Wartende Passagiere

Medienbericht Bahn-Fahrpläne per "Lotterie"?

Stand: 19.08.2024 12:21 Uhr

Die Fahrpläne der Deutschen Bahn mussten dieses Jahr zwischen zwei und drei Millionen Mal geändert werden, haben Recherchen der Süddeutschen Zeitung ergeben. Ein Aufsichtsratsmitglied spricht von "Kontrollverlust".

Signalstörungen, Stellwerksausfälle und kaputte Weichen haben bei der Deutschen Bahn offenbar ein Ausmaß angenommen, das einen geordneten Ablauf des Zugverkehrs kaum noch möglich macht. Das ergaben Recherchen der Süddeutschen Zeitung (SZ). Danach mussten die Fahrpläne der DB allein in diesem Jahr zwischen zwei und drei Millionen Mal geändert werden. Die Planung der Zugfahrten gerate zunehmend zum Lotteriespiel, schreibt die Zeitung.

"Fahrpläne werden nicht mehr gerechnet, sondern nur noch geschätzt", zitiert die SZ ein Mitglied des Aufsichtsrats. Das sei ein "Riesenproblem" und führe zu einem "Kontrollverlust" bei den Fahrplänen. Die Sicherheit des Zugverkehrs sei dadurch zwar nicht beeinträchtigt, unterstreicht der Manager. Die Folgen seien dennoch "katastrophal".

Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender Pro Bahn, zu den Problemen der Deutschen Bahn

tagesschau24, 19.08.2024 15:00 Uhr

Zwei Drittel der Züge kommen "pünktlich"

Unlängst hatte die Deutsche Bahn die Verspätungsstatistik für den Monat Juli veröffentlicht. Danach waren die Fernzüge im Juli zwar wieder pünktlicher unterwegs als im äußerst schwachen Juni. Die Pünktlichkeitsquote lag aber immer noch bei 62 Prozent. Mehr als jeder dritte ICE und IC hatte also eine Verspätung von mindestens sechs Minuten. Ab dieser Zeit geht ein Zug als verspätet in die Statistik ein. Im Juni hatte die Quote noch bei 53 Prozent gelegen. Schwere Unwetter und starke Flutschäden hatten die Pünktlichkeit abstürzen lassen.

Um die Unpünktlichkeit zu reduzieren, halte die Bahn immer mehr Züge in Reserve. Oftmals seien es ältere Modelle, heißt es dazu weiter. Diese würden eingesetzt, wenn die laut Fahrplan vorgesehenen Züge ihr Ziel so spät erreichen, dass die nächste Fahrt hinfällig werde. Die Bereitstellung von Zügen und Personal sei besonders teuer und auf Dauer wohl unbezahlbar, so die SZ.

"Älteste Stellwerkslandschaft in Westeuropa"

Hauptproblem der Deutschen Bahn sind die zahlreichen Baustellen auf dem überlasteten und an vielen Stellen überalterten Streckennetz. Sie bremsen den Bahnverkehr stark aus. Die Bahn hat deshalb das Baustellenmanagement umgestellt und will viele Arbeiten künftig in vorgegebenen Zeitfenstern bündeln.

"Deutschland hat heute die älteste Stellwerkslandschaft in Westeuropa", sagt Philipp Nagl, Vorstandschef der DB Infrago, die als gemeinwohlorientierte DB-Tochter das Schienennetz und die Bahnhöfe betreibt. In veralteten Stellwerken würden museumsreife Schaltpulte mit Tesafilm notdürftig zusammengeklebt, damit sie nicht auseinanderfielen, berichten Angestellte gegenüber der SZ. "In den vergangenen Jahrzehnten wurde zu wenig erneuert, zu wenig in die Sanierung gesteckt", so Nagl.

In diesem Jahr wird die Bahn rund 16 Milliarden Euro ausgeben, um das Schienennetz zu sanieren und zu modernisieren. Nagl stellt fest, dass es in 2024 erstmals gelingen werde, die Überalterung der Infrastruktur zu stoppen und die Trendwende einzuleiten.