Mitarbeiter verlassen ihre Schicht im Northvolt-Werk in Skellefteå, Schweden
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Batterieunternehmen in der Krise Wie es bei Northvolt jetzt weitergeht

Stand: 23.11.2024 05:30 Uhr

Viele Hoffnungen sind in Europa mit dem Batteriehersteller Northvolt verbunden worden. Nun hat das Unternehmen in den USA Gläubigerschutz beantragt. Was bedeutet das? Wie sind die Chancen, dass die Firma ihre Krise übersteht?

Schon länger war es befürchtet worden - nun hat der schwedische Batteriehersteller Northvolt in den USA Gläubigerschutz beantragt. Das Unternehmen, das lange als Europas "Batteriehoffnung" gehandelt wurde und auch eine große Fabrik in Heide in Schleswig-Holstein bauen will, strebt ein Restrukturierungsverfahren gemäß "Chapter 11" des US-Insolvenzrechts an. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was ist das Besondere an Northvolt?

Europa will mitmischen auf dem Batteriemarkt - und sich dadurch unabhängiger machen von ausländischen, vor allem chinesischen Batterieherstellern. Und Northvolt ist einer der Hoffnungsträger für eine eigenständige, europäisches Batterieproduktion. Denn, so sagt etwa der Batterieexperte Tim Wicke vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI): "Northvolt ist mit das erste europäische Unternehmen, das es in die zweite Phase, in die Produktion geschafft hat. Andere Projekte wie Italvolt oder Britishvolt haben nicht einmal die Finanzierungsrunde überstanden."

Nach eigenen Angaben will Northvolt zudem die umweltfreundlichste Batterie der Welt produzieren. Beteiligt an dem Unternehmen sind auch Schwergewichte der europäischen Autobranche: So ist Volkswagen der größte Anteilseigner, auch BMW hat in das Start-up investiert.

Wo produziert Northvolt derzeit Batterien?

Die erste sogenannte Northvolt-"Gigafactory", also eine besonders große Fabrik, das Werk "Ett", befindet sich nahe des schwedischen Orts Skellefteå. 2021 lief hier die erste Lithium-Ionen-Batteriezelle vom Band. Die Batterie wurde auch von Northvolt konzipiert. Nach Unternehmensangaben arbeiten an dem Standort derzeit mehr 3.500 Beschäftigte. Auch nahe Danzig in Polen im Werk "Dwa" werden in kleinerem Maßstab schon seit 2019 Batterien gefertigt. Geplant sind aber diverse andere Werke, etwa in Heide im Kreis Dithmarschen oder auch in Kanada.

Warum beantragt Northvolt jetzt Gläubigerschutz?

Northvolt steckt tief drin in den roten Zahlen. Der Aufbau der vielen Werke ist teuer - und gleichzeitig kommt weniger Geld rein als gedacht, weil es Schwierigkeiten gibt, die Produktion hochzufahren. So stornierte wegen Lieferschwierigkeiten etwa BMW im Sommer laut "Manager Magazin" einen Milliardenauftrag. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, das Unternehmen verfüge derzeit nur noch über flüssige Mittel in Höhe von 30 Millionen Dollar. Das reicht den Angaben zufolge gerade noch für eine Woche. Zugleich liege der Schuldenberg inzwischen bei 5,8 Milliarden Dollar.

Das Gläubigerverfahren in den USA soll nun helfen, an neues Geld zu kommen - nach Unternehmensangaben 145 Millionen Dollar.

Wie kam es zur Krise?

Northvolt-Mitgründer Peter Carlsson sagte am Freitag in Blick auf die Produktionsziele: "Im Rückblick waren wir überehrgeizig, was das Timing angeht." In eine ähnliche Stoßrichtung geht auch die Analyse des Batterieexperten Wicke vom Fraunhofer-Institut. Er sagt: "Anders als die asiatische Konkurrenz, die über Jahre langsam hochskalieren konnte, muss Northvolt mehr oder weniger aus dem Stand direkt mit Gigafactories, also sehr großen Werken starten, um konkurrenzfähig zu sein." Das sei teuer und zugleich nicht ganz einfach: "Die Batteriefertigung ist sehr kompliziert und aufwändig. Jeder Schritt muss gut in den anderen greifen, sonst gibt es teuren Ausschuss." So liege die Quote von fehlerhaften Teilen in der Branche beim Produktionshochlauf schätzungsweise bei rund 30 Prozent.

Bei Northvolt, glaubt Wicke, könnte der Anteil noch höher liegen. Die Konkurrenz aus Asien habe dagegen schon viele Jahre Vorsprung, auch in Sachen Erfahrung: "Hier wird die Ausschussquote deutlich niedriger geschätzt." Dazu kommt, dass zuletzt auch die Nachfrage nach E-Autos in Europa eingebrochen ist - und gerade die europäischen Hersteller sind wichtige Abnehmer von Northvolt.

Wie geht es mit dem Werk in Deutschland weiter?

Der Bau der Batteriefabrik "Northvolt Drei" in Heide soll nach Unternehmensangaben weitergehen, trotz der Probleme des Mutterkonzerns. Die deutsche Tochtergesellschaft von Northvolt werde unabhängig von der Muttergesellschaft finanziert, teilte Northvolt mit: "Sie ist nicht Teil des Chapter 11-Verfahrens. Das Bauvorhaben bei Heide ist und bleibt ein strategischer Grundpfeiler von Northvolt." Und Deutschland-Chef Christofer Haux ergänzte: "Der Standort genießt höchste Priorität." Experte Wicke sagt aber: "Mit der Ankündigung jetzt wird es wahrscheinlicher, dass das Werk kleiner ausfällt als bisher anvisiert." Wie es mittelfristig weitergehe, hänge aber auch davon ab, ob Northvolt überhaupt am Markt bleibe.

Kann das Unternehmen aus der Krise kommen?

Northvolt-Mitgründer Carlsson sagte, um das Geschäft wieder auf die Spur zu bringen, würden zwischen 1,0 und 1,2 Milliarden Dollar benötigt. Allerdings könnte das nicht ganz einfach werden. So berichtet etwa Reuters, dass Kanada offenbar nicht mehr Geld in Northvolt investieren will. Dort soll in der Provinz Quebec ein Northvolt-Werk entstehen.

Die schwedische Regierung hatte ebenfalls jüngst erklärt, keine Anteile von Northvolt übernehmen zu wollen. Hinzu kommt eine kriselnde Autoindustrie. Allerdings gehen manche Analysten von wieder steigenden E-Auto-Absatzzahlen aus. Zudem hat der schwedische Lkw-Hersteller Scania, ein Northvolt-Kunde, Unterstützung in Höhe von 100 Millionen Dollar zugesagt.