Thorsten Gröger

Warnstreiks bei Volkswagen "Wer die Belegschaft ignoriert, spielt mit dem Feuer"

Stand: 02.12.2024 17:49 Uhr

Seit heute Morgen wird bei VW flächendeckend gestreikt. IG-Metall-Verhandlungsführer Gröger warnt vor einer weiteren Eskalation, sollte das Unternehmen nicht von massiven Sparplänen abrücken. Die Konzernspitze bleibt bisher hart.

An neun der zehn deutschen VW-Standorte haben mehrere Zehntausend Mitarbeiter zeitweise die Arbeit niedergelegt und die Bänder zum Stehen gebracht. Bis zum Nachmittag zählte die IG Metall insgesamt rund 66.000 Teilnehmer an dem Ausstand, davon allein 35.000 in Wolfsburg.

Tausende zogen mit einem lautstarken Demonstrationszug durch das Stammwerk und versammelten sich zu einer Kundgebung direkt vor dem Vorstandshochhaus. "Streikbereit! Bundesweit!", skandierten sie in Sprechchören."Wir haben die Schnauze voll", riefen Beschäftigte in Zwickau vor dem Werkstor.

In Braunschweig zogen mehr als Tausend Beschäftigte durch die Stadt. In Hannover forderten Mitarbeiter: "Vorstand raus!" In Kassel-Baunatal machten Beschäftigte des Komponentenwerks mit Trillerpfeifen, Trommeln und Hupkonzerten ihrem Unmut Luft.

Volkswagen-Mitarbeiter nehmen an einem Streik auf dem Gelände des Volkswagen (VW)-Stammwerks in Wolfsburg teil.

Tausende Volkswagen-Mitarbeitende nehmen an einem Streik auf dem Gelände des VW-Stammwerks in Wolfsburg teil.

Protest gegen Werksschließungen und Kündigungen

Es geht um die Bezahlung der rund 120.000 Beschäftigten in den Werken der Volkswagen AG, wo ein eigener Haustarif gilt. Hinzu kommen mehr als 10.000 Mitarbeiter bei VW Sachsen, für die 2021 eine Angleichung an den Haustarif vereinbart wurde.

VW fordert wegen der schwierigen Lage des Konzerns zehn Prozent Lohnkürzung. Zudem stehen Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen im Raum. Die Gewerkschaft IG Metall will das verhindern und fordert stattdessen eine Zukunft für alle Standorte.

"Fronten sehr weit auseinander", Hilke Janssen, NDR zzt Wolfsburg, über den Warnstreik bei VW

tagesschau, 02.12.2024 12:00 Uhr

IG Metall droht mit weiterer Eskalation

Mit den Warnstreiks erhöht die IG Metall nun den Druck. "Aber das ist nur eine Warnung", so IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger in Wolfsburg. Sollte Volkswagen weiter auf seinen Maximalforderungen bestehen, drohe eine Zuspitzung. "Wer die Belegschaft ignoriert, spielt mit dem Feuer - und wir wissen, wie man Funken in Flammen verwandelt!"

In Emden forderte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste, die Konzernspitze auf, die massiven Sparpläne vom Tisch zu nehmen. "Ansonsten brennt Weihnachten nicht nur der Baum, sonst brennt jedes einzelne Werk." In Zwickau drohte der dortige IG-Metall-Bezirksleiter Dirk Schulze bereits mit weiteren Arbeitsniederlegungen: "Sollte der Vorstand nicht zur Vernunft kommen, wird das nicht der letzte Warnstreik sein."

Die nächste Verhandlungsrunde in einer Woche werde hier eine Weichenstellung bringen, sagte Betriebsratschefin Daniela Cavallo. Entweder komme es dann zu einer Annäherung, oder zu einer weiteren Eskalation.

Warnstreik auf zwei Stunden begrenzt

Die derzeitigen Warnstreiks dauern jeweils rund zwei Stunden und sollen danach in jeder Schicht wiederholt werden. Beendet wird der Ausstand erst mit Abschluss der Nachtschicht am Dienstagmorgen.

Zu möglichen Ausfällen in der Produktion sagte ein VW-Sprecher heute Nachmittag: "Die Auswirkungen hielten sich in Grenzen." Zwar habe die Fertigung während der zweistündigen Warnstreiks überall geruht. Man habe sie anschließend aber ohne große Probleme wieder hochfahren können.

VW hatte zuvor erklärt, man respektiere das Recht der Mitarbeiter auf Warnstreiks und setze weiter auf eine einvernehmliche Lösung mit der Arbeitnehmerseite. In der Sache zeigte sich der Konzern aber hart: Ein Gegenkonzept von IG Metall und Betriebsrat für Einsparungen ohne Entlassung und Werksschließung hatte VW erst am Freitag als unzureichend zurückgewiesen.

Ministerpräsident ruft zu Einigung auf

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil appellierte an die Tarifparteien, den seit Wochen schwelenden Konflikt nicht weiter eskalieren zu lassen. "Es ist das gute Recht von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen, und es ist jetzt an der Zeit, dass man sich einigt", sagte der SPD-Politiker, der für das Land auch im VW-Aufsichtsrat sitzt.

"Alle werden sich bewegen müssen, aber eine Einigung erscheint mir möglich und notwendig", so Weil. Das Land Niedersachsen ist mit 20 Prozent der Stimmrechte an VW beteiligt.

Milliarden-Überschuss trotz schwacher Nachfrage

VW begründet die Einschnitte mit hohen Kosten und einer geringen Auslastung. Angesichts der schwachen Nachfrage nach Neuwagen müsse VW seine Sparbemühungen verstärken. Laut Markenchef Thomas Schäfer wird der Konzern dabei um Werksschließungen wohl nicht umhinkommen.

In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres war der Gewinn des Konzerns massiv eingebrochen. Von roten Zahlen ist VW aber weit entfernt: Von Januar bis September verbuchte das Unternehmen nach Steuern noch 1,58 Milliarden Euro Überschuss.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 02. Dezember 2024 um 10:10 Uhr.