Schifffahrtsbranche Licht und Schatten bei deutschen Reedereien
Beim Stichwort deutsche Reedereien denken die meisten als erstes an den Marktriesen Hapag-Lloyd. Tatsächlich ist die Branche vielfältig, denn viele Reedereien sind klein oder mittelständisch.
Es ist nicht die Größe, auf die es ankommt: Das gilt offenbar unter anderem in der Schifffahrt. "Beim Betreiben von Schiffen sind Größenvorteile, die sogenannten Skaleneffekte, nicht so entscheidend", sagt Nikolaus Schües, Präsident des Branchenverbandes BIMCO, "Reedereien sparen nicht unbedingt viel, wenn sie eine große Flotte haben. Als Reeder können Sie auch gut ein paar wenige Schiffe profitabel bewirtschaften".
In der Öffentlichkeit tauchen Riesen wie Hapag-Lloyd aus Hamburg auf, die im Rekordjahr 2022 fast 35 Milliarden Euro umsetzten. Der größte Teil deutscher Reedereien sind dagegen inhabergeführte Mittelständler. Der Verband Deutscher Reeder listet gut 170 Mitglieder auf. Darunter sind die Branchenriesen für Linienfahrt, Fährverkehr und Kreuzfahrten. Die meisten Mitglieder sind aber kleine und mittlere Unternehmen, hinter denen Familien oder einzelne Unternehmer stecken.
Verschwiegene Hanseaten
Beliebt ist die Rechtsform der haftungsbeschränkten Kommanditgesellschaft ("GmbH & Co. KG"), die wenig kaufmännische Transparenz bieten. Familienunternehmen reden ohnehin ungern über Geschäftszahlen. Bei Reedereien kommt noch hanseatische Diskretion dazu. "Die Zahlen von unserem Unternehmen sind doch nicht so interessant", sagt ein deutscher Reeder im Gespräch. Viel lieber sprechen Schiffsunternehmer darüber, wie ihnen der Staat das Leben und damit das Geschäft erschwert.
Häufig sind alte Reeder-Familien aus Hamburg und Bremen in der Branche. Die Reederei "Aug. Bolten Wm. Miller's Nachfolger" gehört noch den Erben jenes August Bolten, der das Geschäft 1841 von Gründer William Miller übernommen hatte. Andere Traditionsunternehmen wurden verkauft. Die 200 Jahre alte "F. Laeisz Schifffahrtsgesellschaft" ging von den Laeisz-Erben an eine andere Unternehmerfamilie.
Laeisz war berühmt für seine Segelfrachter, von denen der letzte, die Passat, als Jugendherberge in Travemünde liegt. Ihr Schwesterschiff Peking ist Museumsschiff in Hamburg, ein weiteres Schwesterschiff, die Pamir, war 1957 im Sturm gesunken. Die Zeiten der Lastensegler war längst vorbei.
Sanierung und Aufschwung
In Deutschland sind seit Jahrzehnten Containerschiffe vorherrschend. In den zwei Jahrzehnten vor der Finanzkrise wurden Containerschiffe in Deutschland gern von Privatanlegern über Steuersparmodelle finanziert. Überkapazitäten, schrumpfender Welthandel und Finanzierungsprobleme ließen nach 2008 solche Konstruktionen massenweise pleitegehen.
Viele Reedereien vereinbarten damals Sanierungen, was vor allem der damals staatlichen HSH Nordbank und der Commerzbank Milliardenverluste brachte. "Die meisten deutschen Reedereien sind heute solide finanziert," sagt Nikolaus Schües vom Branchenverband Bimco, "Nach der Schifffahrtskrise haben sie Schiffskredite getilgt, kaum neue Schiffe gekauft und zuletzt auch wieder sehr gute Geschäfte gemacht". Nach Corona war die Nachfrage in einem gesundgeschrumpften Markt rasant gewachsen. Reedereien fuhren Riesengewinne ein. Das gelang auch Mittelständlern wie F. Laeisz, die 2022 bei 270 Millionen Umsatz 55 Millionen Gewinn verbuchten.
Vergangenes Jahr liefen die Geschäfte nicht mehr phantastisch, aber immer noch gut. Die Branche investiert wieder in neue Schiffe und in Entwicklung und Erprobung neuer Motoren. Lange Zeit hatte manch mittelständischer Reeder Forderungen nach Ersatz für Schiffsdiesel für modisches Gerede gehalten. "Bei der Dekarbonisierung zieht mittlerweile die ganze Branche mit", sagt Branchenkenner Schües, "Das haben alle eingesehen. Natürlich kostet die Umstellung viel Geld. Auf den Turnschuh heruntergerechnet, den wir aus Asien importieren, sind es aber nur kleine Centbeträge".
Die Pleite von Bertram Rickmers
Guter Geschäftssinn, große Namen und Familientraditionen sind im mittelständischen Reedereigeschäft wichtig. Es schützt aber nicht vor mangelnder Seriosität. Die Rickmers Holding AG ging pleite. Sie gehörte Bertram Rickmers, Spross einer alten Reeder-Familie, an die im Hamburger Hafen der Großsegler Rickmer Rickmers erinnert.
Bertram Rickmers starb vergangenes Jahr. Im Unterschied zu seinem Bruder Erck, der sich in Hamburg eines untadligen Rufs erfreut, war Bertram ein umstrittener Geschäftsmann. Auch für seine Reederei war mit der HSH Nordbank ein Sanierungskonzept ausgearbeitet worden. Es hätte Bertram Rickmers' Einfluss drastisch gemindert. Kurz vor Abschluss versuchte Rickmers, das durch eine heimliche Satzungsänderung auszuhebeln. Die Bank verlor Vertrauen, die Reederei wurde abgewickelt. Im Jahr 2017 ging sie pleite.
Insolvenzverwalter Jens-Sören Schröder klagt nun gegen die Erben des verstorbenen Pleitiers. Er habe Beweise, dass Rickmers illegal Hunderte Millionen aus der Reederei gezogen hat. Die Gläubiger der Reederei-Anleihe versammelten sich vergangene Woche im Hamburger Literaturhaus, um das weitere Vorgehen zu erörtern. Sie hatten vor zehn Jahren 275 Millionen Euro in eine Schuldverschreibung der Rickmers-Reederei investiert. Nun hoffen sie auf einen Erfolg der Klage. Dann würden sie ihr Geld wiedersehen. Mit Zins und Zinsenszins sind mittlerweile gut 300 Millionen offen.