Rückansicht eines Paares, das in Decke eingewickelt ist.

Neue Studie Wie sich Liebe im Gehirn zeigt

Stand: 12.09.2024 13:42 Uhr

Liebe - für die meisten wohl das schönste Gefühl der Welt. Doch wie lässt sich nachweisen, dass man einen Menschen liebt? Forschende aus Finnland haben herausgefunden, dass Liebe im Gehirn sichtbar ist.

Von Marlène Seibold und Miriam Mair, SWR

In einer neuen Studie haben der Wissenschaftler Pärttyli Rinne und sein Team von der Aalto-Universität in Finnland untersucht, wie sich verschiedene Arten von Liebe auf unterschiedliche Weise im Gehirn zeigen.

Dabei unterschieden die Forschenden zwischen sechs verschiedenen Formen der Liebe: die Liebe zum Partner, zu eigenen Kindern, zu Freunden, zu Haustieren, zur Natur und die mitfühlende Liebe zu Fremden.

Was ist eigentlich Liebe?

Laut Rinne gibt es keine allgemein anerkannte Definition für Liebe. "Man kann Gott lieben, man kann Schokolade lieben, man kann sogar Heroin lieben. Die Objekte der Liebe sind im Grunde grenzenlos", sagt der Experte im SWR. Dabei bedeutet Liebe für jeden etwas anderes.

Laut Rinne verbinden viele mit ihr oft "warme Gefühle und das Wohlwollen innerhalb der engsten Bindungen". Am besten erforscht ist bislang die romantische Liebe. Rinne und sein Team wollten mit ihrer Forschung aber diverse Arten von Liebe untersuchen, um Ähnlichkeiten und Unterschiede im Gehirn festzustellen.

Wäschewaschen als Auslöser für Liebe zum Partner

Für die Studie hörten 55 Versuchspersonen aus der Region um die finnische Hauptstadt Helsinki mehrere Geschichten. "Ein Beispiel für eine Geschichte könnte sein, dass Sie mit Ihrem Partner in der Waschküche sind. Ihr Partner belädt die Waschmaschine mit Wäsche und plötzlich erinnern Sie sich daran, was für ein wundervoller Mensch er ist. Sie empfinden Liebe für Ihren Partner", sagt Rinne.

Im Anschluss sollten die Versuchspersonen die Geschichten für zehn Sekunden möglichst intensiv gedanklich nachvollziehen. Als Kontrolle präsentierten die Forschenden auch "neutrale" Geschichten, mit denen keine Liebe assoziiert werden sollte.

Um die Liebe auch wirklich im Gehirn sichtbar machen zu können, maßen sie die Hirnaktivität mittels Funktioneller Magnetresonanztomographie. Diese Methode ist ein bildgebendes Verfahren und misst Veränderungen der Durchblutung in verschiedenen Hirnregionen, die durch den Energiebedarf aktiver Nervenzellen hervorgerufen werden. Die am stärksten durchbluteten Hirnareale sollten einen Hinweis darauf geben, dass hier Liebe empfunden wird.

Liebe hinterlässt "Fingerabdrücke"

Die Ergebnisse zeigten: Unser Gehirn erzeugt ganz unterschiedliche neuronale "Fingerabdrücke" für die verschiedenen Formen der Liebe. Sie aktivieren verschiedene Hirnregionen, wobei sie sich in ihrer Intensität unterscheiden. Liebe zwischen Partnern und ihren Kindern löst beispielsweise starke Reaktionen im Belohnungssystem und in den sozialen Netze des Gehirns aus.

"Für Eltern, die in einer romantischen Beziehung leben, sind das die stärksten Formen der Liebe. Und ich glaube, dass es dafür auch ganz natürliche biologische Gründe gibt", schlussfolgert Rinne.

Der Vergleich zwischen Partner-, Eltern-, Freundes- und Fremdenliebe zeigt, dass zwar alle diese zwischenmenschlichen Emotionen in ähnlichen Hirnarealen verarbeitet werden, jedoch mit unterschiedlicher Intensität.

Schwächere Liebe zu Freunden und Fremden

Freundesliebe und insbesondere empathische Liebe zu Fremden aktivieren weniger Bereiche des Gehirns und sind schwächer ausgeprägt. Nichtpersonelle Liebe zur Natur oder zu Haustieren aktiviert zwar das Belohnungssystem, weniger jedoch die sozialen Areale des Gehirns.

Es gab allerdings Unterschiede zwischen Haustierbesitzern und Menschen ohne Haustier: Bei Haustierbesitzern wurden die Hirnareale für soziale Kognition stärker aktiviert als bei Menschen ohne Haustiere. "Bei den Haustierbesitzern ähnelt die Liebe zu Haustieren also eher der zwischenmenschlichen Liebe", so Rinne.

Zukünftige Forschung: Liebesauswirkungen in anderen Kulturen

Möglicherweise könnten die Ergebnisse der Studie auch Anwendung in der Praxis finden, etwa bei Verhaltenstherapien in der Psychotherapie. Zukünftig interessiert sich das Forschungsteam besonders dafür, wie ein solcher Versuch in einem anderen kulturellen Kontext aussehen könnte. Dafür möchten sie demnächst die westliche Bevölkerung mit einer ostasiatischen Bevölkerung vergleichen.

Die Forschung von Rinne und seinem Team zeigt, dass Liebe kein einheitliches Gefühl ist, sondern in vielen Facetten existiert. Ob die Liebe zum Partner, zum Kind oder Haustier - unser Gehirn reagiert auf jede Form der Liebe unterschiedlich.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR Kultur am 6. September 2024 um 16:05 Uhr.