Statt Schreddern Bündnis für erleichterte Kleiderspenden
Die Warenlager der Modehändler quellen über. Viele würden die Kleidung gerne spenden - doch das ist oft teurer, als sie zu vernichten. Ein ungewöhnliches Bündnis verlangt Abhilfe von der Politik.
Es ist eine ungewöhnliche Allianz, die sich am Vormittag auf dem Podium der Bundespressekonferenz zusammengefunden hat: Die Grünen haben zusammen mit dem Einzelhandelsverband Deutschland (HDE) und dem paritätischen Wohlfahrtsverband ihre Initiative #SpendenStattVernichten vorgestellt. Sie fordern die Bundesregierung auf, die Umsatzsteuer auf Sachspenden abzuschaffen.
Hilfe für Einzelhandel und Bedürftige
Gleich zwei akute Probleme sollen so angegangen werden: Zum einen bleibt die Textilbranche gerade wegen des Lockdowns auf großen Mengen unverkaufter Ware sitzen. In den Lagern befänden sich derzeit rund 500 Millionen Kleidungsstücke und Schuhe, sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Kathrin Göring-Eckardt. Verkauft werden können sie kaum noch, weil auch Kleidung in vielen Fällen "verderblich" ist. Die Lager müssen jetzt frei gemacht werden für die Frühjahrssaison, und im kommenden Winter ist die jetzige Kollektion eben nicht mehr "in Mode".
Gleichzeitig würden solche Dinge von vielen armen Menschen dringend benötigt, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtverbandes, Ulrich Schneider. Doch momentan müssten die Händler, von denen viele im Lockdown ohnehin ein kräftiges Minus machen, sogar noch draufzahlen, wenn sie die nichtverkaufte Ware spenden wollten. Günstiger ist es, die Ware einfach zu vernichten.
"Wer schreddert, wird belohnt"
Das mute dekadent an, sagte Schneider: "Wenn der, der schreddert, belohnt und der, der spendet, bestraft wird, dann stimmt etwas nicht mit unserem Steuerrecht. Das sagt der gesunde Menschenverstand, dann muss da was faul sein." Wenn tatsächlich Milliarden von Werten vernichtete werden sollten, während gleichzeitig Millionen von Menschen dringend auf solche Spenden angewiesen seien, dann sei dies ein Schildbürgerstreich. Dabei sollte es "eigentlich in der fünftwirtschaftsstärksten Nation nicht nötig sein, dass Menschen auf Kleiderspenden angewiesen sind", so Schneider.
HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth verwies darauf, dass kein Händler seine Waren freiwillig vernichte. Viele würden damit lieber Bedürftigen helfen, doch "nach den gesetzlichen Vorgaben wäre die Vernichtung von Waren oft die günstigere Alternative", sagte auch er. Demnach unterliegt die Spende eines Produkts ebenso wie dessen Verkauf grundsätzlich der Umsatzsteuerpflicht. "Diesen Fehlanreiz muss Olaf Scholz korrigieren und mit einem Erlass an die Finanzminister deutlich machen, dass das geht. Bislang hat er sich geweigert," so Göring-Eckardt.
Steuerregelung wie bei Lebensmitteln für Tafeln geplant
Auf Nachfrage im Finanzministerium heißt es, man arbeite bereits an einer Lösung für das akute Problem. Bundesfinanzminister Olaf Scholz wolle auf die Umsatzbesteuerung von Waren verzichten, die von durch die Corona-Pandemie betroffenen Einzelhändlern an steuerbegünstigte Organisationen gespendet werden. Es handelt sich um eine sogenannte Billigkeitsregelung, die bis zum 31. Dezember 2021 gelten soll. "Ein entsprechender Vorschlag ist am vergangenen Freitag an die Finanzministerien der Bundesländer verschickt worden, die der Regelung zustimmen müssen," so eine Sprecherin des Ministeriums.
Mit demselben Instrument sind seit 2012 auch Lebensmittelspenden an wohltätige Organisationen wie die Tafel von der Umsatzsteuer befreit. Die Umsatzsteuer fällt hier nicht komplett weg, da Deutschland an die Mehrwertsteuerrichtlinie der EU gebunden ist. Die Bemessungsgrundlage wird bei verderblicher Ware aber einfach auf Null gesetzt. Darauf muss dann keine Steuer gezahlt werden.
Dauerhafte Lösung für Kleiderspenden gefordert
Grundsätzlich begrüßt das Bündnis #SpendenStattVernichten diese Regelung. Es müsse aber auch Rechtssicherheit für die Zeit nach dem 31.12.2021 gefunden werden, denn: "Wir haben es ja mit Betriebsprüfungen ein Jahr danach zu tun. Da hilft es wenig, wenn der Betriebsprüfer den Wert dieser Ware dann ganz anders taxiert und dann doch eine Umsatzsteuerpflicht möglicherweise die Folge ist. Dadurch hätten wir eine große Unsicherheit", sagte HDE-Geschäftsführer Genth. Man wolle auch weiterhin unverkäufliche Ware zu einem symbolischen Preis an gemeinnützige, karitative Organisationen abgeben dürfen - ohne dass dadurch eine große Steuerpflicht ausgelöst werde.