Stahlsparte in der Krise ThyssenKrupp hält am grünen Stahl fest
Mit einem Verlust von 1,4 Milliarden Euro fällt die Jahresbilanz von ThyssenKrupp nicht gerade rosig aus - aber etwas besser als zuvor. Trotzdem gibt es eine Dividende von 15 Cent für die Aktionäre.
Es ist betonter Optimismus, den Konzernchef Miguel Lopez in der Runde seiner Vorstände vor der Presse in der Zentrale in Essen verbreiten möchte. Und deswegen bemüht er auch ein Zitat vom einstigen Bundespräsidenten und Oberbürgermeister von Essen Gustav Heinemann: "Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte."
Stahlsparte bringt Konzern in Schwierigkeiten
Der Weltkonzern ThyssenKrupp mit seinen rund 100.000 Mitarbeitern geht durch unruhige Zeiten, musste noch im Vorjahr einen Verlust von zwei Milliarden Euro verzeichnen, jetzt sind es 1,4 Milliarden Euro. Der Umsatz hat, wie erwartet, um sieben Prozent nachgelassen, aber die Eigenkapitalquote liegt bei 35 Prozent.
Das ist aus Sicht von Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz angesichts der zahlreichen Verlustjahre bemerkenswert. Daher könne man nicht davon reden, dass ThyssenKrupp in Existenznöten sei, wohl aber Thyssenkrupp Steel. "Am Anfang und am Ende steht eine Lösung für die Stahlsparte, wenn es um die Zukunft des ThyssenKrupp-Konzerns geht. Daher muss hier bald eine Lösung her. Eine längere Hängepartie kann sich weder ThyssenKrupp, auch nicht die Mitarbeiter und erst recht nicht die Politik leisten."
Spekulationen über neuen, günstigeren Kurs
Die Stahltochter drückt die Bilanz und deswegen ist Vorstand Miguel Lopez um eine Lösung bemüht. Man arbeite am Verkauf, in ein bis zwei Monaten erwarte man den Businessplan des neuen Vorstandes der Stahltochter. Mit dem tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky sei man weiterhin in guten Verhandlungen, um seinen Anteil von 20 Prozent auf 50 Prozent zu erhöhen.
Der Schlüssel liege vor allem in der Zukunft des grünen Stahls. Darum gab es in den vergangenen Monaten viele Spekulationen. Die Frage stand im Raum, ob ThyssenKrupp - angesichts der hohen Preise für grünen Strom aus Deutschland - einen Ausstieg aus dem Prestigeprojekt plane.
Bund und Land haben zwei Milliarden Euro Fördermittel für den Aufbau einer mit grünem Wasserstoff betriebenen Direktreduktionsanlage bereitgestellt, um damit Stahl emissionsfrei herzustellen. 700 Millionen Euro hat der Konzern mittlerweile davon abgerufen, gab Lopez heute bekannt. Und er möchte an dem Aufbau festhalten. "An der grünen Transformation führt kein Weg vorbe", so Lopez. "In kaum einer anderen Industrie ist der Hebel zur Senkung der Emissionen so groß wie beim Stahl."
Transfortmation zum Grünen Stahl ruckelt
Das Problem sieht er vor allem im Ausbau der Pipelines für den Import von günstigem grünen Strom etwa aus Spanien. Der Strombedarf ist enorm. Nur mit grünem Strom aus Deutschland könnte der Stahl nicht wettbewerbsfähig sein, sagt auch der Umweltökonom Andreas Löschel: "Grüner Strom aus Deutschland wird auch perspektivisch im globalen Vergleich relativ teuer sein." Deshalb sei es für die deutsche Industrie von größter Bedeutung, Importstrategien für günstigen Strom zu entwickeln.
Doch es fehle auch im Ausland an Investitionen. Wenn es nicht gelinge, in Deutschland günstigen grünen Wasserstoff bereitzustellen oder zu importieren, dann würden "Direktreduktionsanlangen mit grünem Strom verstärkt in anderen Regionen betrieben". Sprich: Der grüne Stahl würde dann woanders produziert. Damit wird die Botschaft klar: Die Unternehmen machen Druck auf die Politik, für die nötige Infrastruktur zu sorgen.
Zuversicht für grünen Stahl, Unklarheit für Belegschaft
Miguel Lopez versuchte sich heute in Zuversicht: "Noch ist der Stahl überwiegend grau - auf herkömmlichen Wegen produziert. Künftig wird er immer grüner werden." Das Bekenntnis zur Transformation hin zu einer CO2-neutralen Industrie war deutlich zu vernehmen.
Was Arbeitnehmer von der mittelprächtigen Bilanz des Konzerns zu erwarten haben, das ließ die Unternehmensspitze heute offen. Die IG Metall fürchtete bei den Protesten im Spätsommer einen Stellenabbau von 10.000 Arbeitsplätzen in der Stahlsparte. Davon war heute keine Rede, alles verschoben auf den Businessplan. Nur so viel: Von Standortschließungen sei ihm nichts bekannt, so Lopez heute.