EuGH-Gutachten Thermofenster nur sehr eingeschränkt zulässig
Schutz des Fahrzeugs - so lautet das Argument von VW für eine Einrichtung, die die Abgasreinigung jenseits bestimmter Temperaturen abschaltet. Laut EuGH-Gutachten ist dieses Thermofenster aber nur eingeschränkt zulässig.
Volkswagen droht im Rechtsstreit um mutmaßlich vertragswidrige Abschalteinrichtungen eine Schlappe vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der EuGH-Generalanwalt stufte in einem Gutachten die bei Porsche und VW eingesetzten Thermofenster als sehr eingeschränkt zulässig ein. Abgassysteme, bei denen die Abgasreinigung außerhalb eines vorgegebenen Temperaturbereichs und ab einer bestimmten Höhenlage gestoppt wird, verstießen gegen die europäischen Gesetze, erklärte Generalanwalt Athanasios Rantos in seinem Schlussplädoyer.
VW hatte argumentiert, dass diese Systeme dem Schutz des Fahrzeugs dienen. Nach Angaben des EuGH ließ die Software höhere Stickoxid-Emissionen zu, wenn es kälter als 15 beziehungsweise wärmer als 33 Grad Celsius war oder das Auto in mehr als 1000 Höhenmetern gefahren wurde.
"Thermofenster für Fahrbedingungen nicht repräsentativ"
Konkret geht es um drei Fälle, die vor österreichischen Gerichten verhandelt wurden, in denen Autos mit einer Software ausgestattet waren, die in einem bestimmten Thermofenster mehr Emissionen von Stickoxid (NOx) zulässt.
Rantos schließt, dass diese Thermofenster eine Abschalteinrichtung darstellten. Die Systeme seien für die tatsächlichen Fahrbedingungen nicht repräsentativ, da es in Österreich und Deutschland sowie anderen EU-Ländern in den vergangenen Jahren im Schnitt deutlich unter 15 Grad Celsius warm gewesen sei und Autos vielfach in Höhen von mehr als 1000 Metern unterwegs seien. Nach Ansicht des Generalanwalts fällt das Thermofenster auch nicht unter die Ausnahme, die für Einrichtungen vorgesehen ist, die den Motor vor Schäden schützen sollen. Die Einrichtung schone vor allem Anbauteile, deren Funktionieren nicht den Schutz des Motors berühre.
Die Richter am EuGH folgen häufig der Argumentationslinie des Generalanwalts, sind aber nicht daran gebunden. Mit einem Urteil ist in den kommenden Monaten zu rechnen.
Urteil über illegale Software
Die Richter hatten bereits im Dezember 2020, fünf Jahre nach dem Dieselskandal bei Volkswagen, ein wegweisendes Urteil zur Verwendung von Abgas-Software bei Dieselautos gesprochen. Sie entschieden, dass das generelle Verbot einer Software zur Abgasmanipulation ausgehöhlt werde, wenn es durch Ausnahmeregelungen möglich wäre, den Motor dadurch vor Verschmutzung und Verschleiß zu schützen.
Die Hersteller nutzten Lücken im EU-Recht aus, indem sie die Abgasreinigung von Dieselmotoren bei kühlen Temperaturen drosseln oder ganz abschalten. Fast alle Autobauer nutzen Thermofenster und argumentieren dafür mit dem Motorschutz.