Zu wenig Prüfer Stau auf dem Weg zum Führerschein
Der Führerschein ist für viele junge Menschen ein wichtiger Schritt in Richtung Freiheit. Die Ämter, die Prüfer und die Fahrschulen kommen der Nachfrage derzeit aber nicht hinterher. Lässt sich das Problem lösen?
Fabian will heute seinen Führerschein bekommen. Der 18-Jährige ist nervös, sagt er. Der Prüfer sei ein bisschen pingelig heute, hat Fabian von den anderen Prüflingen gehört. Aber trotzdem schaffe er das. Er steht vor seiner Fahrschule in München, raucht eine Zigarette und wartet auf die Prüfer.
Neben ihm steht seine Fahrlehrerin Ulrike Brückl. Sie wirkt mindestens so unruhig wie ihr Schüler. "Ich weiß gar nicht, was für einen Puls ich habe", sagt sie. Prüfungen mache auch sie nervös. Schließlich zeige sich, ob sie Fabian alles beibringen konnte. Und noch ein Grund zur Nervosität: "Wir haben sehr viele Fahrschüler und einfach zu wenig Prüfplätze." Eine Nachprüfung bedeute weniger Termine für andere.
Bundesregierung will die Situation verbessern
Das Interesse am Führerschein ist riesig - seit Jahren steigen die Zahlen massiv. Beispiel München: 34.000 Prüfanträge werden es wohl dieses Jahr sein, darauf deuten die Zahlen der ersten sechs Monate hin. 31.000 waren es im vergangenen Jahr, 29.000 davor. Seit 2020 beträgt das Plus rund 45 Prozent. Wartezeiten von sechs bis acht Wochen sind dabei keine Seltenheit.
In den Bundesländern ist immer nur eine Prüforganisation für die Führerscheine zuständig. In Bayern und Baden-Württemberg ist das der TÜV Süd, in Thüringen beispielsweise die Dekra. Die einzige Ausnahme ist Berlin, hier prüfen sowohl die DEKRA als auch der TÜV. Doch in den anderen Bundesländern gibt es ein Monopol der jeweiligen Prüfungsorganisation.
So nennt es zumindest die Bundesregierung im Koalitionsvertrag von 2021. Seitdem wollen die Ampel-Parteien den Markt eigentlich öffnen. Wenn mehr Prüforganisationen ihre Dienste anbieten, dann gibt es auch mehr Prüfungstermine. Kann es so einfach sein?
Falsche Wortwahl der Bundesregierung?
Ja, sagt ein Sprecher der Gesellschaft für Technische Überwachung (GTÜ) auf Anfrage. Die GTÜ führt Hauptuntersuchungen beim Auto durch oder fertigt Schadensbegutachten an. Führerscheinprüfungen darf sie jedoch nicht anbieten - obwohl jetzt schon 250 ihrer Mitarbeitenden die Voraussetzungen hätten. Etwa, weil sie früher beim TÜV als Prüfer gearbeitet haben. Es fehlt also nur die Zulassung des Arbeitgebers.
Zum Vergleich: In Bayern arbeiten beim TÜV aktuell 415 Mitarbeitende mit Prüferlaubnis. GTÜ-Prüfungen würden das Problem also nicht lösen, aber zumindest ein bisschen helfen. Mehr Prüforganisationen zuzulassen sei eine schlechte Idee, heißt es dagegen vom TÜV Süd. Jürgen Wolz ist zuständig für den Bereich Mobilität und hält das System für eines der besten in Europa: "Es gibt keinerlei Abhängigkeit von Marktanteilen, von Gewinnstreben. Damit sind die Dienstleistungen und die Qualität der Prüfung im Vordergrund. Und dieses Gut würden wir leichtfertig aufs Spiel setzen."
Wolz kritisiert zudem die Wortwahl im Koalitionsvertrag. Es sei kein Monopol, sondern eine Alleinbeauftragung unter strengen Auflagen. Es gehe nicht um einen Markt, sondern darum, sicherzugehen, dass junge Menschen nicht zur Gefahr im Straßenverkehr werden. Ähnlich äußert sich auch die DEKRA auf die Frage, ob sie auch in anderen Bundesländern Prüfungen abnehmen möchte.
Zahl der TÜV-Prüfer um 26 Prozent gestiegen
Der Deutsche Fahrlehrerverband bestätigt, dass es vielerorts an Prüfern fehlt - in den Metropolen, aber auch in vielen ländlicheren Gebieten. Aber deswegen DEKRA, GTÜ und andere Anbieter zuzulassen, schaffe neue, größere Probleme. Wenn mehrere Organisationen um die Prüfungen streiten, sinke deren Qualität, so der Verband.
Auch die Bundesländer sehen das so. Bei der letzten Verkehrsministerkonferenz lehnten sie den Vorschlag der Bundesregierung ab. Mehr Organisationen zuzulassen werde nur neue Probleme schaffen. Sinnvoll wäre es, heißt es vom Fahrlehrerverband, wenn die jeweilige Prüforganisation schlicht mehr Prüferinnen und Prüfer hätte.
Man tue sein Bestes, betont der Sprecher des TÜV Süd. Um 26 Prozent sei die Zahl der Prüfer in Bayern in den vergangenen vier Jahren gestiegen, in München sogar um 48 Prozent. Auch davor sei die Zahl bereits gewachsen. Vergleicht man also die um rund 45 Prozent gestiegene Zahl der Anträge beim KVR München mit den Zahlen des TÜV zeigt sich: Die Situation wird zwar nicht schlimmer, aber verbessern wird sie sich auch nicht.
Fahrprüfer braucht abgeschlossenes Ingenieursstudium
Mehr Prüfer wären zwar nötig, aber sie zu finden ist nicht einfach. Die Voraussetzungen sind hart. Für die Zulassung als Fahrprüfer ist ein abgeschlossenes Ingenieursstudium nötig. Und Ingenieurinnen und Ingenieure sind überall gefragt. Vielleicht könne der Gesetzgeber diese Regel ändern, meinen TÜV und Fahrlehrer. Wozu muss ein Ingenieur auf der Rückbank sitzen? Hier die Voraussetzungen erleichtern und den Fahrschulen wäre geholfen.
Und der Prüfling Fabian? 55 Minuten ist er durch München gefahren. Auf der Rückbank nicht nur ein Mensch vom TÜV, sondern zwei. Der Prüfer hatte einen Kollegen dabei, der demnächst selbst prüfen soll. Einer mehr für München.
Mit großen Schritten kommt Fabian vom Auto gelaufen, atmet laut aus: "Ich war so nervös die ganze Fahrt über. Aber jetzt hab ich’s geschafft!" Für Fabian gibt es den Führerschein, der 18-Jährige darf jetzt alleine Auto fahren. Gute Nachrichten für alle Beteiligten, denn auch für seine Fahrschule bedeutet das: endlich ein Platz frei für den nächsten jungen Menschen.