Konkurrenzanalyse Wirtschaftsspione wollen sie nicht sein
Auf dem "Deutschen Competitive Intelligence Forums" kommen moderne Wirtschaftsspione zusammen. Sie selbst nennen sich Konkurrenzaufklärer - und arbeiten mit legalen Mitteln.
Als Student arbeitete Dietmar Pfaff bei einem Autovermieter am Frankfurter Flughafen. Eines Tages kamen für eine Messe jede Menge Geschäftsleute. Der angehende Betriebswirt bemerkte, dass immer mehr Kundinnen und Kunden an Schaltern der Konkurrenz abgewiesen wurden. Er ging ins Parkhaus und zählte die verfügbaren Mietwagen. Offenbar leerten sich die Depots rasant.
Pfaff rief Kommilitonen an und ließ sie von Vermietungsstationen in Hanau, Gießen, Wiesbaden und Darmstadt Autos heranbringen - ein Bombengeschäft für den Vermieter, der als einziger lieferfähig blieb. Anfang dieser Woche erzählte der heutige Kölner Fachhochschullehrer Pfaff beim deutschen Jahreskongress der Konkurrenzaufklärer in Frankfurt am Main mit der Anekdote ein simples Beispiel findiger Wirtschaftsspionage.
Man spricht von "Intelligence"
Von Wirtschaftsspionage würden die Damen und Herren des "Deutschen Competitive Intelligence Forums" nie reden. Sie betreiben Aufklärung und Analyse und pochen darauf, ausschließlich legale Mittel einzusetzen. Spionage ist dagegen illegal. Die oft biederen Menschen beim Kongress machen auch nicht den Eindruck, als könnten sie über Zäune klettern oder Mitarbeitende von Unternehmen becircen und bestechen. Es kamen etwa sechzig Männer und Frauen zusammen, die entweder in großen Unternehmen Konkurrenz und Märkte beobachten oder als Dienstleister für Kundenunternehmen Aufklärungsaufträge erledigen.
In alter Zeit standen Wirtschaftsspione regelmäßig vor Werkstoren und zählten Lastwagen, beobachteten bei Messen den Betrieb auf Ständen ihrer Zielunternehmen und schraubten Konkurrenzprodukte auseinander. Im Kleinen ist Handarbeit noch immer wichtig und sinnvoll - etwa beim schnellen Beurteilen der Lieferfähigkeit von Autovermietern an Flughäfen. Doch hat sich die Arbeit mit dem Internet völlig verändert. Vor dreißig Jahren gab es plötzlich massenweise Daten in brauchbarer Qualität frei Haus. Der Kongress der Konkurrenzaufklärer machte deutlich: Das Geschäft steht mit Künstlicher Intelligenz (KI) vor einem neuen Umbruch.
Ermittlungen mit Künstlicher Intelligenz
Die Corma in Düsseldorf ist eine Online-Detektei. Geschäftsführer Jörn Weber nutzt KI, um Geschäftsberichte und schwer lesbare html-Texte zu durchsuchen und zu analysieren - für Personenrecherchen, aber auch, um Ermittlungspläne zu entwickeln.
"Seit ich mit KI arbeite, lese ich viel mehr", sagt Weber. "Sie haben mehr Zeit für Qualität." Mit KI müsse man reden wie mit einem Siebenjährigen. Dann käme eine "Mischung zwischen einem sehr guten Praktikanten und einem guten Assistenten" heraus. Mit einer klaren Ausnahme, berichtet Weber: "KI gibt keine Widerworte, wenn man sagt: *Mach das nochmal!* Manchmal entschuldigt sie sich sogar."
Jochen Spuck von Econsight erzählt, früher habe er Tage mit Lektüre langweiliger Patentunterlagen verbracht: "Das mache ich nicht mehr. Das will ich auch nicht." Spucks Firma Econsight in Basel hat eine Datenbank mit 150 Millionen Patentschriften aufgebaut. Heute durchsucht die KI die Bestände. Wenn beispielsweise ein Unternehmen Ausschau nach einem möglichen Kaufobjekt hält, kann es ein Branchendossier bestellen. Die Unternehmen mit den meisten und besten einschlägigen Patenten werden ausgefiltert und beschrieben. "Die haben mehr Chancen, in Zukunft zu gewinnen", sagt Spuck.
Konkurrenzbeobachtung hilft auch intern
Über Analysen des Marktes und der Konkurrenz gelingt es Unternehmen aber auch, die eigene Produktion zu verbessern. "Wie beurteile ich, ob ein neues Produkt ein Erfolg wird oder ein Flop?" fragt Yvon- Laurent Lusseault von Bosch. Häufig würden Produktentwickler sich nur auf Daten verlassen, die zur Bestärkung des eigenen Gefühls beschafft würden.
Wer durch unternehmensinterne Künstliche Intelligenz gezwungen werde, Daten über Kundenbedarf, Konkurrenzlage, Machbarkeit und Profitabilität zu beachten, werde die besseren Produkte entwickeln. "Wir müssen die Daten ihre Geschichte erzählen lassen", betont Lusseault.