Reisen in Europa Warum Bahnfahren für viele noch zu unattraktiv ist
Nach einem Greenpeace-Test ist Bahnfahren in Europa oft deutlich teurer als Fliegen - die Umweltschützer beklagen verzerrte Preise. Doch beim Bahnfahren quer durch Europa gibt es noch andere Hindernisse.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace möchte erreichen, dass Bahnfahren innerhalb Europas günstiger und damit attraktiver als das Fliegen wird. So steht es in einer 70-seitigen Analyse, die Ticketpreise der verschiedenen Verkehrsmittel vergleicht.
In der Analyse "Ticket Prices of Planes vs Trains" kritisiert Greenpeace insbesondere die klimaschädlichen Auswirkungen der sogenannten Billigflieger, deren "unfaire und aggressive Preisstrategien" nicht kontrolliert würden. Die Organisation verweist auf ein Extrembeispiel: Auf der Strecke Barcelona-London kostete ein Zugticket bis zu 384 Euro, während die Tester im gleichen Buchungszeitraum einen Flug für 12,99 Euro ergattern konnten.
Europäischer Luftverkehr will laut BdL bis 2050 klimaneutral werden
Anlässlich der Analyse forderte Greenpeace-Reiseexpertin Marissa Reiserer eine europaweite Kerosinsteuer in Höhe von 50 Cent pro Liter. Das würde jährlich rund 46 Milliarden Euro Einnahmen bringen, erklärte sie. "Immer mehr Menschen wollen mit der Bahn reisen und auf Flüge verzichten, doch die fehlende Kerosinsteuer und weitere klimaschädliche Subventionen für die Flugindustrie verzerren die Preise."
Dem hält der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) auf Anfrage von tagesschau.de entgegen: "Der Luftverkehr ist nicht von einer Besteuerung ausgenommen. Allerdings hat der Gesetzgeber sinnvollerweise im Jahr 2010 anstelle einer Kerosinbesteuerung eine Luftverkehrsteuer eingeführt."
Nach Ansicht des BDL würde eine uneinheitliche Besteuerung von Kerosin auf internationaler Ebene zu wettbewerbsschädlichen Effekten führen. "Diese würden lediglich zu einer Verlagerung der CO2-Emissionen in andere Weltregionen führen." Der Luftverkehr sei zudem seit 2012 in den EU-Emissionshandel einbezogen und strebe an, bis 2050 klimaneutral zu werden.
Verpflichtende SAF-Beimischungsquote sorgt für nachhaltige Kraftstoffe
Um dieses Ziel zu erreichen, wird der Einsatz von nachhaltigen Kraftstoffen (Sustainable Aviation Fuel, kurz: SAF) in der Luftfahrt in den kommenden Jahren stark zunehmen. Die Umstellung dürfte für innereuropäische Airlines besonders teuer werden. Denn innerhalb der EU hat sich die Luftfahrtbranche auf eine verpflichtende SAF-Beimischungsquote geeinigt, die in den kommenden Jahren sukzessive steigen wird.
Darüber hinaus sei die freiwillige Kompensation des CO2-Fußabdrucks einer Flugreise durch Passagiere ein Instrument auf dem Weg zum klimaneutralen Luftverkehr, sagte ein BDL-Sprecher zu tagesschau.de. "Wer eine Flugreise nicht vermeiden kann oder will, kann mit einem Beitrag zu Klimaschutzprojekten den CO2-Ausstoß seiner Reise kompensieren."
Deutsche Bahn verweist auf günstige innerdeutsche Verbindungen
Auch die Deutsche Bahn reagierte auf die Greenpeace-Studie und verwies auf gute innerdeutsche Verbindungen, die oft günstiger als das Flugzeug seien. Zudem sei die DB "deutlich günstiger als das Flugzeug, wenn es um die Mitnahme von Kindern und Gepäck geht". Das berücksichtige die Studie von Greenpeace nicht. Auch den Transport vom Flughafen ins Stadtzentrum könnten sich Reisende mit der Bahn oft sparen.
Der Leiter Verkehrspolitik der Allianz pro Schiene, Andreas Geißler, kritisiert jedoch, dass der Ausbau der Schienennetze hinterherhinke. Zudem müsse es Reisenden erleichtert werden, Bahnreisen innerhalb Europas zu buchen. "Bei grenzüberschreitenden Bahnfahrten müssen sich die Reisenden oft mühselig Tickets bei den verschiedenen nationalen Bahngesellschaften zusammenbuchen," so Geißler zu tagesschau.de.
Im Falle einer Verspätung, wenn der Anschlusszug verpasst wird, schaue der Fahrgast dann in manchen Ländern in die Röhre. Das müsse auch mit Blick auf den Klimaschutz vereinfacht werden - laut Alianz pro Schiene ist Bahnfahren innerhalb Deutschlands sieben Mal klimafreundlicher als Fliegen. Die Europäische Umweltagentur veröffentlichte laut Greenpeace eine Studie, in der berechnet wurde, dass Züge in Europa im Durchschnitt fünfmal weniger Treibhausgase pro Passagierkilometer ausstoßen.
Weniger als die Hälfte der Eisenbahngrenzübergänge elektrifiziert
Grundsätzlich lässt sich nach Einschätzung von Greenpeace-Verkehrsexpertin Reiserer aber "nicht der eine Wert finden." Die Emissionen seien von einer Strecke zur anderen unterschiedlich. Es komme auf den Strommix, die Art des Zuges, die Auslastung und ähnliches an. "Aber Fliegen ist immer umweltschädlicher als Bahnfahren, und zwar bei weitem", so Reiserer zu tagesschau.de.
Mit Blick auf die Bahnverbindungen innerhalb Europas sieht der Fahrgastverband Allianz pro Schiene allerdings noch großen Handlungsbedarf, auch was das Schienennetz angeht. So sei nur weniger als die Hälfte der Eisenbahngrenzübergänge von Deutschland ins Ausland elektrifiziert. Das führt laut Allianz pro Schiene dazu, dass auf dem Grenzübergang nach Tschechien beispielsweise die E-Lok abgekoppelt und durch eine Diesel-Lok ersetzt werden müsse.
Das mache die Bahnverbindungen von Deutschland ins Ausland nicht nur langsamer, sondern auch umständlicher. "Da darf man sich nicht wundern, dass der Güterverkehr überwiegend über den Lkw läuft", so der Leiter Verkehrspolitik der Allianz pro Schiene zu tagesschau.de.
In einer vorherigen Version des Textes war die Rede von einer "ICE-Lok", diese Bezeichnung ist jedoch unzutreffend. Daher haben wir die entsprechende Stelle korrigiert und durch "E-Lok" ersetzt.
Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen