel- beziehungsweise im Hundertstelprozentbereich. Es sei an der Zeit, dass der Finanzsektor der Gesellschaft auch etwas zurückgebe, so Kommissionschef José-Manuel Barroso.
Im deutschen Finanzminister fand er den beharrlichsten Fürsprecher. Wobei der immer wieder noch ein anderen Effekt der Steuer ins Feld führt: Wenn die Finanzakteure bei jeder Transaktion Gebühren abführen müssten, überlegten sie künftig vielleicht zweimal. "Es ist auch ein Instrument, um in diesen irrationalen Übertreibungen in den Finanzmärkten durch Elemente der Entschleunigung ein ganzes Stück weit entgegenzuwirken", so Schäuble.
Kritik aus Großbritannien und Schweden
Mit solchen Argumenten drang er aber keineswegs bei allen seiner Amtskollegen durch. Der britische Finanzminister winkte sowieso ab, und auch Schwedens oberster Kassenwart Anders Borg sieht in der Finanztransaktionssteuer eher eine Wachstumsbremse: "Das würde die Kreditkosten für Wohneigentum in die Höhe treiben, das würde die Kapitalkosten für Unternehmen in die Höhen treiben und auch die Kosten für die Regierungen." Und weil in Steuerangelegenheiten schon ein Nein reicht, musste das Projekt einer EU-weiten Börsensteuer begraben werden.
Übrig blieb eine Gruppe von elf Staaten
Vor Jahresfrist erklärten sich dann wenigstens elf Staaten bereit, ohne die anderen voranzuschreiten. Neben Deutschland sind immerhin auch die anderen Schwergewichte der Eurozone, Frankreich, Italien und Spanien, mit von der Partie. Aber seit einiger Zeit hört man eigentlich nur noch die Bedenkenträger. So wie der liberale Europaabgeordnete Wolf Klinz, der das Projekt einer Finanztranskationssteuer light in nur einigen EU-Staaten für gefährlich hält: "Das Ganze ist jetzt gar nicht mehr ausgegoren. Es führt zu einer Wettbewerbsverzerrung, es würde auch den Konsumenten teuer zu stehen kommen. Es ist einfach nicht mehr sinnvoll. Deshalb bin ich jetzt absolut dagegen."
Andere halten die Absicht für weltfremd, die Steuer weltweit einzutreiben - also egal, wo die Papiere von Unternehmen aus den Teilnehmerstaaten gehandelt werden. Und Frankreich möchte auf einmal mit Rücksicht auf die heimischen Großbanken am liebsten das Riesensegment der Derivategeschäfte außen vor lassen.
Vom Tiger zum Bettvorleger
Und so tritt der Bundesfinanzminister vor dem heutigen Treffen schon mal ein bisschen den Rückzug an: "Möglicherweise müssen wir nicht in einem Schritt die ganze Finanztransaktionssteuer einführen, sondern Schritt für Schritt vorangehen. Damit schmelzen aber auch die erhofften Einnahmen aus der Steuer von ursprünglich mal 50 Milliarden Euro pro Jahr wie Eis in der Sonne dahin. Die als Tiger gestartete Finanztransaktionssteuer dürfte also als Bettvorleger enden - wenn überhaupt. Und die versprochene Beteiligung der Krisenverursacher an den Kosten der Krise wird mal wieder verschoben.