Neuer VW-Chef Oliver Blume Topmanager mit "Handschlagqualität"
Stabwechsel bei Volkswagen: Der bisherige Porsche-Chef Oliver Blume übernimmt auch die Leitung des Mutterkonzerns VW - und startet mit viel Vorschusslorbeeren. Kann er die Erwartungen erfüllen?
Wenn man in diesen Tagen mit Menschen spricht, die Oliver Blume kennen, dann fallen immer wieder diese Worte: Umgänglich sei er. Zugewandt. Immer auf Augenhöhe. Und noch etwas hört man oft: seinen Spitznamen. "Der Olli", so wird er von Menschen genannt, die ihn schon lange kennen. Ein vergleichbarer Spitzname bei seinem Vorgänger Herbert Diess? Undenkbar.
Und vielleicht lässt sich schon daran erkennen, worin der größte Unterschied zwischen diesen beiden Top-Managern liegt. Der eine, Herbert Diess, wirkt auf seine Mitmenschen kühl, distanziert, viele sagen auch: knallhart, keinen Konflikt scheuend. Der andere, Oliver Blume, "der Olli", steht für das Gegenteil. Nahbar, verbindlich, mit Handschlagqualitäten, heißt es aus Kreisen des Betriebsrates.
Belegschaft erwartet die richtigen Signale
Die Art, wie Top-Manager ihre Belegschaft führen, mit ihr in Kontakt treten, ist in jedem Unternehmen wichtig. Aber in kaum einem ist es so wichtig wie im Volkswagen-Konzern - weil dort die Arbeitnehmer deutlich mehr mitregieren als in anderen Unternehmen. Mitbestimmung gehört zu Kern der DNA von Volkswagen. Und deshalb ist es nicht nur entscheidend, dass an der Spitze des Autobauers mit seinen rund 670.000 Beschäftigten jemand steht, der fachlich topqualifiziert ist. Es muss auch jemand sein, der es versteht, mit den VW-Besonderheiten umzugehen und die richtigen Signale an die Belegschaft zu senden.
Oliver Blume, so die Hoffnung vieler im Konzern, könnte so eine Führungsfigur sein. Zum Bild passt, dass der 54-Jährige fast im Schatten der VW-Türme aufgewachsen ist. Er ist in Braunschweig geboren, hat dort sein Abitur gemacht und an der TU Maschinenbau studiert, nach seinem Wehrdienst im Landkreis Gifhorn. Ein Teamplayer sei er, sagen Wegbegleiter, die mit ihm in Braunschweig Tennis gespielt haben. Einer, der schon bei der Bundeswehr auffiel, sagen andere. Nicht nur wegen seiner Größe, sondern auch, weil er viel Energie hatte, sich nicht scheute, im Mittelpunkt zu stehen und überaus komisch Vorgesetzte imitieren konnte.
Die Latte liegt hoch
Oliver Blume tritt seinen neuen Job mit derart vielen Vorschusslorbeeren an, dass er die Latte eigentlich nur reißen kann, fürchtet Automobilexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. "Die Gefahr ist, dass er so hoch gelobt wird, dass er die Erwartungen am Ende nicht erfüllen kann." Die Aufgaben, die vor Blume lägen, seien riesengroß und Blume ja "kein Zauberer". Bisher jedenfalls hat sich Blume erst einen Patzer erlaubt: durch einen fragwürdigen Austausch mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zur Zukunft synthetischer Kraftstoffe. Diese sind für Porsche wichtig, für den VW-Konzern insgesamt dagegen nicht. Das Thema dürfte - und sollte - daher ein Randaspekt bleiben, meint Bratzel.
Der Branchenexperte schätzt an Blume unter anderem, dass dieser sehr strategisch denken und mit seiner Mannschaft verbindlich erreichbare Ziele vereinbaren könne. Bei Porsche hat das zum Erfolg geführt. Das Geschäft läuft, der Sportwagen-Hersteller ist der Renditebringer im Volkswagen-Konzern. Blume will Porsche auch weiterhin führen - neben seinem Job als VW-Chef. Es dürfte fraglich sein, wie lange er das Pensum durchhält. Denn Herbert Diess hat Volkswagen zwar erfolgreich in Richtung Elektromobilität getrimmt und gute Zahlen vorgelegt; gleichzeitig hinterlässt er seinem Nachfolger aber auch zahlreiche Baustellen. "Herbert Diess hat die Ziele richtig gesetzt, aber in der Umsetzung war er nicht so stark", analysiert Bratzel. "Weil er es mit seiner Art nicht geschafft hat, die Leute hinter sich zu bringen."
Software-Entwicklung als Baustelle im Konzern
Das muss jetzt Blume gelingen, vor allem bei der Großbaustelle Software. Volkswagen will die Software für die Zukunftsautos zunehmend selbst entwickeln, hinkt aber den eigenen Zeitplänen weit hinterher; es hakt und knirscht an allen Ecken und Enden. Ob Blume dabei bleibt, dass in Zukunft 60 Prozent der Software in den Autos aus dem eigenen Haus kommen soll: ungewiss. Und noch etwas zeichnet sich jetzt bereits ab: Blume will den Konzernvorstand verkleinern, der unter Diess zuletzt auf zwölf Mitglieder angeschwollen war. Wie er das managt, darauf werden sie in Wolfsburg ganz genau achten. Durchsetzungskraft und Fingerspitzengefühl -bei all den Machtbasen im VW-Konzern wird Oliver Blume beides dringend brauchen.
Eine dieser Machtzentralen: der Gesamtbetriebsrat unter der Vorsitzenden Daniela Cavallo. Der erste Termin für einen gemeinsamen Auftritt vor der Belegschaft steht bereits. Oliver Blume wird dann gerade einmal fünf Tage im Amt sein - und für diesen digitalen Auftritt seine Vorstandssitzung unterbrechen. Auch für die Betriebsversammlung Ende September hat er bereits zugesagt. Die wollte Herbert Diess im vergangenen Herbst eigentlich sausen lassen und sich stattdessen mit Investoren in den USA treffen. Erst nach einem offen ausgetragenen Streit mit Daniela Cavallo knickte er ein und kam doch.
Diesen Unterschied haben sie beim Betriebsrat genau registriert. "Vielversprechend" sei das, heißt es dort. Aber: Gemessen wird Oliver Blume am Ende des Tages nicht an seinen verbindlichen Worten, sondern an seinen Taten. Und am wirtschaftlichen Erfolg des Volkswagen-Konzerns.