Aufgezogene Spritzen mit Impfstoff gegen Covid-19 liegen in einer Schale.
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Biotech-Branche Woran BioNTech nach Corona forscht

Stand: 06.08.2024 10:05 Uhr

Das Mainzer Unternehmen BioNTech kennt seit der Pandemie jeder. Doch inzwischen ist es ruhig geworden um den Biotech-Konzern. Dabei arbeitet das Unternehmen im Hintergrund fleißig weiter.

Von Alina Leimbach, ARD-Finanzredaktion

An der Goldgrube - so lautet die Adresse von BioNTech an dessen Hauptsitz in Mainz. Und eine Goldgrube waren die Geschäfte des deutschen Biotechnologieunternehmens auch lange. 2022 erzielte BioNTech mit dem Coronaimpfstoff Comirnaty einen Gewinn von mehr als zehn Milliarden Euro.

Doch der große Hype ist vorbei. Impfstoffe sind ohne Lockdown und Ausgangssperre weniger gefragt. Zuletzt meldete BioNTech einen Nettoverlust für das erste Halbjahr über 1,1 Milliarden Euro. Beim US-Konkurrenten Moderna sieht es ähnlich aus. Hier steht ein Minus von 1,3 Milliarden US-Dollar in den ersten sechs Monaten des Jahres.

Rückkehr zur Krebsforschung

Die Gründe liegen auf der Hand: "Weil die Pandemie zwar nicht vorbei ist, wir aber alle irgendwie immunisiert sind, bricht das Geschäft jetzt ein", sagt Stefan Riße, Kapitalmarktstratege beim Vermögensverwalter Acatis.

Die Folge: Unternehmen wie BioNTech und Co. kehren zurück zu ihren eigentlichen Wurzeln, zur Krebsforschung. Die große Hoffnung: Dass irgendwann eine Impfung gegen Krebs möglich sein könnte durch die mRNA-Technologie. Außerdem will man schonendere Therapien entwickeln als etwa die heutige Chemotherapie.

BioNTech will jährlich neue Krebsmedikamente

BioNTech bleibt derzeit bei seinem Ziel, dass 2026 sein erstes Krebsmedikament zugelassen wird. Danach soll jährlich ein weiteres folgen. "Wir machen Fortschritte hin zu unserem Ziel, ein Unternehmen mit zugelassenen Medikamenten gegen Krebs und Infektionskrankheiten zu werden", sagte Unternehmenschef und Mitbegründer Ugur Sahin.

Allein im zweiten Quartal investierten die Mainzer nach eigenen Angaben 525,6 Millionen Euro in "nicht-Covid-19-bezogene Aktivitäten", also vor allem in die Onkologie und Präparate gegen Infektionskrankheiten - das waren den Angaben zufolge rund 90 Prozent aller Forschungs- und Entwicklungskosten. 

Schneller Gewinn winkt gerade nicht

Acatis-Analyst Riße findet es zu verschmerzen, dass es nun kurzfristig Verluste gibt. "Das Unternehmen arbeitet an längerfristigen, revolutionären Medikamenten", sagt er. Eher unbemerkt von der größeren Öffentlichkeit, stehe BioNTech gut dar, findet Riße: "41 Medikamente hat BioNTech in der Entwicklung, und davon sind bereits zwei in der letzten klinischen Erprobungsphase."

Gerade erst zeigte ein Medikament gegen fortgeschrittenen schwarzen Hautkrebs nach Angaben des Unternehmens positive Zwischenergebnisse. "Aber insgesamt ist die Biotechnologiebranche gerade nichts für kurzfristige Anleger, die auf schnellen Gewinn aus sind", sagt der Kapitalmarktexperte.

Anleger wollen mit Abnehmspritzen Kasse machen

Die haben sich daher längst auf ein neues Lieblingsprodukt eingeschossen: Abnehmspritzen. Hersteller wie Novo Nordisk und Eli Lilly stehen hoch im Kurs - und haben die Biotech-Branche als die neuen "Hype-Unternehmen" abgelöst. Der Wert von Novo Nordisk Papieren hat sich seit 2020 vervierfacht, beim US-Pharmariesen Eli Lilly haben die Papiere noch drastischer an Wert gewonnen.

Und auch wenn sich der aktuelle Hype mit den Spritzen etwas abgekühlt hat. Analysen bescheinigen den Herstellern einen noch wachsenden Absatzmarkt: So könnte sich die Zahl der Adipösen laut World Obesity Federation bis 2035 weltweit auf über 1,9 Milliarden Menschen fast verdoppeln.

"Dazu kommt, dass sich andeutet, dass die Abnehmspritzen sich auch auf weitere Krankheitsbilder positiv auswirken könnten", sagt Sebastian Hofbeck, Pharma-Spezialist bei der Vermögensverwaltung DJE Kapital AG. Etwa gebe etwa erste Studien, die Effekte bei Schlafapnoe oder Nierenleiden zeigten.

"Nicht jedes Unternehmen wird Erfolg haben"

Auch Acatis-Analyst Riße merkt, wie sich der Fokus verschoben hat: "Gerade schauen alle nur auf die Abnehmspritzen. Unser Gründer war letztens auf einer Konferenz zu Biotechnologie-Aktien - und saß auch schon mal als einziger Zuhörer da."

Für ihn und seine Firma sei das aber gar nicht mal so schlecht, immerhin will er Geld verdienen. "Oft ist es ja dann das spannende, in solche Unternehmen zu investieren, wo gerade nicht alle dran interessiert sind, weil die eben auch günstiger sind." Er räumt aber auch ein: "Da wird nicht jedes Unternehmen Erfolg haben. Bei den Impfstoffen etwa hat es das Unternehmen CureVac dann ja auch nicht mal bis zum Impfstoff geschafft."

Für Menschen mit Krankheiten wäre ein weiterer Durchbruch der Biotech-Branche sicher wünschenswert. Doch auch das lehrt die Erfahrung der Börse: Längst nicht jeder Hype vergoldet sich. Und gerade Biotech ist eine Hochrisikobranche. Es können große Gewinne rausspringen - aber auch enorme Verluste.